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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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versteht. Ich suchte besondere Arten aufzufinden, und
sendete sie nach Hause. Den schönen Enzian hatte ich
im früheren Sommer schon der Schwester in meinen
Pflanzenbüchern gebracht, jezt brachte ich ihr auch
Alpenrosen und Edelweis. Von der Zirbelkiefer und
dem Knieholze nahm ich die zierlichen Früchte. So
verging die Zeit, und so kam ich bereichert nach Hause.

Ich ging von nun an jeden Sommer in das Ge¬
birge.

Wenn ich von den Zimmern meiner Wohnung in
dem Hause meiner Eltern nach einem dort verbrachten
Winter gegen den Himmel blickte, und nicht mehr so
oft an demselben die grauen Wolken und den Nebel
sah, sondern öfter schon die blauen und heiteren Lüfte,
wenn diese durch ihre Farbe schon gleichsam ihre grö¬
ßere Weichheit ankündigten, wenn auf den Mauern
und Schornsteinen und Ziegeldächern, die ich nach
vielen Richtungen übersehen konnte, schon immer
kräftigere Tafeln von Sonnenschein lagen, kein Schnee
sich mehr blicken ließ, und an den Bäumen unseres
Gartens die Knospen schwollen: so mahnte es mich
bereits in das Freie. Um diesem Drange nur vor¬
läufig zu genügen, ging ich gerne aus der Stadt, und
erquickte mich an der offenen Weite der Wiesen der

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verſteht. Ich ſuchte beſondere Arten aufzufinden, und
ſendete ſie nach Hauſe. Den ſchönen Enzian hatte ich
im früheren Sommer ſchon der Schweſter in meinen
Pflanzenbüchern gebracht, jezt brachte ich ihr auch
Alpenroſen und Edelweis. Von der Zirbelkiefer und
dem Knieholze nahm ich die zierlichen Früchte. So
verging die Zeit, und ſo kam ich bereichert nach Hauſe.

Ich ging von nun an jeden Sommer in das Ge¬
birge.

Wenn ich von den Zimmern meiner Wohnung in
dem Hauſe meiner Eltern nach einem dort verbrachten
Winter gegen den Himmel blickte, und nicht mehr ſo
oft an demſelben die grauen Wolken und den Nebel
ſah, ſondern öfter ſchon die blauen und heiteren Lüfte,
wenn dieſe durch ihre Farbe ſchon gleichſam ihre grö¬
ßere Weichheit ankündigten, wenn auf den Mauern
und Schornſteinen und Ziegeldächern, die ich nach
vielen Richtungen überſehen konnte, ſchon immer
kräftigere Tafeln von Sonnenſchein lagen, kein Schnee
ſich mehr blicken ließ, und an den Bäumen unſeres
Gartens die Knospen ſchwollen: ſo mahnte es mich
bereits in das Freie. Um dieſem Drange nur vor¬
läufig zu genügen, ging ich gerne aus der Stadt, und
erquickte mich an der offenen Weite der Wieſen der

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[51/0065] verſteht. Ich ſuchte beſondere Arten aufzufinden, und ſendete ſie nach Hauſe. Den ſchönen Enzian hatte ich im früheren Sommer ſchon der Schweſter in meinen Pflanzenbüchern gebracht, jezt brachte ich ihr auch Alpenroſen und Edelweis. Von der Zirbelkiefer und dem Knieholze nahm ich die zierlichen Früchte. So verging die Zeit, und ſo kam ich bereichert nach Hauſe. Ich ging von nun an jeden Sommer in das Ge¬ birge. Wenn ich von den Zimmern meiner Wohnung in dem Hauſe meiner Eltern nach einem dort verbrachten Winter gegen den Himmel blickte, und nicht mehr ſo oft an demſelben die grauen Wolken und den Nebel ſah, ſondern öfter ſchon die blauen und heiteren Lüfte, wenn dieſe durch ihre Farbe ſchon gleichſam ihre grö¬ ßere Weichheit ankündigten, wenn auf den Mauern und Schornſteinen und Ziegeldächern, die ich nach vielen Richtungen überſehen konnte, ſchon immer kräftigere Tafeln von Sonnenſchein lagen, kein Schnee ſich mehr blicken ließ, und an den Bäumen unſeres Gartens die Knospen ſchwollen: ſo mahnte es mich bereits in das Freie. Um dieſem Drange nur vor¬ läufig zu genügen, ging ich gerne aus der Stadt, und erquickte mich an der offenen Weite der Wieſen der 4 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/65>, abgerufen am 24.11.2024.