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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht
vor, wie mein Gastfreund gesagt hatte, daß sie sich
nicht verändert hätten. Der Mann schien mir noch
weißer geworden zu sein. Seine Haare unterschieden
sich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber
war unverändert. Sie mußte von einer sehr reinlich¬
keitliebenden Familie stammen, weil sie das Häuschen
so nett hielt, und den alten Mann so fleckenlos und
knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau
wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen
Jahre, als ob er einer ganz anderen Beschäftigung
angehörte.

Da ich von dem Gewächshause gegen die Füt¬
terungstenne ging, begegnete mir Gustav. Er lief
mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich.

Der Knabe hatte sich in kurzer Zeit sehr geändert.
Er stand sehr schön neben mir da, und gegen die
rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras
keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, sondern
der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die
braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war
er noch schöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt
hatte, daß zum Beispiele Augen der Thiere in strup¬
pigen Köpfen noch glänzender erschienen, und daß

Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht
vor, wie mein Gaſtfreund geſagt hatte, daß ſie ſich
nicht verändert hätten. Der Mann ſchien mir noch
weißer geworden zu ſein. Seine Haare unterſchieden
ſich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber
war unverändert. Sie mußte von einer ſehr reinlich¬
keitliebenden Familie ſtammen, weil ſie das Häuschen
ſo nett hielt, und den alten Mann ſo fleckenlos und
knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau
wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen
Jahre, als ob er einer ganz anderen Beſchäftigung
angehörte.

Da ich von dem Gewächshauſe gegen die Füt¬
terungstenne ging, begegnete mir Guſtav. Er lief
mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich.

Der Knabe hatte ſich in kurzer Zeit ſehr geändert.
Er ſtand ſehr ſchön neben mir da, und gegen die
rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras
keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, ſondern
der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die
braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war
er noch ſchöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt
hatte, daß zum Beiſpiele Augen der Thiere in ſtrup¬
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[330/0344] Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht vor, wie mein Gaſtfreund geſagt hatte, daß ſie ſich nicht verändert hätten. Der Mann ſchien mir noch weißer geworden zu ſein. Seine Haare unterſchieden ſich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber war unverändert. Sie mußte von einer ſehr reinlich¬ keitliebenden Familie ſtammen, weil ſie das Häuschen ſo nett hielt, und den alten Mann ſo fleckenlos und knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen Jahre, als ob er einer ganz anderen Beſchäftigung angehörte. Da ich von dem Gewächshauſe gegen die Füt¬ terungstenne ging, begegnete mir Guſtav. Er lief mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich. Der Knabe hatte ſich in kurzer Zeit ſehr geändert. Er ſtand ſehr ſchön neben mir da, und gegen die rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, ſondern der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war er noch ſchöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt hatte, daß zum Beiſpiele Augen der Thiere in ſtrup¬ pigen Köpfen noch glänzender erſchienen, und daß

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/344>, abgerufen am 26.06.2024.