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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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waren nicht schwer von einander zu unterscheiden. Die
Behandlung derselben war von Seite meines Gast¬
freundes so fein, daß ich es nicht von ihm vermuthet
hatte, und daß ich diese Eigenschaft an ihm erst jezt,
wo ich ihn unter Menschen beobachten konnte, ent¬
deckte.

Auch Bauern kamen zu verschiedenen Zeiten, und
bathen, daß sie die Rosen anschauen dürfen. Nicht
nur die Rosen wurden ihnen gezeigt, sondern auch
alles andere im Hause und Garten, was sie zu sehen
wünschten, besonders aber der Meierhof, in so ferne
sie ihn nicht kannten, oder ihnen die lezten Verän¬
derungen in demselben neu waren.

Eines Tages kam auch der Pfarrer von Rohr¬
berg, den ich bei meinem vorjährigen Besuche in dem
Rosenhause getroffen hatte. Er zeichnete sich einige
Rosen in ein Buch, das er mitgebracht hatte, und
wendete sogar Wasserfarben an, um die Farben der
Blumen so getreu als nur immer möglich ist, nach¬
zuahmen. Die Zeichnung aber sollte keine Kunstab¬
bildung von Blumen sein, sondern er wollte sich nur
solche Blumen anmerken und von ihnen den Eindruck
aufbewahren, deren Art er in seinen Garten zu
verpflanzen wünschte. Es bestand nehmlich schon seit

Stifter, Nachsommer. I. 27

waren nicht ſchwer von einander zu unterſcheiden. Die
Behandlung derſelben war von Seite meines Gaſt¬
freundes ſo fein, daß ich es nicht von ihm vermuthet
hatte, und daß ich dieſe Eigenſchaft an ihm erſt jezt,
wo ich ihn unter Menſchen beobachten konnte, ent¬
deckte.

Auch Bauern kamen zu verſchiedenen Zeiten, und
bathen, daß ſie die Roſen anſchauen dürfen. Nicht
nur die Roſen wurden ihnen gezeigt, ſondern auch
alles andere im Hauſe und Garten, was ſie zu ſehen
wünſchten, beſonders aber der Meierhof, in ſo ferne
ſie ihn nicht kannten, oder ihnen die lezten Verän¬
derungen in demſelben neu waren.

Eines Tages kam auch der Pfarrer von Rohr¬
berg, den ich bei meinem vorjährigen Beſuche in dem
Roſenhauſe getroffen hatte. Er zeichnete ſich einige
Roſen in ein Buch, das er mitgebracht hatte, und
wendete ſogar Waſſerfarben an, um die Farben der
Blumen ſo getreu als nur immer möglich iſt, nach¬
zuahmen. Die Zeichnung aber ſollte keine Kunſtab¬
bildung von Blumen ſein, ſondern er wollte ſich nur
ſolche Blumen anmerken und von ihnen den Eindruck
aufbewahren, deren Art er in ſeinen Garten zu
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Stifter, Nachſommer. I. 27
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[417/0431] waren nicht ſchwer von einander zu unterſcheiden. Die Behandlung derſelben war von Seite meines Gaſt¬ freundes ſo fein, daß ich es nicht von ihm vermuthet hatte, und daß ich dieſe Eigenſchaft an ihm erſt jezt, wo ich ihn unter Menſchen beobachten konnte, ent¬ deckte. Auch Bauern kamen zu verſchiedenen Zeiten, und bathen, daß ſie die Roſen anſchauen dürfen. Nicht nur die Roſen wurden ihnen gezeigt, ſondern auch alles andere im Hauſe und Garten, was ſie zu ſehen wünſchten, beſonders aber der Meierhof, in ſo ferne ſie ihn nicht kannten, oder ihnen die lezten Verän¬ derungen in demſelben neu waren. Eines Tages kam auch der Pfarrer von Rohr¬ berg, den ich bei meinem vorjährigen Beſuche in dem Roſenhauſe getroffen hatte. Er zeichnete ſich einige Roſen in ein Buch, das er mitgebracht hatte, und wendete ſogar Waſſerfarben an, um die Farben der Blumen ſo getreu als nur immer möglich iſt, nach¬ zuahmen. Die Zeichnung aber ſollte keine Kunſtab¬ bildung von Blumen ſein, ſondern er wollte ſich nur ſolche Blumen anmerken und von ihnen den Eindruck aufbewahren, deren Art er in ſeinen Garten zu verpflanzen wünſchte. Es beſtand nehmlich ſchon ſeit Stifter, Nachſommer. I. 27

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/431>, abgerufen am 06.06.2024.