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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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-- hieß Julie. Sie hatte braune Haare wie Natalie.
Dieselben waren reich und waren schön um die Stirne
geordnet. Die Augen waren braun groß und blickten
mild. Die Wangen waren fein und ebenmäßig, und
der Mund war äußerst sanft und wohlwollend. Ihre
Gestalt hatte sich neben den Rosen und auf dem Spa¬
ziergange als schlank und edel, und ihre Bewegungen
hatten sich als natürliche und würdevolle gezeigt. Es
lag ein großer hinziehender Reiz in ihrem Wesen.
Die jüngere, welche Appolonia hieß, hatte gleichfalls
braune aber lichtere Haare als die Schwester. Sie
waren eben so reich und wo möglich noch schöner ge¬
ordnet. Die Stirne trat klar und deutlich von ihnen
ab, und unter derselben blickten zwei blaue Augen
nicht so groß wie die braunen der Schwester aber noch
einfacher gütevoller und treuer hervor. Diese Augen
schienen von dem Vater zu kommen, der sie auch blau
hatte, während die der Mutter braun waren. Die
Wangen und der Mund erschienen noch feiner als bei
der Schwester und die Gestalt fast unmerkbar kleiner.
War ihr Benehmen minder anmuthig als das der
Schwester, so war es treuherziger und lieblicher.
Meine Freunde in der Stadt würden gesagt haben,
es seien zwei hinreißende Wesen, und sie waren es

— hieß Julie. Sie hatte braune Haare wie Natalie.
Dieſelben waren reich und waren ſchön um die Stirne
geordnet. Die Augen waren braun groß und blickten
mild. Die Wangen waren fein und ebenmäßig, und
der Mund war äußerſt ſanft und wohlwollend. Ihre
Geſtalt hatte ſich neben den Roſen und auf dem Spa¬
ziergange als ſchlank und edel, und ihre Bewegungen
hatten ſich als natürliche und würdevolle gezeigt. Es
lag ein großer hinziehender Reiz in ihrem Weſen.
Die jüngere, welche Appolonia hieß, hatte gleichfalls
braune aber lichtere Haare als die Schweſter. Sie
waren eben ſo reich und wo möglich noch ſchöner ge¬
ordnet. Die Stirne trat klar und deutlich von ihnen
ab, und unter derſelben blickten zwei blaue Augen
nicht ſo groß wie die braunen der Schweſter aber noch
einfacher gütevoller und treuer hervor. Dieſe Augen
ſchienen von dem Vater zu kommen, der ſie auch blau
hatte, während die der Mutter braun waren. Die
Wangen und der Mund erſchienen noch feiner als bei
der Schweſter und die Geſtalt faſt unmerkbar kleiner.
War ihr Benehmen minder anmuthig als das der
Schweſter, ſo war es treuherziger und lieblicher.
Meine Freunde in der Stadt würden geſagt haben,
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[407/0421] — hieß Julie. Sie hatte braune Haare wie Natalie. Dieſelben waren reich und waren ſchön um die Stirne geordnet. Die Augen waren braun groß und blickten mild. Die Wangen waren fein und ebenmäßig, und der Mund war äußerſt ſanft und wohlwollend. Ihre Geſtalt hatte ſich neben den Roſen und auf dem Spa¬ ziergange als ſchlank und edel, und ihre Bewegungen hatten ſich als natürliche und würdevolle gezeigt. Es lag ein großer hinziehender Reiz in ihrem Weſen. Die jüngere, welche Appolonia hieß, hatte gleichfalls braune aber lichtere Haare als die Schweſter. Sie waren eben ſo reich und wo möglich noch ſchöner ge¬ ordnet. Die Stirne trat klar und deutlich von ihnen ab, und unter derſelben blickten zwei blaue Augen nicht ſo groß wie die braunen der Schweſter aber noch einfacher gütevoller und treuer hervor. Dieſe Augen ſchienen von dem Vater zu kommen, der ſie auch blau hatte, während die der Mutter braun waren. Die Wangen und der Mund erſchienen noch feiner als bei der Schweſter und die Geſtalt faſt unmerkbar kleiner. War ihr Benehmen minder anmuthig als das der Schweſter, ſo war es treuherziger und lieblicher. Meine Freunde in der Stadt würden geſagt haben, es ſeien zwei hinreißende Weſen, und ſie waren es

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/421>, abgerufen am 13.06.2024.