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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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daß sie mich wegen meiner Sonderlichkeit geringer
achteten als sich unter einander selbst.

Sie erwiesen meiner Schwester große Aufmerk¬
samkeiten, und suchten ihr zu gefallen. Die jungen
Leute, welche in unser Haus kommen durften, waren
nur lauter solche, deren Eltern zu uns eingeladen wa¬
ren, die wir auch besuchten, und an deren Sitten sich
kein Bedenken erhob. Meine Schwester wußte nicht, daß
ihr die Männer gefallen wollten, und sie achtete nicht
darauf. Ich aber kam in jenen Tagen, wenn mir ein¬
fiel, daß meine Schwester einmal einen Gatten haben
werde, immer auf den nehmlichen Gedanken, daß dies
kein anderer Mann sein könne, als der so wäre wie
der Vater.

Auch mich zogen diese jungen Männer und andere,
die nicht eben der Schwester willen in das Haus ka¬
men, öfter in ihre Gespräche, sie erzählten mir von
ihren Ansichten Bestrebungen Unterhaltungen, und
manche vertrauten mir Dinge, welche sie in ihrem ge¬
heimen Inneren dachten. So sagte mir einmal einer
Namens Preborn, welcher der Sohn eines alten
Mannes war, der ein hohes Amt am Hofe bekleidete,
und öfter in unser Haus kam, die junge Tarona sei
die größte Schönheit der Stadt, sie habe einen

Stifter, Nachsommer. I. 19

daß ſie mich wegen meiner Sonderlichkeit geringer
achteten als ſich unter einander ſelbſt.

Sie erwieſen meiner Schweſter große Aufmerk¬
ſamkeiten, und ſuchten ihr zu gefallen. Die jungen
Leute, welche in unſer Haus kommen durften, waren
nur lauter ſolche, deren Eltern zu uns eingeladen wa¬
ren, die wir auch beſuchten, und an deren Sitten ſich
kein Bedenken erhob. Meine Schweſter wußte nicht, daß
ihr die Männer gefallen wollten, und ſie achtete nicht
darauf. Ich aber kam in jenen Tagen, wenn mir ein¬
fiel, daß meine Schweſter einmal einen Gatten haben
werde, immer auf den nehmlichen Gedanken, daß dies
kein anderer Mann ſein könne, als der ſo wäre wie
der Vater.

Auch mich zogen dieſe jungen Männer und andere,
die nicht eben der Schweſter willen in das Haus ka¬
men, öfter in ihre Geſpräche, ſie erzählten mir von
ihren Anſichten Beſtrebungen Unterhaltungen, und
manche vertrauten mir Dinge, welche ſie in ihrem ge¬
heimen Inneren dachten. So ſagte mir einmal einer
Namens Preborn, welcher der Sohn eines alten
Mannes war, der ein hohes Amt am Hofe bekleidete,
und öfter in unſer Haus kam, die junge Tarona ſei
die größte Schönheit der Stadt, ſie habe einen

Stifter, Nachſommer. I. 19
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[289/0303] daß ſie mich wegen meiner Sonderlichkeit geringer achteten als ſich unter einander ſelbſt. Sie erwieſen meiner Schweſter große Aufmerk¬ ſamkeiten, und ſuchten ihr zu gefallen. Die jungen Leute, welche in unſer Haus kommen durften, waren nur lauter ſolche, deren Eltern zu uns eingeladen wa¬ ren, die wir auch beſuchten, und an deren Sitten ſich kein Bedenken erhob. Meine Schweſter wußte nicht, daß ihr die Männer gefallen wollten, und ſie achtete nicht darauf. Ich aber kam in jenen Tagen, wenn mir ein¬ fiel, daß meine Schweſter einmal einen Gatten haben werde, immer auf den nehmlichen Gedanken, daß dies kein anderer Mann ſein könne, als der ſo wäre wie der Vater. Auch mich zogen dieſe jungen Männer und andere, die nicht eben der Schweſter willen in das Haus ka¬ men, öfter in ihre Geſpräche, ſie erzählten mir von ihren Anſichten Beſtrebungen Unterhaltungen, und manche vertrauten mir Dinge, welche ſie in ihrem ge¬ heimen Inneren dachten. So ſagte mir einmal einer Namens Preborn, welcher der Sohn eines alten Mannes war, der ein hohes Amt am Hofe bekleidete, und öfter in unſer Haus kam, die junge Tarona ſei die größte Schönheit der Stadt, ſie habe einen Stifter, Nachſommer. I. 19

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/303>, abgerufen am 17.06.2024.