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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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auf Gartenpflege sondern zu meiner Belehrung und
Erheiterung, und daß die Cactus nicht das Lezte ge¬
wesen wären, dem ich eine Aufmerksamkeit geschenkt
habe.

"Wenn der Herr alte Sachen sammelt," sagte er,
"so wäre es wohl auch recht, wenn er dies auch mit
alten Pflanzen thäte. Im Inghofe ist in dem Ge¬
wächshause ein Cereus, der stärker als ein Mannes¬
arm samt seiner Bekleidung ist. Er geht an der Wand
empor, biegt sich um, und wächst an der Decke des
Hauses hin, an welcher er mit Bändern befestigt ist.
Der untere Theil ist schon Holz geworden, daß man
Namen eingeschnitten hat. Ich glaube, es ist ein Ce¬
reus peruvianus. Sie schäzen ihn nicht so hoch, und
der Herr sollte den Cereus kaufen, wenn man auch
wegen seiner Länge drei Wägen aneinander binden
müßte, um ihn herüber bringen zu können. Er ist ge¬
wiß schon zweihundert Jahre alt."

Ich antwortete auf diese Rede nicht, um ihm seine
Zeitrechnung in Hinsicht der Cactuspflege in Europa
nicht zu stören.

Ich dankte ihm, da ich endlich alles gesehen hatte,
für seine Mühe, und verließ das kleine Haus. Er

auf Gartenpflege ſondern zu meiner Belehrung und
Erheiterung, und daß die Cactus nicht das Lezte ge¬
weſen wären, dem ich eine Aufmerkſamkeit geſchenkt
habe.

„Wenn der Herr alte Sachen ſammelt,“ ſagte er,
„ſo wäre es wohl auch recht, wenn er dies auch mit
alten Pflanzen thäte. Im Inghofe iſt in dem Ge¬
wächshauſe ein Cereus, der ſtärker als ein Mannes¬
arm ſamt ſeiner Bekleidung iſt. Er geht an der Wand
empor, biegt ſich um, und wächſt an der Decke des
Hauſes hin, an welcher er mit Bändern befeſtigt iſt.
Der untere Theil iſt ſchon Holz geworden, daß man
Namen eingeſchnitten hat. Ich glaube, es iſt ein Ce¬
reus peruvianus. Sie ſchäzen ihn nicht ſo hoch, und
der Herr ſollte den Cereus kaufen, wenn man auch
wegen ſeiner Länge drei Wägen aneinander binden
müßte, um ihn herüber bringen zu können. Er iſt ge¬
wiß ſchon zweihundert Jahre alt.“

Ich antwortete auf dieſe Rede nicht, um ihm ſeine
Zeitrechnung in Hinſicht der Cactuspflege in Europa
nicht zu ſtören.

Ich dankte ihm, da ich endlich alles geſehen hatte,
für ſeine Mühe, und verließ das kleine Haus. Er

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[201/0215] auf Gartenpflege ſondern zu meiner Belehrung und Erheiterung, und daß die Cactus nicht das Lezte ge¬ weſen wären, dem ich eine Aufmerkſamkeit geſchenkt habe. „Wenn der Herr alte Sachen ſammelt,“ ſagte er, „ſo wäre es wohl auch recht, wenn er dies auch mit alten Pflanzen thäte. Im Inghofe iſt in dem Ge¬ wächshauſe ein Cereus, der ſtärker als ein Mannes¬ arm ſamt ſeiner Bekleidung iſt. Er geht an der Wand empor, biegt ſich um, und wächſt an der Decke des Hauſes hin, an welcher er mit Bändern befeſtigt iſt. Der untere Theil iſt ſchon Holz geworden, daß man Namen eingeſchnitten hat. Ich glaube, es iſt ein Ce¬ reus peruvianus. Sie ſchäzen ihn nicht ſo hoch, und der Herr ſollte den Cereus kaufen, wenn man auch wegen ſeiner Länge drei Wägen aneinander binden müßte, um ihn herüber bringen zu können. Er iſt ge¬ wiß ſchon zweihundert Jahre alt.“ Ich antwortete auf dieſe Rede nicht, um ihm ſeine Zeitrechnung in Hinſicht der Cactuspflege in Europa nicht zu ſtören. Ich dankte ihm, da ich endlich alles geſehen hatte, für ſeine Mühe, und verließ das kleine Haus. Er

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/215>, abgerufen am 25.11.2024.