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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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alter Art erinnerten an die reinen und anspruchlosen
Gestalten, wie ich sie bei dem Meister auf dem reinen
Papier mit reinen Linien gesehen hatte. Aber in der
Nische der einen Wegsäule war statt des Standbil¬
des, das einst darinnen gewesen war, und auf wel¬
ches der Sockel noch hinwies, ein neues Gemälde mit
bunten Farben gethan worden, in der anderen fehlte
jede Gestalt. Auf meiner Stromesfahrt kam ich wohl
an Kirchen und Burgen vorüber, die der Beachtung
werth sein mochten, aber mein Zweck führte mich in
dem Schiffe weiter. An dem Erzdome sah ich beinahe
alle Gestalten von Verzierungen Simsen Bögen Säu¬
len und größeren Theilwerken, wie ich sie auf dem
Papier im Rosenhause gesehen hatte. Es ergözte
mich, in meiner Erinnerung diese Gestalten mit den
gesehenen zu vergleichen, und sie gegenseitig abzu¬
schäzen.

Auch in Beziehung der Edelsteine fiel mir das ein,
was der alte Mann in dem Rosenhause über die Fas¬
sung derselben gesagt hatte. Es gab Gelegenheit ge¬
nug, gefaßte Edelsteine zu sehen. In unzähligen
Schaufenstern der Stadt liegen Schmuckwerke zur An¬
sicht und zur Verlockung zum Kaufe aus. Ich betrach¬
tete sie überall, wo sie mir auf meinem Wege aufstie¬

alter Art erinnerten an die reinen und anſpruchloſen
Geſtalten, wie ich ſie bei dem Meiſter auf dem reinen
Papier mit reinen Linien geſehen hatte. Aber in der
Niſche der einen Wegſäule war ſtatt des Standbil¬
des, das einſt darinnen geweſen war, und auf wel¬
ches der Sockel noch hinwies, ein neues Gemälde mit
bunten Farben gethan worden, in der anderen fehlte
jede Geſtalt. Auf meiner Stromesfahrt kam ich wohl
an Kirchen und Burgen vorüber, die der Beachtung
werth ſein mochten, aber mein Zweck führte mich in
dem Schiffe weiter. An dem Erzdome ſah ich beinahe
alle Geſtalten von Verzierungen Simſen Bögen Säu¬
len und größeren Theilwerken, wie ich ſie auf dem
Papier im Roſenhauſe geſehen hatte. Es ergözte
mich, in meiner Erinnerung dieſe Geſtalten mit den
geſehenen zu vergleichen, und ſie gegenſeitig abzu¬
ſchäzen.

Auch in Beziehung der Edelſteine fiel mir das ein,
was der alte Mann in dem Roſenhauſe über die Faſ¬
ſung derſelben geſagt hatte. Es gab Gelegenheit ge¬
nug, gefaßte Edelſteine zu ſehen. In unzähligen
Schaufenſtern der Stadt liegen Schmuckwerke zur An¬
ſicht und zur Verlockung zum Kaufe aus. Ich betrach¬
tete ſie überall, wo ſie mir auf meinem Wege aufſtie¬

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[292/0306] alter Art erinnerten an die reinen und anſpruchloſen Geſtalten, wie ich ſie bei dem Meiſter auf dem reinen Papier mit reinen Linien geſehen hatte. Aber in der Niſche der einen Wegſäule war ſtatt des Standbil¬ des, das einſt darinnen geweſen war, und auf wel¬ ches der Sockel noch hinwies, ein neues Gemälde mit bunten Farben gethan worden, in der anderen fehlte jede Geſtalt. Auf meiner Stromesfahrt kam ich wohl an Kirchen und Burgen vorüber, die der Beachtung werth ſein mochten, aber mein Zweck führte mich in dem Schiffe weiter. An dem Erzdome ſah ich beinahe alle Geſtalten von Verzierungen Simſen Bögen Säu¬ len und größeren Theilwerken, wie ich ſie auf dem Papier im Roſenhauſe geſehen hatte. Es ergözte mich, in meiner Erinnerung dieſe Geſtalten mit den geſehenen zu vergleichen, und ſie gegenſeitig abzu¬ ſchäzen. Auch in Beziehung der Edelſteine fiel mir das ein, was der alte Mann in dem Roſenhauſe über die Faſ¬ ſung derſelben geſagt hatte. Es gab Gelegenheit ge¬ nug, gefaßte Edelſteine zu ſehen. In unzähligen Schaufenſtern der Stadt liegen Schmuckwerke zur An¬ ſicht und zur Verlockung zum Kaufe aus. Ich betrach¬ tete ſie überall, wo ſie mir auf meinem Wege aufſtie¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/306>, abgerufen am 01.06.2024.