Abends ein kleiner Kreis zur Mutter geladen, in wel¬ chem etwas vorgelesen, gesprochen, oder Musik ge¬ macht wurde. Da die Mutter etwas älter wurde, spielte man sogar zuweilen Karten. Wir waren öfter an solchen Abenden bei dieser Familie. In jenem Winter hatte ich ein Buch, welches mir von der Mutter des Hoffräuleins war geliehen worden, län¬ ger behalten, als es eigentlich die Höflichkeit erlaubte. Deßhalb ging ich eines Mittags hin, um das Buch persönlich zu überbringen, und mich zu entschuldigen. Als ich von dem äußeren Burgplaze durch das hohe Gewölbe des Gehweges in den inneren gekommen war, fuhren eben aus dem Hofe zu meiner Rechten mehrere Wägen heraus, die meinen Weg kreuzten, und mich zwangen, eine Weile stehen zu bleiben. Es standen noch mehrere Menschen neben mir, und ich fragte, was diese Wägen bedeuteten.
"Es sind Glückwünsche, welche dem Kaiser nach seiner Wiedergenesung von großen Herren abgestattet worden sind, und welche er eben angenommen hatte," sagte ein Mann neben mir.
Der lezte der Wägen war mit zwei Rappen be¬ spannt, und in ihm saß ein einzelner Mann. Er hatte den Hut neben sich liegen, und trug die weißen Haare
Abends ein kleiner Kreis zur Mutter geladen, in wel¬ chem etwas vorgeleſen, geſprochen, oder Muſik ge¬ macht wurde. Da die Mutter etwas älter wurde, ſpielte man ſogar zuweilen Karten. Wir waren öfter an ſolchen Abenden bei dieſer Familie. In jenem Winter hatte ich ein Buch, welches mir von der Mutter des Hoffräuleins war geliehen worden, län¬ ger behalten, als es eigentlich die Höflichkeit erlaubte. Deßhalb ging ich eines Mittags hin, um das Buch perſönlich zu überbringen, und mich zu entſchuldigen. Als ich von dem äußeren Burgplaze durch das hohe Gewölbe des Gehweges in den inneren gekommen war, fuhren eben aus dem Hofe zu meiner Rechten mehrere Wägen heraus, die meinen Weg kreuzten, und mich zwangen, eine Weile ſtehen zu bleiben. Es ſtanden noch mehrere Menſchen neben mir, und ich fragte, was dieſe Wägen bedeuteten.
„Es ſind Glückwünſche, welche dem Kaiſer nach ſeiner Wiedergeneſung von großen Herren abgeſtattet worden ſind, und welche er eben angenommen hatte,“ ſagte ein Mann neben mir.
Der lezte der Wägen war mit zwei Rappen be¬ ſpannt, und in ihm ſaß ein einzelner Mann. Er hatte den Hut neben ſich liegen, und trug die weißen Haare
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Abends ein kleiner Kreis zur Mutter geladen, in wel¬
chem etwas vorgeleſen, geſprochen, oder Muſik ge¬
macht wurde. Da die Mutter etwas älter wurde,
ſpielte man ſogar zuweilen Karten. Wir waren öfter
an ſolchen Abenden bei dieſer Familie. In jenem
Winter hatte ich ein Buch, welches mir von der
Mutter des Hoffräuleins war geliehen worden, län¬
ger behalten, als es eigentlich die Höflichkeit erlaubte.
Deßhalb ging ich eines Mittags hin, um das Buch
perſönlich zu überbringen, und mich zu entſchuldigen.
Als ich von dem äußeren Burgplaze durch das hohe
Gewölbe des Gehweges in den inneren gekommen
war, fuhren eben aus dem Hofe zu meiner Rechten
mehrere Wägen heraus, die meinen Weg kreuzten,
und mich zwangen, eine Weile ſtehen zu bleiben. Es
ſtanden noch mehrere Menſchen neben mir, und ich
fragte, was dieſe Wägen bedeuteten.
„Es ſind Glückwünſche, welche dem Kaiſer nach
ſeiner Wiedergeneſung von großen Herren abgeſtattet
worden ſind, und welche er eben angenommen hatte,“
ſagte ein Mann neben mir.
Der lezte der Wägen war mit zwei Rappen be¬
ſpannt, und in ihm ſaß ein einzelner Mann. Er hatte
den Hut neben ſich liegen, und trug die weißen Haare
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/327>, abgerufen am 25.11.2024.
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