manchmal sachte mit der Hand an den grünen Ähren des Getreides hin. Er hatte sein Nez von den weißen Haaren abgenommen, hatte es in die Tasche gesteckt, und trug sein Haupt unbedeckt in der milden Luft.
Unser Weg führte uns zu einer Stelle, auf wel¬ cher kein Getreide stand. Es war ein ziemlich großer Plaz, der nur mit sehr kurzem Grase bedeckt war. Auf diesem Plaze befand sich wieder eine hölzerne Bank, und eine mittelgroße Esche.
"Ich habe diesen Fleck freigelassen, wie ich ihn von meinen Vorfahren überkommen hatte," sagte mein Begleiter, "obwohl er, wenn man ihn urbar machte, und den Baum ausgrübe, in einer Reihe von Jahren eine nicht unbedeutende Menge von Getreide gäbe. Die Arbeiter halten hier ihre Mittagsruhe, und ver¬ zehren hier ihr Mittagsmahl, wenn es ihnen auf das Feld nachgebracht wird. Ich habe die Bank machen lassen, weil ich auch gerne da size, wäre es auch nur, um den Schnittern zuzuschauen, und die Feierlichkeit der Feldarbeiten zu betrachten. Alte Gewohnheiten haben etwas Beruhigendes, sei es auch nur das des Bestehenden und immer Gesehenen. Hier dürfte es aber mehr sein, weßhalb die Stelle unbebaut blieb, und der Baum auf derselben steht. Der Schatten
manchmal ſachte mit der Hand an den grünen Ähren des Getreides hin. Er hatte ſein Nez von den weißen Haaren abgenommen, hatte es in die Taſche geſteckt, und trug ſein Haupt unbedeckt in der milden Luft.
Unſer Weg führte uns zu einer Stelle, auf wel¬ cher kein Getreide ſtand. Es war ein ziemlich großer Plaz, der nur mit ſehr kurzem Graſe bedeckt war. Auf dieſem Plaze befand ſich wieder eine hölzerne Bank, und eine mittelgroße Eſche.
„Ich habe dieſen Fleck freigelaſſen, wie ich ihn von meinen Vorfahren überkommen hatte,“ ſagte mein Begleiter, „obwohl er, wenn man ihn urbar machte, und den Baum ausgrübe, in einer Reihe von Jahren eine nicht unbedeutende Menge von Getreide gäbe. Die Arbeiter halten hier ihre Mittagsruhe, und ver¬ zehren hier ihr Mittagsmahl, wenn es ihnen auf das Feld nachgebracht wird. Ich habe die Bank machen laſſen, weil ich auch gerne da ſize, wäre es auch nur, um den Schnittern zuzuſchauen, und die Feierlichkeit der Feldarbeiten zu betrachten. Alte Gewohnheiten haben etwas Beruhigendes, ſei es auch nur das des Beſtehenden und immer Geſehenen. Hier dürfte es aber mehr ſein, weßhalb die Stelle unbebaut blieb, und der Baum auf derſelben ſteht. Der Schatten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0109"n="95"/>
manchmal ſachte mit der Hand an den grünen Ähren<lb/>
des Getreides hin. Er hatte ſein Nez von den weißen<lb/>
Haaren abgenommen, hatte es in die Taſche geſteckt,<lb/>
und trug ſein Haupt unbedeckt in der milden Luft.</p><lb/><p>Unſer Weg führte uns zu einer Stelle, auf wel¬<lb/>
cher kein Getreide ſtand. Es war ein ziemlich großer<lb/>
Plaz, der nur mit ſehr kurzem Graſe bedeckt war.<lb/>
Auf dieſem Plaze befand ſich wieder eine hölzerne<lb/>
Bank, und eine mittelgroße Eſche.</p><lb/><p>„Ich habe dieſen Fleck freigelaſſen, wie ich ihn von<lb/>
meinen Vorfahren überkommen hatte,“ſagte mein<lb/>
Begleiter, „obwohl er, wenn man ihn urbar machte,<lb/>
und den Baum ausgrübe, in einer Reihe von Jahren<lb/>
eine nicht unbedeutende Menge von Getreide gäbe.<lb/>
Die Arbeiter halten hier ihre Mittagsruhe, und ver¬<lb/>
zehren hier ihr Mittagsmahl, wenn es ihnen auf das<lb/>
Feld nachgebracht wird. Ich habe die Bank machen<lb/>
laſſen, weil ich auch gerne da ſize, wäre es auch nur,<lb/>
um den Schnittern zuzuſchauen, und die Feierlichkeit<lb/>
der Feldarbeiten zu betrachten. Alte Gewohnheiten<lb/>
haben etwas Beruhigendes, ſei es auch nur das des<lb/>
Beſtehenden und immer Geſehenen. Hier dürfte es<lb/>
aber mehr ſein, weßhalb die Stelle unbebaut blieb,<lb/>
und der Baum auf derſelben ſteht. Der Schatten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0109]
manchmal ſachte mit der Hand an den grünen Ähren
des Getreides hin. Er hatte ſein Nez von den weißen
Haaren abgenommen, hatte es in die Taſche geſteckt,
und trug ſein Haupt unbedeckt in der milden Luft.
Unſer Weg führte uns zu einer Stelle, auf wel¬
cher kein Getreide ſtand. Es war ein ziemlich großer
Plaz, der nur mit ſehr kurzem Graſe bedeckt war.
Auf dieſem Plaze befand ſich wieder eine hölzerne
Bank, und eine mittelgroße Eſche.
„Ich habe dieſen Fleck freigelaſſen, wie ich ihn von
meinen Vorfahren überkommen hatte,“ ſagte mein
Begleiter, „obwohl er, wenn man ihn urbar machte,
und den Baum ausgrübe, in einer Reihe von Jahren
eine nicht unbedeutende Menge von Getreide gäbe.
Die Arbeiter halten hier ihre Mittagsruhe, und ver¬
zehren hier ihr Mittagsmahl, wenn es ihnen auf das
Feld nachgebracht wird. Ich habe die Bank machen
laſſen, weil ich auch gerne da ſize, wäre es auch nur,
um den Schnittern zuzuſchauen, und die Feierlichkeit
der Feldarbeiten zu betrachten. Alte Gewohnheiten
haben etwas Beruhigendes, ſei es auch nur das des
Beſtehenden und immer Geſehenen. Hier dürfte es
aber mehr ſein, weßhalb die Stelle unbebaut blieb,
und der Baum auf derſelben ſteht. Der Schatten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/109>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.