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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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welchen sich Ritter und Bauersmann brüderlich theilen konnten, und so stand jeder auf seinen eigenen Füßen.

Wenn wir nun von diesen Besprechungen, bei denen der Blick wohl auch über die tirolischen Gränzen hinausgeworfen werden konnte, wieder auf unser Alpenland zurückkommen, so finden wir freilich, daß derlei Gedanken, Meinungen und Ansichten in dortiger Praxis gar keinen Widerhall finden. Da ist alles, was außerhalb der Kirche liegt, von gar keinem Werth, und die Sinnigkeit des Volkslebens gilt für sündhaft. Vorerst ging man aus, den Baum des alten heidnischen Aberglaubens zu fällen und dazu schien auch die vollste Berechtigung gegeben. Man hört nämlich nirgends so viel von Aufklärung sprechen, als in Tirol, und man versteht darunter nicht etwa vernünftigen Unterricht, sondern die Vertilgung alles dessen, was dem Volk von alten harmlosen Glaubensstücken, Mähren und Ueberlieferungen geblieben ist. Im Ganzen darf man diese Verfolgung nicht zu streng beurtheilen, denn wir sind ja selbst erst neuerlich belehrt worden, welcher Schatz in diesen Dingen liege, und dürfen uns nicht verwundern, daß die Kunde davon noch nicht nach Tirol gedrungen. Ueberhaupt möchte nicht jeder zu überzeugen seyn, daß der archäologische Reiz des weltlichen Aberglaubens die Pflege desselben wünschenswerth mache, wenn es auch jetzt höchst nothwendig geworden, die Reste alle zur Aufbewahrung zu sammeln. Etwas ungünstiger stellt sich die Sache, wenn die Verfolgung auch gegen die Sagen gerichtet wird, und das ist leider der Fall. Die Aufklärung sieht auch in ihnen nur ein albernes Spielzeug, das dem Volke zur Unehre gereiche, und vermag die Bedeutung derselben nicht zu ahnen. Die historischen Sagen sind fast alle längst verklungen; eine Menge, welche neuere Bücher als noch lebend anführen, können nicht mehr erfragt werden und bei näherer Erkundigung ergibt sich, daß sie nur aus älteren Handschriften und gedruckten Werken zusammengesucht sind. Auch die Natursagen, die Erzählungen von den Berggeistern, den Norkelen, den Riesen und sofort ersterben mehr und mehr. Der Bauer hat den Glauben und

welchen sich Ritter und Bauersmann brüderlich theilen konnten, und so stand jeder auf seinen eigenen Füßen.

Wenn wir nun von diesen Besprechungen, bei denen der Blick wohl auch über die tirolischen Gränzen hinausgeworfen werden konnte, wieder auf unser Alpenland zurückkommen, so finden wir freilich, daß derlei Gedanken, Meinungen und Ansichten in dortiger Praxis gar keinen Widerhall finden. Da ist alles, was außerhalb der Kirche liegt, von gar keinem Werth, und die Sinnigkeit des Volkslebens gilt für sündhaft. Vorerst ging man aus, den Baum des alten heidnischen Aberglaubens zu fällen und dazu schien auch die vollste Berechtigung gegeben. Man hört nämlich nirgends so viel von Aufklärung sprechen, als in Tirol, und man versteht darunter nicht etwa vernünftigen Unterricht, sondern die Vertilgung alles dessen, was dem Volk von alten harmlosen Glaubensstücken, Mähren und Ueberlieferungen geblieben ist. Im Ganzen darf man diese Verfolgung nicht zu streng beurtheilen, denn wir sind ja selbst erst neuerlich belehrt worden, welcher Schatz in diesen Dingen liege, und dürfen uns nicht verwundern, daß die Kunde davon noch nicht nach Tirol gedrungen. Ueberhaupt möchte nicht jeder zu überzeugen seyn, daß der archäologische Reiz des weltlichen Aberglaubens die Pflege desselben wünschenswerth mache, wenn es auch jetzt höchst nothwendig geworden, die Reste alle zur Aufbewahrung zu sammeln. Etwas ungünstiger stellt sich die Sache, wenn die Verfolgung auch gegen die Sagen gerichtet wird, und das ist leider der Fall. Die Aufklärung sieht auch in ihnen nur ein albernes Spielzeug, das dem Volke zur Unehre gereiche, und vermag die Bedeutung derselben nicht zu ahnen. Die historischen Sagen sind fast alle längst verklungen; eine Menge, welche neuere Bücher als noch lebend anführen, können nicht mehr erfragt werden und bei näherer Erkundigung ergibt sich, daß sie nur aus älteren Handschriften und gedruckten Werken zusammengesucht sind. Auch die Natursagen, die Erzählungen von den Berggeistern, den Norkelen, den Riesen und sofort ersterben mehr und mehr. Der Bauer hat den Glauben und

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[650/0654] welchen sich Ritter und Bauersmann brüderlich theilen konnten, und so stand jeder auf seinen eigenen Füßen. Wenn wir nun von diesen Besprechungen, bei denen der Blick wohl auch über die tirolischen Gränzen hinausgeworfen werden konnte, wieder auf unser Alpenland zurückkommen, so finden wir freilich, daß derlei Gedanken, Meinungen und Ansichten in dortiger Praxis gar keinen Widerhall finden. Da ist alles, was außerhalb der Kirche liegt, von gar keinem Werth, und die Sinnigkeit des Volkslebens gilt für sündhaft. Vorerst ging man aus, den Baum des alten heidnischen Aberglaubens zu fällen und dazu schien auch die vollste Berechtigung gegeben. Man hört nämlich nirgends so viel von Aufklärung sprechen, als in Tirol, und man versteht darunter nicht etwa vernünftigen Unterricht, sondern die Vertilgung alles dessen, was dem Volk von alten harmlosen Glaubensstücken, Mähren und Ueberlieferungen geblieben ist. Im Ganzen darf man diese Verfolgung nicht zu streng beurtheilen, denn wir sind ja selbst erst neuerlich belehrt worden, welcher Schatz in diesen Dingen liege, und dürfen uns nicht verwundern, daß die Kunde davon noch nicht nach Tirol gedrungen. Ueberhaupt möchte nicht jeder zu überzeugen seyn, daß der archäologische Reiz des weltlichen Aberglaubens die Pflege desselben wünschenswerth mache, wenn es auch jetzt höchst nothwendig geworden, die Reste alle zur Aufbewahrung zu sammeln. Etwas ungünstiger stellt sich die Sache, wenn die Verfolgung auch gegen die Sagen gerichtet wird, und das ist leider der Fall. Die Aufklärung sieht auch in ihnen nur ein albernes Spielzeug, das dem Volke zur Unehre gereiche, und vermag die Bedeutung derselben nicht zu ahnen. Die historischen Sagen sind fast alle längst verklungen; eine Menge, welche neuere Bücher als noch lebend anführen, können nicht mehr erfragt werden und bei näherer Erkundigung ergibt sich, daß sie nur aus älteren Handschriften und gedruckten Werken zusammengesucht sind. Auch die Natursagen, die Erzählungen von den Berggeistern, den Norkelen, den Riesen und sofort ersterben mehr und mehr. Der Bauer hat den Glauben und

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/654>, abgerufen am 23.11.2024.