Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.drei landesfremde Gesellen schlafend fand, indessen wußte er sich wohl zu helfen. Er weckte uns ehrerbietig auf und fragte freundlich nach unserm Begehr. Als er's vernommen, führte er uns, überrascht durch der drei Schläfer wachen Forschungseifer und mit der grundlosen Behauptung, daß er's für eine große Ehre ansehe, zuerst einmal in die Wohnstube, um uns dort zu tractiren und dann, nachdem wir noch gethan was die Umstände erlaubten, in den obern Stock, wo in altfränkischen Kästen und auf altmodischen Tischen die Sammlung aufbewahrt ist. Vorher jedoch zeigte er uns noch den Scheffel mit dem mehr als hundertjährigen Korne von 1728 und einen Büschel eben so alten Heues - Schätze, die er nach seinem Stande billig als die werthvollsten seines Cabinets betrachtet, an denen wir indessen das Anziehende nicht recht abzusehen vermochten. Darauf aber brachte er uns an seine Tische und schloß seine Kästen auf, und nunmehr zeigte sich allerdings manches werthvolle Stück walserischer Merkwürdigkeiten, wie es von Ahnen und Urahnen zurückgelassen war. So nennen wir z. B. Hochzeitschuhe vom Jahre 1696, die Daniels Urgroßvater, Hans Müller, getragen, viel schmucker als die jetzigen, mit hohen Absätzen und rothen Lederlappen; andere Hochzeitschuhe der Maria Müllerin, Bernhard Müllers Tochter, vom Jahre 1767, und wieder andre vom Jahre 1775 von Daniels Mutter. Ferner einen grünen, flotten Bubenhut, den Daniel in seiner Jugend selbst getragen und darunter wahrscheinlich mancher Jungfrau Herz bethört - jetzt ist im ganzen Thale ein so kokettes Stück Filz nicht mehr zu finden - einen dreigestülpten Brauthut aus dem vorigen Jahrhundert - lederne, reichgestickte Hosenträger, verschiedene Leibbinden, darunter eine ganz durchaus mit feinen zinnernen Nägelchen beschlagen; verschiedene seltsam geschnittene Feiertagsjacken mit ledernem Brustfleck und Aermeln von Tuch in frischen, frohen Farben, roth, weiß, gelb - sogenannte Lederleibe, die jetzt kein vernünftiger Walser mehr tragen möchte, obgleich sie gewiß zur idyllischen Landschaft sehr gut paßten, und jedenfalls besser, als z. B. der rothbraune manchesterne, allenthalben herrenmäßige Hochzeitsrock des jetzigen Hofbauern. Alte Trinkgläser drei landesfremde Gesellen schlafend fand, indessen wußte er sich wohl zu helfen. Er weckte uns ehrerbietig auf und fragte freundlich nach unserm Begehr. Als er’s vernommen, führte er uns, überrascht durch der drei Schläfer wachen Forschungseifer und mit der grundlosen Behauptung, daß er’s für eine große Ehre ansehe, zuerst einmal in die Wohnstube, um uns dort zu tractiren und dann, nachdem wir noch gethan was die Umstände erlaubten, in den obern Stock, wo in altfränkischen Kästen und auf altmodischen Tischen die Sammlung aufbewahrt ist. Vorher jedoch zeigte er uns noch den Scheffel mit dem mehr als hundertjährigen Korne von 1728 und einen Büschel eben so alten Heues – Schätze, die er nach seinem Stande billig als die werthvollsten seines Cabinets betrachtet, an denen wir indessen das Anziehende nicht recht abzusehen vermochten. Darauf aber brachte er uns an seine Tische und schloß seine Kästen auf, und nunmehr zeigte sich allerdings manches werthvolle Stück walserischer Merkwürdigkeiten, wie es von Ahnen und Urahnen zurückgelassen war. So nennen wir z. B. Hochzeitschuhe vom Jahre 1696, die Daniels Urgroßvater, Hans Müller, getragen, viel schmucker als die jetzigen, mit hohen Absätzen und rothen Lederlappen; andere Hochzeitschuhe der Maria Müllerin, Bernhard Müllers Tochter, vom Jahre 1767, und wieder andre vom Jahre 1775 von Daniels Mutter. Ferner einen grünen, flotten Bubenhut, den Daniel in seiner Jugend selbst getragen und darunter wahrscheinlich mancher Jungfrau Herz bethört – jetzt ist im ganzen Thale ein so kokettes Stück Filz nicht mehr zu finden – einen dreigestülpten Brauthut aus dem vorigen Jahrhundert – lederne, reichgestickte Hosenträger, verschiedene Leibbinden, darunter eine ganz durchaus mit feinen zinnernen Nägelchen beschlagen; verschiedene seltsam geschnittene Feiertagsjacken mit ledernem Brustfleck und Aermeln von Tuch in frischen, frohen Farben, roth, weiß, gelb – sogenannte Lederleibe, die jetzt kein vernünftiger Walser mehr tragen möchte, obgleich sie gewiß zur idyllischen Landschaft sehr gut paßten, und jedenfalls besser, als z. B. der rothbraune manchesterne, allenthalben herrenmäßige Hochzeitsrock des jetzigen Hofbauern. Alte Trinkgläser <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0079" n="74"/> drei landesfremde Gesellen schlafend fand, indessen wußte er sich wohl zu helfen. Er weckte uns ehrerbietig auf und fragte freundlich nach unserm Begehr. Als er’s vernommen, führte er uns, überrascht durch der drei Schläfer wachen Forschungseifer und mit der grundlosen Behauptung, daß er’s für eine große Ehre ansehe, zuerst einmal in die Wohnstube, um uns dort zu tractiren und dann, nachdem wir noch gethan was die Umstände erlaubten, in den obern Stock, wo in altfränkischen Kästen und auf altmodischen Tischen die Sammlung aufbewahrt ist. Vorher jedoch zeigte er uns noch den Scheffel mit dem mehr als hundertjährigen Korne von 1728 und einen Büschel eben so alten Heues – Schätze, die er nach seinem Stande billig als die werthvollsten seines Cabinets betrachtet, an denen wir indessen das Anziehende nicht recht abzusehen vermochten. Darauf aber brachte er uns an seine Tische und schloß seine Kästen auf, und nunmehr zeigte sich allerdings manches werthvolle Stück walserischer Merkwürdigkeiten, wie es von Ahnen und Urahnen zurückgelassen war. So nennen wir z. B. Hochzeitschuhe vom Jahre 1696, die Daniels Urgroßvater, Hans Müller, getragen, viel schmucker als die jetzigen, mit hohen Absätzen und rothen Lederlappen; andere Hochzeitschuhe der Maria Müllerin, Bernhard Müllers Tochter, vom Jahre 1767, und wieder andre vom Jahre 1775 von Daniels Mutter. Ferner einen grünen, flotten Bubenhut, den Daniel in seiner Jugend selbst getragen und darunter wahrscheinlich mancher Jungfrau Herz bethört – jetzt ist im ganzen Thale ein so kokettes Stück Filz nicht mehr zu finden – einen dreigestülpten Brauthut aus dem vorigen Jahrhundert – lederne, reichgestickte Hosenträger, verschiedene Leibbinden, darunter eine ganz durchaus mit feinen zinnernen Nägelchen beschlagen; verschiedene seltsam geschnittene Feiertagsjacken mit ledernem Brustfleck und Aermeln von Tuch in frischen, frohen Farben, roth, weiß, gelb – sogenannte Lederleibe, die jetzt kein vernünftiger Walser mehr tragen möchte, obgleich sie gewiß zur idyllischen Landschaft sehr gut paßten, und jedenfalls besser, als z. B. der rothbraune manchesterne, allenthalben herrenmäßige Hochzeitsrock des jetzigen Hofbauern. Alte Trinkgläser </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0079]
drei landesfremde Gesellen schlafend fand, indessen wußte er sich wohl zu helfen. Er weckte uns ehrerbietig auf und fragte freundlich nach unserm Begehr. Als er’s vernommen, führte er uns, überrascht durch der drei Schläfer wachen Forschungseifer und mit der grundlosen Behauptung, daß er’s für eine große Ehre ansehe, zuerst einmal in die Wohnstube, um uns dort zu tractiren und dann, nachdem wir noch gethan was die Umstände erlaubten, in den obern Stock, wo in altfränkischen Kästen und auf altmodischen Tischen die Sammlung aufbewahrt ist. Vorher jedoch zeigte er uns noch den Scheffel mit dem mehr als hundertjährigen Korne von 1728 und einen Büschel eben so alten Heues – Schätze, die er nach seinem Stande billig als die werthvollsten seines Cabinets betrachtet, an denen wir indessen das Anziehende nicht recht abzusehen vermochten. Darauf aber brachte er uns an seine Tische und schloß seine Kästen auf, und nunmehr zeigte sich allerdings manches werthvolle Stück walserischer Merkwürdigkeiten, wie es von Ahnen und Urahnen zurückgelassen war. So nennen wir z. B. Hochzeitschuhe vom Jahre 1696, die Daniels Urgroßvater, Hans Müller, getragen, viel schmucker als die jetzigen, mit hohen Absätzen und rothen Lederlappen; andere Hochzeitschuhe der Maria Müllerin, Bernhard Müllers Tochter, vom Jahre 1767, und wieder andre vom Jahre 1775 von Daniels Mutter. Ferner einen grünen, flotten Bubenhut, den Daniel in seiner Jugend selbst getragen und darunter wahrscheinlich mancher Jungfrau Herz bethört – jetzt ist im ganzen Thale ein so kokettes Stück Filz nicht mehr zu finden – einen dreigestülpten Brauthut aus dem vorigen Jahrhundert – lederne, reichgestickte Hosenträger, verschiedene Leibbinden, darunter eine ganz durchaus mit feinen zinnernen Nägelchen beschlagen; verschiedene seltsam geschnittene Feiertagsjacken mit ledernem Brustfleck und Aermeln von Tuch in frischen, frohen Farben, roth, weiß, gelb – sogenannte Lederleibe, die jetzt kein vernünftiger Walser mehr tragen möchte, obgleich sie gewiß zur idyllischen Landschaft sehr gut paßten, und jedenfalls besser, als z. B. der rothbraune manchesterne, allenthalben herrenmäßige Hochzeitsrock des jetzigen Hofbauern. Alte Trinkgläser
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |