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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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der einbeziehen. Mir fiel der Knabe ein, den ich
im Heraufgehen gesehen hatte, vielleicht ist dieser ein
Sohn von ihm.

"Der Rest des Hügels ist an drei Meierhöfe ver¬
theilt," schloß er seine Rede, "welche unsere nächsten
Nachbarn sind. Von den Niederungen an, die um den
Hügel liegen, und jenseits welcher das Land wieder
aufsteigt, beginnen unsere entfernteren Nachbarn."

"Es ist ein gesegnetes ein von Gott beglücktes
Land," sagte ich.

"Ihr habt recht gesprochen," erwiederte er, "Land
und Halm ist eine Wohlthat Gottes. Es ist unglaublich,
und der Mensch bedenkt es kaum, welch ein unerme߬
licher Werth in diesen Gräsern ist. Laßt sie einmal von
unserem Erdtheile verschwinden, und wir verschmach¬
ten bei allem unserem sonstigen Reichthume vor Hun¬
ger. Wer weiß, ob die heißen Länder nicht so dünn
bevölkert sind, und das Wissen und die Kunst nicht so
tragen, wie die kälteren, weil sie kein Getreide haben.
Wie viel selbst dieser kleine Hügel gibt, würdet ihr
kaum glauben. Ich habe mir einmal die Mühe ge¬
nommen, die Fläche dieses Hügel, soweit sie Getreide¬
land ist, zu messen, um auf der Grundlage der Er¬
trägnisse unserer Felder und der Erträgnißfähigkeit der

der einbeziehen. Mir fiel der Knabe ein, den ich
im Heraufgehen geſehen hatte, vielleicht iſt dieſer ein
Sohn von ihm.

„Der Reſt des Hügels iſt an drei Meierhöfe ver¬
theilt,“ ſchloß er ſeine Rede, „welche unſere nächſten
Nachbarn ſind. Von den Niederungen an, die um den
Hügel liegen, und jenſeits welcher das Land wieder
aufſteigt, beginnen unſere entfernteren Nachbarn.“

„Es iſt ein geſegnetes ein von Gott beglücktes
Land,“ ſagte ich.

„Ihr habt recht geſprochen,“ erwiederte er, „Land
und Halm iſt eine Wohlthat Gottes. Es iſt unglaublich,
und der Menſch bedenkt es kaum, welch ein unerme߬
licher Werth in dieſen Gräſern iſt. Laßt ſie einmal von
unſerem Erdtheile verſchwinden, und wir verſchmach¬
ten bei allem unſerem ſonſtigen Reichthume vor Hun¬
ger. Wer weiß, ob die heißen Länder nicht ſo dünn
bevölkert ſind, und das Wiſſen und die Kunſt nicht ſo
tragen, wie die kälteren, weil ſie kein Getreide haben.
Wie viel ſelbſt dieſer kleine Hügel gibt, würdet ihr
kaum glauben. Ich habe mir einmal die Mühe ge¬
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[98/0112] der einbeziehen. Mir fiel der Knabe ein, den ich im Heraufgehen geſehen hatte, vielleicht iſt dieſer ein Sohn von ihm. „Der Reſt des Hügels iſt an drei Meierhöfe ver¬ theilt,“ ſchloß er ſeine Rede, „welche unſere nächſten Nachbarn ſind. Von den Niederungen an, die um den Hügel liegen, und jenſeits welcher das Land wieder aufſteigt, beginnen unſere entfernteren Nachbarn.“ „Es iſt ein geſegnetes ein von Gott beglücktes Land,“ ſagte ich. „Ihr habt recht geſprochen,“ erwiederte er, „Land und Halm iſt eine Wohlthat Gottes. Es iſt unglaublich, und der Menſch bedenkt es kaum, welch ein unerme߬ licher Werth in dieſen Gräſern iſt. Laßt ſie einmal von unſerem Erdtheile verſchwinden, und wir verſchmach¬ ten bei allem unſerem ſonſtigen Reichthume vor Hun¬ ger. Wer weiß, ob die heißen Länder nicht ſo dünn bevölkert ſind, und das Wiſſen und die Kunſt nicht ſo tragen, wie die kälteren, weil ſie kein Getreide haben. Wie viel ſelbſt dieſer kleine Hügel gibt, würdet ihr kaum glauben. Ich habe mir einmal die Mühe ge¬ nommen, die Fläche dieſes Hügel, ſoweit ſie Getreide¬ land iſt, zu meſſen, um auf der Grundlage der Er¬ trägniſſe unſerer Felder und der Erträgnißfähigkeit der

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/112>, abgerufen am 23.11.2024.