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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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bringen. Es war mir äußerst auffallend, daß er
jezt, wo er den Namen beinahe mit Nothwendigkeit
brauchte, weder um den meinigen gefragt, noch den
der Frauen genannt hatte. Ehe ich recht mit mir zu
Rathe gehen konnte, ob zu der Verbeugung, welche
ich gemacht hatte, etwas gesagt werden solle oder
nicht, fuhr er in seiner Rede fort, und sagte: "Er ist
ein freundlicher Hausgenosse von uns geworden, und
schenkt uns einige Zeit in unserer ländlichen Einsam¬
keit. Er strebt die Berge und das Land zu erforschen,
und zur Kenntniß des Bestehenden und zur Herstel¬
lung der Geschichte des Gewordenen etwas beizutra¬
gen. Wenn auch die Thaten und die Förderung der
Welt mehr das Geschäft des Mannes und des Greises
sind, so ziert ein ernstes Wollen auch den Jüngling,
selbst wo es nicht so klar und so bestimmt ist wie hier."

"Mein Freund hat mir von euch erzählt," sagte
die Frau zu mir, indem sie mich wieder mit den dun¬
keln glänzenden Augen ansah, "er hat mir gesagt, daß
ihr im vergangenen Jahre bei ihm waret, daß ihr ihn
im Frühlinge besucht habt, und daß ihr versprochen
habt, zur Zeit der Rosenblüthe wieder eine Weile in
diesem Hause zuzubringen. Mein Sohn hat auch
sehr oft von euch gesprochen."

bringen. Es war mir äußerſt auffallend, daß er
jezt, wo er den Namen beinahe mit Nothwendigkeit
brauchte, weder um den meinigen gefragt, noch den
der Frauen genannt hatte. Ehe ich recht mit mir zu
Rathe gehen konnte, ob zu der Verbeugung, welche
ich gemacht hatte, etwas geſagt werden ſolle oder
nicht, fuhr er in ſeiner Rede fort, und ſagte: „Er iſt
ein freundlicher Hausgenoſſe von uns geworden, und
ſchenkt uns einige Zeit in unſerer ländlichen Einſam¬
keit. Er ſtrebt die Berge und das Land zu erforſchen,
und zur Kenntniß des Beſtehenden und zur Herſtel¬
lung der Geſchichte des Gewordenen etwas beizutra¬
gen. Wenn auch die Thaten und die Förderung der
Welt mehr das Geſchäft des Mannes und des Greiſes
ſind, ſo ziert ein ernſtes Wollen auch den Jüngling,
ſelbſt wo es nicht ſo klar und ſo beſtimmt iſt wie hier.“

„Mein Freund hat mir von euch erzählt,“ ſagte
die Frau zu mir, indem ſie mich wieder mit den dun¬
keln glänzenden Augen anſah, „er hat mir geſagt, daß
ihr im vergangenen Jahre bei ihm waret, daß ihr ihn
im Frühlinge beſucht habt, und daß ihr verſprochen
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dieſem Hauſe zuzubringen. Mein Sohn hat auch
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[377/0391] bringen. Es war mir äußerſt auffallend, daß er jezt, wo er den Namen beinahe mit Nothwendigkeit brauchte, weder um den meinigen gefragt, noch den der Frauen genannt hatte. Ehe ich recht mit mir zu Rathe gehen konnte, ob zu der Verbeugung, welche ich gemacht hatte, etwas geſagt werden ſolle oder nicht, fuhr er in ſeiner Rede fort, und ſagte: „Er iſt ein freundlicher Hausgenoſſe von uns geworden, und ſchenkt uns einige Zeit in unſerer ländlichen Einſam¬ keit. Er ſtrebt die Berge und das Land zu erforſchen, und zur Kenntniß des Beſtehenden und zur Herſtel¬ lung der Geſchichte des Gewordenen etwas beizutra¬ gen. Wenn auch die Thaten und die Förderung der Welt mehr das Geſchäft des Mannes und des Greiſes ſind, ſo ziert ein ernſtes Wollen auch den Jüngling, ſelbſt wo es nicht ſo klar und ſo beſtimmt iſt wie hier.“ „Mein Freund hat mir von euch erzählt,“ ſagte die Frau zu mir, indem ſie mich wieder mit den dun¬ keln glänzenden Augen anſah, „er hat mir geſagt, daß ihr im vergangenen Jahre bei ihm waret, daß ihr ihn im Frühlinge beſucht habt, und daß ihr verſprochen habt, zur Zeit der Roſenblüthe wieder eine Weile in dieſem Hauſe zuzubringen. Mein Sohn hat auch ſehr oft von euch geſprochen.“

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/391>, abgerufen am 22.11.2024.