gegen gienge. Dieses sichtbahre Ceremoniel war groß, aber die dabey unsichtbahre Politique noch weit grösser. Man sahe einander einmahl, umb einander nicht mehr zu sehen; Man that ver- liebt, aber man liebete nicht; man versprach die Ehe unter Bedingungen, welche in sich selbst das Versprechen vernichteten; Es mag seyn, daß das Hertze Ludovici durch das lebendige ihm gegen- wärtige Bildnüß der Savoyischen Princeßin mehr gerühret worden, als durch das Portrait der Königlichen Infantin in Spanien: gleichwie der Autor des Politischen Testaments des Mons. Colbert. p. m. 110. und andere solches versichern wollen: denn es ist allzu natürlich, daß das Obje- ctum praesens mehr movire als das absens; Allein es war nicht des Cardinals Absehen, daß der König heurathen, sondern nur charmiren und charmiret werden, der König in Spanien aber zu dem was wir kurtz vorhero gemeldet, bewogen werden solte.
§. 6.
Wie es nun der Cardinal projectiret, so gelunge es auch. Denn nachdem man in Spanien erfahren, daß der Frantzösische und Savoyische Hof, in Lion zusammen kommen würden, und all- bereits auch schon beysammen wären: folgete Phi- lippus justement dem Exempel, welches ihm Lu- dovicus zwey Jahr vorhero gegeben hatte; und sendete den Anton Piementel gantz incognito, und fast auf gleiche Art, als Lionne nach Madrit
kom-
Europaͤiſches
gegen gienge. Dieſes ſichtbahre Ceremoniel war groß, aber die dabey unſichtbahre Politique noch weit groͤſſer. Man ſahe einander einmahl, umb einander nicht mehr zu ſehen; Man that ver- liebt, aber man liebete nicht; man verſprach die Ehe unter Bedingungen, welche in ſich ſelbſt das Verſprechen vernichteten; Es mag ſeyn, daß das Hertze Ludovici durch das lebendige ihm gegen- waͤrtige Bildnuͤß der Savoyiſchen Princeßin mehr geruͤhret worden, als durch das Portrait der Koͤniglichen Infantin in Spanien: gleichwie der Autor des Politiſchen Teſtaments des Monſ. Colbert. p. m. 110. und andere ſolches verſichern wollen: denn es iſt allzu natuͤrlich, daß das Obje- ctum præſens mehr movire als das abſens; Allein es war nicht des Cardinals Abſehen, daß der Koͤnig heurathen, ſondern nur charmiren und charmiret werden, der Koͤnig in Spanien aber zu dem was wir kurtz vorhero gemeldet, bewogen werden ſolte.
§. 6.
Wie es nun der Cardinal projectiret, ſo gelunge es auch. Denn nachdem man in Spanien erfahren, daß der Frantzoͤſiſche und Savoyiſche Hof, in Lion zuſammen kommen wuͤrden, und all- bereits auch ſchon beyſammen waͤren: folgete Phi- lippus juſtement dem Exempel, welches ihm Lu- dovicus zwey Jahr vorhero gegeben hatte; und ſendete den Anton Piementel gantz incognito, und faſt auf gleiche Art, als Lionne nach Madrit
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Europaͤiſches
gegen gienge. Dieſes ſichtbahre Ceremoniel war
groß, aber die dabey unſichtbahre Politique
noch weit groͤſſer. Man ſahe einander einmahl,
umb einander nicht mehr zu ſehen; Man that ver-
liebt, aber man liebete nicht; man verſprach die
Ehe unter Bedingungen, welche in ſich ſelbſt das
Verſprechen vernichteten; Es mag ſeyn, daß das
Hertze Ludovici durch das lebendige ihm gegen-
waͤrtige Bildnuͤß der Savoyiſchen Princeßin
mehr geruͤhret worden, als durch das Portrait
der Koͤniglichen Infantin in Spanien: gleichwie
der Autor des Politiſchen Teſtaments des Monſ.
Colbert. p. m. 110. und andere ſolches verſichern
wollen: denn es iſt allzu natuͤrlich, daß das Obje-
ctum præſens mehr movire als das abſens;
Allein es war nicht des Cardinals Abſehen, daß
der Koͤnig heurathen, ſondern nur charmiren und
charmiret werden, der Koͤnig in Spanien aber zu
dem was wir kurtz vorhero gemeldet, bewogen
werden ſolte.
§. 6. Wie es nun der Cardinal projectiret, ſo
gelunge es auch. Denn nachdem man in Spanien
erfahren, daß der Frantzoͤſiſche und Savoyiſche
Hof, in Lion zuſammen kommen wuͤrden, und all-
bereits auch ſchon beyſammen waͤren: folgete Phi-
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/432>, abgerufen am 23.11.2024.
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