aus Neigung zu mir, um mich mit den schönen Din¬ gen zu erfreuen, die seine Schwester verfertigte, ging sie wiederholt darum an. Sie lehnte es aber jedes Mal auf eine einfache Art ab. Ich hatte einmal in einer Nacht, da meine Fenster offen waren, Zithertöne vernommen. Ich kannte dieses Musikgeräth des Ge¬ birges sehr gut, ich hatte es bei meinen Wanderungen sehr oft und von den verschiedensten Händen spie¬ len gehört, und hatte mein Ohr für seine Klänge und Unterschiede zu bilden gesucht. Ich ging an das Fen¬ ster und hörte zu. Es waren zwei Zithern, die im östlichen Flügel des Hauses abwechselnd gegen einan¬ der und mit einander spielten. Wer Übung im Hö¬ ren dieser Klänge hat, merkt es gleich, ob auf dersel¬ ben Zither oder auf verschiedenen und von denselben Händen oder verschiedenen gespielt wird. In den Ge¬ mächern der Frauen sah ich später die zwei Zithern liegen. Es wurde aber in unserer Gegenwart nie darauf gespielt. Mein Gastfreund verlangte es nicht, ich ohnehin nicht, und in dieser Angelegenheit beob¬ achtete auch Gustav eine feste Enthaltung.
Indessen war nach und nach die Zeit herange¬ rückt, in welcher die Rosen in der allerschönsten Blüthe standen. Das Wetter war sehr günstig gewe¬
aus Neigung zu mir, um mich mit den ſchönen Din¬ gen zu erfreuen, die ſeine Schweſter verfertigte, ging ſie wiederholt darum an. Sie lehnte es aber jedes Mal auf eine einfache Art ab. Ich hatte einmal in einer Nacht, da meine Fenſter offen waren, Zithertöne vernommen. Ich kannte dieſes Muſikgeräth des Ge¬ birges ſehr gut, ich hatte es bei meinen Wanderungen ſehr oft und von den verſchiedenſten Händen ſpie¬ len gehört, und hatte mein Ohr für ſeine Klänge und Unterſchiede zu bilden geſucht. Ich ging an das Fen¬ ſter und hörte zu. Es waren zwei Zithern, die im öſtlichen Flügel des Hauſes abwechſelnd gegen einan¬ der und mit einander ſpielten. Wer Übung im Hö¬ ren dieſer Klänge hat, merkt es gleich, ob auf derſel¬ ben Zither oder auf verſchiedenen und von denſelben Händen oder verſchiedenen geſpielt wird. In den Ge¬ mächern der Frauen ſah ich ſpäter die zwei Zithern liegen. Es wurde aber in unſerer Gegenwart nie darauf geſpielt. Mein Gaſtfreund verlangte es nicht, ich ohnehin nicht, und in dieſer Angelegenheit beob¬ achtete auch Guſtav eine feſte Enthaltung.
Indeſſen war nach und nach die Zeit herange¬ rückt, in welcher die Roſen in der allerſchönſten Blüthe ſtanden. Das Wetter war ſehr günſtig gewe¬
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aus Neigung zu mir, um mich mit den ſchönen Din¬
gen zu erfreuen, die ſeine Schweſter verfertigte, ging
ſie wiederholt darum an. Sie lehnte es aber jedes
Mal auf eine einfache Art ab. Ich hatte einmal in
einer Nacht, da meine Fenſter offen waren, Zithertöne
vernommen. Ich kannte dieſes Muſikgeräth des Ge¬
birges ſehr gut, ich hatte es bei meinen Wanderungen
ſehr oft und von den verſchiedenſten Händen ſpie¬
len gehört, und hatte mein Ohr für ſeine Klänge und
Unterſchiede zu bilden geſucht. Ich ging an das Fen¬
ſter und hörte zu. Es waren zwei Zithern, die im
öſtlichen Flügel des Hauſes abwechſelnd gegen einan¬
der und mit einander ſpielten. Wer Übung im Hö¬
ren dieſer Klänge hat, merkt es gleich, ob auf derſel¬
ben Zither oder auf verſchiedenen und von denſelben
Händen oder verſchiedenen geſpielt wird. In den Ge¬
mächern der Frauen ſah ich ſpäter die zwei Zithern
liegen. Es wurde aber in unſerer Gegenwart nie
darauf geſpielt. Mein Gaſtfreund verlangte es nicht,
ich ohnehin nicht, und in dieſer Angelegenheit beob¬
achtete auch Guſtav eine feſte Enthaltung.
Indeſſen war nach und nach die Zeit herange¬
rückt, in welcher die Roſen in der allerſchönſten
Blüthe ſtanden. Das Wetter war ſehr günſtig gewe¬
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/428>, abgerufen am 22.11.2024.
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