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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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"Habt ihr alle Arten unsers Gebirges?" fragte ich.

"Ich habe nicht alle," antwortete er, "ich hätte sie
vielleicht nach und nach erhalten können, wenn ich
meine Besuche stettig hätte fortsezen können. Aber seit
ich alt werde, wird es mir immer schwieriger. Wenn
ich jezt zu seltnen Zeiten einmal an den Rand des
Simmeises hinaufkomme, empfinde ich, daß es nicht
mehr ist, wie in der Jugend, wo man keine Grenze
kennt als das Ende des Tages oder die bare Unmög¬
lichkeit. Weil ich nun nicht mehr so große Strecken
durchreisen kann, um etwa Marmor, der mir noch
fehlt, in Blöcken aufzusuchen, so wird die Ausbeute
immer geringer; sie wird auch aus dem Grunde ge¬
ringer, weil ich bereits so viel habe, und die Stellen
also seltener sind, wo ich ein noch Fehlendes finde. Da
ich allen Marmor selber gesammelt habe, so kann ich
wohl auch kein Stück an meinem Hause anbringen,
das mir von fremder Hand käme."

"Ihr habt also wahrscheinlich das Haus selber ge¬
baut, oder es sehr umgestaltet?" fragte ich.

"Ich habe es selber gebaut," antwortete er. "Das
Wohnhaus, welches zu den umliegenden Gründen
gehört, war früher der Meierhof, an dem ihr gestern,
da wir auf dem Bänkchen der Felderrast saßen, Leute

„Habt ihr alle Arten unſers Gebirges?“ fragte ich.

„Ich habe nicht alle,“ antwortete er, „ich hätte ſie
vielleicht nach und nach erhalten können, wenn ich
meine Beſuche ſtettig hätte fortſezen können. Aber ſeit
ich alt werde, wird es mir immer ſchwieriger. Wenn
ich jezt zu ſeltnen Zeiten einmal an den Rand des
Simmeiſes hinaufkomme, empfinde ich, daß es nicht
mehr iſt, wie in der Jugend, wo man keine Grenze
kennt als das Ende des Tages oder die bare Unmög¬
lichkeit. Weil ich nun nicht mehr ſo große Strecken
durchreiſen kann, um etwa Marmor, der mir noch
fehlt, in Blöcken aufzuſuchen, ſo wird die Ausbeute
immer geringer; ſie wird auch aus dem Grunde ge¬
ringer, weil ich bereits ſo viel habe, und die Stellen
alſo ſeltener ſind, wo ich ein noch Fehlendes finde. Da
ich allen Marmor ſelber geſammelt habe, ſo kann ich
wohl auch kein Stück an meinem Hauſe anbringen,
das mir von fremder Hand käme.“

„Ihr habt alſo wahrſcheinlich das Haus ſelber ge¬
baut, oder es ſehr umgeſtaltet?“ fragte ich.

„Ich habe es ſelber gebaut,“ antwortete er. „Das
Wohnhaus, welches zu den umliegenden Gründen
gehört, war früher der Meierhof, an dem ihr geſtern,
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[190/0204] „Habt ihr alle Arten unſers Gebirges?“ fragte ich. „Ich habe nicht alle,“ antwortete er, „ich hätte ſie vielleicht nach und nach erhalten können, wenn ich meine Beſuche ſtettig hätte fortſezen können. Aber ſeit ich alt werde, wird es mir immer ſchwieriger. Wenn ich jezt zu ſeltnen Zeiten einmal an den Rand des Simmeiſes hinaufkomme, empfinde ich, daß es nicht mehr iſt, wie in der Jugend, wo man keine Grenze kennt als das Ende des Tages oder die bare Unmög¬ lichkeit. Weil ich nun nicht mehr ſo große Strecken durchreiſen kann, um etwa Marmor, der mir noch fehlt, in Blöcken aufzuſuchen, ſo wird die Ausbeute immer geringer; ſie wird auch aus dem Grunde ge¬ ringer, weil ich bereits ſo viel habe, und die Stellen alſo ſeltener ſind, wo ich ein noch Fehlendes finde. Da ich allen Marmor ſelber geſammelt habe, ſo kann ich wohl auch kein Stück an meinem Hauſe anbringen, das mir von fremder Hand käme.“ „Ihr habt alſo wahrſcheinlich das Haus ſelber ge¬ baut, oder es ſehr umgeſtaltet?“ fragte ich. „Ich habe es ſelber gebaut,“ antwortete er. „Das Wohnhaus, welches zu den umliegenden Gründen gehört, war früher der Meierhof, an dem ihr geſtern, da wir auf dem Bänkchen der Felderraſt ſaßen, Leute

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/204>, abgerufen am 24.11.2024.