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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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diesen in das Kleiderzimmer, und trat in den hellen
ebenerdigen Raum des Darstellungssaales.

Ich hatte von meinem Vater die Gewohnheit an¬
genommen, nie von oben herab oder von großer Ent¬
fernung die Darstellung eines Schauspieles zu sehen,
weil man die Menschen, welche die Handlung dar¬
stellen, in ihrer gewöhnlichen Stellung nicht auf die
obere Fläche ihres Kopfes oder ihrer Schultern sehen
soll, und weil man ihre Mienen und Geberden soll
betrachten können. Ich blieb daher ungefähr am Ende
des ersten Drittheiles der Länge des Raumes stehen,
und wartete, bis sich der Saal füllen würde, und die
Glocke zum Beginne des Stückes tönte.

Sowohl die gewöhnlichen Size als auch die Lo¬
gen füllten sich sehr stark mit gepuzten Leuten, wie es
Sitte war, und wahrscheinlich von dem Rufe des
Stückes und des Schauspielers angezogen, strömte
heute eine weit größere und gemischtere Menge, wie
man bei dem ersten Blicke erkennen konnte, in diese
Räume. Männer, die neben mir standen, sprachen
dieses aus, und in der That war in der Versamm¬
lung manche Gestalt zu sehen, die von den entfernte¬
sten Theilen der Vorstädte gekommen sein mußte. Die
meisten, da endlich gleichsam Haupt an Haupt war,

dieſen in das Kleiderzimmer, und trat in den hellen
ebenerdigen Raum des Darſtellungsſaales.

Ich hatte von meinem Vater die Gewohnheit an¬
genommen, nie von oben herab oder von großer Ent¬
fernung die Darſtellung eines Schauſpieles zu ſehen,
weil man die Menſchen, welche die Handlung dar¬
ſtellen, in ihrer gewöhnlichen Stellung nicht auf die
obere Fläche ihres Kopfes oder ihrer Schultern ſehen
ſoll, und weil man ihre Mienen und Geberden ſoll
betrachten können. Ich blieb daher ungefähr am Ende
des erſten Drittheiles der Länge des Raumes ſtehen,
und wartete, bis ſich der Saal füllen würde, und die
Glocke zum Beginne des Stückes tönte.

Sowohl die gewöhnlichen Size als auch die Lo¬
gen füllten ſich ſehr ſtark mit gepuzten Leuten, wie es
Sitte war, und wahrſcheinlich von dem Rufe des
Stückes und des Schauſpielers angezogen, ſtrömte
heute eine weit größere und gemiſchtere Menge, wie
man bei dem erſten Blicke erkennen konnte, in dieſe
Räume. Männer, die neben mir ſtanden, ſprachen
dieſes aus, und in der That war in der Verſamm¬
lung manche Geſtalt zu ſehen, die von den entfernte¬
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[299/0313] dieſen in das Kleiderzimmer, und trat in den hellen ebenerdigen Raum des Darſtellungsſaales. Ich hatte von meinem Vater die Gewohnheit an¬ genommen, nie von oben herab oder von großer Ent¬ fernung die Darſtellung eines Schauſpieles zu ſehen, weil man die Menſchen, welche die Handlung dar¬ ſtellen, in ihrer gewöhnlichen Stellung nicht auf die obere Fläche ihres Kopfes oder ihrer Schultern ſehen ſoll, und weil man ihre Mienen und Geberden ſoll betrachten können. Ich blieb daher ungefähr am Ende des erſten Drittheiles der Länge des Raumes ſtehen, und wartete, bis ſich der Saal füllen würde, und die Glocke zum Beginne des Stückes tönte. Sowohl die gewöhnlichen Size als auch die Lo¬ gen füllten ſich ſehr ſtark mit gepuzten Leuten, wie es Sitte war, und wahrſcheinlich von dem Rufe des Stückes und des Schauſpielers angezogen, ſtrömte heute eine weit größere und gemiſchtere Menge, wie man bei dem erſten Blicke erkennen konnte, in dieſe Räume. Männer, die neben mir ſtanden, ſprachen dieſes aus, und in der That war in der Verſamm¬ lung manche Geſtalt zu ſehen, die von den entfernte¬ ſten Theilen der Vorſtädte gekommen ſein mußte. Die meiſten, da endlich gleichſam Haupt an Haupt war,

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/313>, abgerufen am 16.06.2024.