Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Erlaubniß und ohne Auftrag des Sandwirths Gebeine von Mantua nach Tirol gebracht. Indessen sind die Tiroler im Laufe der Zeit noch weiter gegangen und zum großen Theile, vielleicht ohne die glückliche Mitte zu treffen, auf die Gegenseite übergesprungen. Das Jahr Neun ist ihnen nun das Bild eines großen Unheils ohne Segen - um so überflüssiger, als Gut und Blut einer strategischen Diversion geopfert worden sind, die völlig unütz war, hinter der aber auch, wenn sie von Erfolg gewesen wäre, nur ein Zustand lauerte, der - nach jetzigen Begriffen - noch in allen Fällen früh genug kam. Man hatte so lange Jahre die alten Kriegslasten zu tragen und die neuen Steuern dazu. Das vergossene Blut war verschmerzt - die Väter, Brüder, Söhne ruhten auf den stillen Kirchhöfen und ihre Seelen waren im Himmel - die Zeit verwischte das Gedächtniß ihrer Züge, die Gewohnheit lehrte sie entbehren; aber der immer wiederkehrende Druck auf den sauern Erwerb der Hände ließ sich nicht durch die Zeit erleichtern und schien all der sanften Macht der Gewohnheit zu widerstreben. Ein böses Jahr, das Jahr Neun - sagte einst einer der grauen Helden: So viel Blut umsonst vergossen - erwiederte ein jüngerer, den Zeiten ferner Stehender. O laßt das Blut! versetzte jener - aber die Kosten! Dadurch fällt denn auch ein eigener Wiederschein auf die Männer des blutigen Jahres, deren Namen damals durch Europa gingen, um jetzt selbst in ihrer Heimath verschollen zu seyn - auf die Männer, welche damals Freiherr von Hormayr - wie er selbst sehr gerne behauptet - inspirirte, leitete, führte und - wie sie behaupten - anführte. Die tirolische Wirklichkeit sticht da so mächtig ab von dem, was sich begeisterte Bewunderer jener Volksbewegung vorstellen. Sie denken sich die Helden, die dem allmächtigen Kaiser trutzten, mit all der Ehrfurcht umgeben, die ihr graues Haupt verdient, die ihre Thaten, ihre Narben jedem gebieten sollten, als angesehene Häupter der Gemeinde, als die Großväter stolzer Enkel, die sich im Ruhm der Vergangenheit sonnen und dem Aeltervater mit hochklopfender Brust zuhorchen, Erlaubniß und ohne Auftrag des Sandwirths Gebeine von Mantua nach Tirol gebracht. Indessen sind die Tiroler im Laufe der Zeit noch weiter gegangen und zum großen Theile, vielleicht ohne die glückliche Mitte zu treffen, auf die Gegenseite übergesprungen. Das Jahr Neun ist ihnen nun das Bild eines großen Unheils ohne Segen – um so überflüssiger, als Gut und Blut einer strategischen Diversion geopfert worden sind, die völlig unütz war, hinter der aber auch, wenn sie von Erfolg gewesen wäre, nur ein Zustand lauerte, der – nach jetzigen Begriffen – noch in allen Fällen früh genug kam. Man hatte so lange Jahre die alten Kriegslasten zu tragen und die neuen Steuern dazu. Das vergossene Blut war verschmerzt – die Väter, Brüder, Söhne ruhten auf den stillen Kirchhöfen und ihre Seelen waren im Himmel – die Zeit verwischte das Gedächtniß ihrer Züge, die Gewohnheit lehrte sie entbehren; aber der immer wiederkehrende Druck auf den sauern Erwerb der Hände ließ sich nicht durch die Zeit erleichtern und schien all der sanften Macht der Gewohnheit zu widerstreben. Ein böses Jahr, das Jahr Neun – sagte einst einer der grauen Helden: So viel Blut umsonst vergossen – erwiederte ein jüngerer, den Zeiten ferner Stehender. O laßt das Blut! versetzte jener – aber die Kosten! Dadurch fällt denn auch ein eigener Wiederschein auf die Männer des blutigen Jahres, deren Namen damals durch Europa gingen, um jetzt selbst in ihrer Heimath verschollen zu seyn – auf die Männer, welche damals Freiherr von Hormayr – wie er selbst sehr gerne behauptet – inspirirte, leitete, führte und – wie sie behaupten – anführte. Die tirolische Wirklichkeit sticht da so mächtig ab von dem, was sich begeisterte Bewunderer jener Volksbewegung vorstellen. Sie denken sich die Helden, die dem allmächtigen Kaiser trutzten, mit all der Ehrfurcht umgeben, die ihr graues Haupt verdient, die ihre Thaten, ihre Narben jedem gebieten sollten, als angesehene Häupter der Gemeinde, als die Großväter stolzer Enkel, die sich im Ruhm der Vergangenheit sonnen und dem Aeltervater mit hochklopfender Brust zuhorchen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0631" n="627"/> Erlaubniß und ohne Auftrag des Sandwirths Gebeine von Mantua nach Tirol gebracht. Indessen sind die Tiroler im Laufe der Zeit noch weiter gegangen und zum großen Theile, vielleicht ohne die glückliche Mitte zu treffen, auf die Gegenseite übergesprungen.</p> <p>Das Jahr Neun ist ihnen nun das Bild eines großen Unheils ohne Segen – um so überflüssiger, als Gut und Blut einer strategischen Diversion geopfert worden sind, die völlig unütz war, hinter der aber auch, wenn sie von Erfolg gewesen wäre, nur ein Zustand lauerte, der – nach jetzigen Begriffen – noch in allen Fällen früh genug kam. Man hatte so lange Jahre die alten Kriegslasten zu tragen und die neuen Steuern dazu. Das vergossene Blut war verschmerzt – die Väter, Brüder, Söhne ruhten auf den stillen Kirchhöfen und ihre Seelen waren im Himmel – die Zeit verwischte das Gedächtniß ihrer Züge, die Gewohnheit lehrte sie entbehren; aber der immer wiederkehrende Druck auf den sauern Erwerb der Hände ließ sich nicht durch die Zeit erleichtern und schien all der sanften Macht der Gewohnheit zu widerstreben. Ein böses Jahr, das Jahr Neun – sagte einst einer der grauen Helden: So viel Blut umsonst vergossen – erwiederte ein jüngerer, den Zeiten ferner Stehender. O laßt das Blut! versetzte jener – aber die Kosten!</p> <p>Dadurch fällt denn auch ein eigener Wiederschein auf die Männer des blutigen Jahres, deren Namen damals durch Europa gingen, um jetzt selbst in ihrer Heimath verschollen zu seyn – auf die Männer, welche damals Freiherr von Hormayr – wie er selbst sehr gerne behauptet – inspirirte, leitete, führte und – wie sie behaupten – <hi rendition="#g">an</hi>führte.</p> <p>Die tirolische Wirklichkeit sticht da so mächtig ab von dem, was sich begeisterte Bewunderer jener Volksbewegung vorstellen. 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Erlaubniß und ohne Auftrag des Sandwirths Gebeine von Mantua nach Tirol gebracht. Indessen sind die Tiroler im Laufe der Zeit noch weiter gegangen und zum großen Theile, vielleicht ohne die glückliche Mitte zu treffen, auf die Gegenseite übergesprungen.
Das Jahr Neun ist ihnen nun das Bild eines großen Unheils ohne Segen – um so überflüssiger, als Gut und Blut einer strategischen Diversion geopfert worden sind, die völlig unütz war, hinter der aber auch, wenn sie von Erfolg gewesen wäre, nur ein Zustand lauerte, der – nach jetzigen Begriffen – noch in allen Fällen früh genug kam. Man hatte so lange Jahre die alten Kriegslasten zu tragen und die neuen Steuern dazu. Das vergossene Blut war verschmerzt – die Väter, Brüder, Söhne ruhten auf den stillen Kirchhöfen und ihre Seelen waren im Himmel – die Zeit verwischte das Gedächtniß ihrer Züge, die Gewohnheit lehrte sie entbehren; aber der immer wiederkehrende Druck auf den sauern Erwerb der Hände ließ sich nicht durch die Zeit erleichtern und schien all der sanften Macht der Gewohnheit zu widerstreben. Ein böses Jahr, das Jahr Neun – sagte einst einer der grauen Helden: So viel Blut umsonst vergossen – erwiederte ein jüngerer, den Zeiten ferner Stehender. O laßt das Blut! versetzte jener – aber die Kosten!
Dadurch fällt denn auch ein eigener Wiederschein auf die Männer des blutigen Jahres, deren Namen damals durch Europa gingen, um jetzt selbst in ihrer Heimath verschollen zu seyn – auf die Männer, welche damals Freiherr von Hormayr – wie er selbst sehr gerne behauptet – inspirirte, leitete, führte und – wie sie behaupten – anführte.
Die tirolische Wirklichkeit sticht da so mächtig ab von dem, was sich begeisterte Bewunderer jener Volksbewegung vorstellen. Sie denken sich die Helden, die dem allmächtigen Kaiser trutzten, mit all der Ehrfurcht umgeben, die ihr graues Haupt verdient, die ihre Thaten, ihre Narben jedem gebieten sollten, als angesehene Häupter der Gemeinde, als die Großväter stolzer Enkel, die sich im Ruhm der Vergangenheit sonnen und dem Aeltervater mit hochklopfender Brust zuhorchen,
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