Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatsmänner anerkannte, den die Geschichte so vieler Jahrhunderte und ganz vorzüglich die neueste Zeit als unwidersprechlich bewährte, beruht die alte tirolische Verfassung."

Diesen wohlmeinenden Rathschlägen wurde indessen durch die Verhältnisse mächtig entgegengewirkt. Man erkannte zwar gerne und vollkommen an, daß Tirol eine ungeheure, unüberwindliche Festung sey, allein man konnte sich nicht entschließen ihm seine finanzielle Jungfräulichkeit zu lassen. Der Geldbedarf des Kaiserreiches war ins Ungeheure gewachsen und erlaubte ihm keineswegs die gefürstete Grafschaft in Steuersachen als einen unabhängigen Freistaat zu betrachten. Die Versprechungen früherer Proclamationen scheiterten nothwendig an der Gewalt der Umstände.

So traf sich's denn, daß zuerst die Grundsteuer erhöht werden mußte. Man hatte seit 1784 drei Termine jährlich bezahlt (274,000 fl.), die bayerische Regierung forderte seit 1808 deren fünf; der Kaiser schrieb im Jahre 1817 zum erstenmale sechs Termine vor (543,000 fl.), wovon jedoch zwei zur Bezahlung der hochaufgelaufenen landschaftlichen Schuldzinsen verwendet wurden. Auch in andern Abgaben war's ihm nicht möglich sich gefälliger zu zeigen. Unter der altösterreichischen Regierung waren außer der Grundsteuer noch die Zollgefälle, das Umgeld, der Malzaufschlag, der Intrinsecozoll, die Wegmauth, die gerichtlichen und politischen Taxen, dann das Salz-, Forst- und Domainengefäll erhoben worden; den Papierstempel hatte die Landschaft der Regierung einmal abgelöst, aber die dazu contrahirte Schuld ging freilich später mit den übrigen Landesschulden an die Regierung über.

Die bayerische Regierung behielt diese Auflagen bei; führte aber den Papierstempel wieder ein. Bei der neuen Einrichtung des Landes wurden die provisorischen Gefälle forterhoben, allein man sah bald, daß sie nicht so viel abwarfen, als man der Provinz überbürden zu müssen glaubte. Drum wurde zuerst im Jahre 1815 das Taxwesen neu geregelt. Das Jahr 1818 führte ein Stempelmandat heran, wobei man umsonst an die frühere baare Ablösung erinnerte; zur selben Zeit erschien eine Erwerb- nebst einer Classen- (Vermögens-)

Staatsmänner anerkannte, den die Geschichte so vieler Jahrhunderte und ganz vorzüglich die neueste Zeit als unwidersprechlich bewährte, beruht die alte tirolische Verfassung.“

Diesen wohlmeinenden Rathschlägen wurde indessen durch die Verhältnisse mächtig entgegengewirkt. Man erkannte zwar gerne und vollkommen an, daß Tirol eine ungeheure, unüberwindliche Festung sey, allein man konnte sich nicht entschließen ihm seine finanzielle Jungfräulichkeit zu lassen. Der Geldbedarf des Kaiserreiches war ins Ungeheure gewachsen und erlaubte ihm keineswegs die gefürstete Grafschaft in Steuersachen als einen unabhängigen Freistaat zu betrachten. Die Versprechungen früherer Proclamationen scheiterten nothwendig an der Gewalt der Umstände.

So traf sich’s denn, daß zuerst die Grundsteuer erhöht werden mußte. Man hatte seit 1784 drei Termine jährlich bezahlt (274,000 fl.), die bayerische Regierung forderte seit 1808 deren fünf; der Kaiser schrieb im Jahre 1817 zum erstenmale sechs Termine vor (543,000 fl.), wovon jedoch zwei zur Bezahlung der hochaufgelaufenen landschaftlichen Schuldzinsen verwendet wurden. Auch in andern Abgaben war’s ihm nicht möglich sich gefälliger zu zeigen. Unter der altösterreichischen Regierung waren außer der Grundsteuer noch die Zollgefälle, das Umgeld, der Malzaufschlag, der Intrinsecozoll, die Wegmauth, die gerichtlichen und politischen Taxen, dann das Salz-, Forst- und Domainengefäll erhoben worden; den Papierstempel hatte die Landschaft der Regierung einmal abgelöst, aber die dazu contrahirte Schuld ging freilich später mit den übrigen Landesschulden an die Regierung über.

Die bayerische Regierung behielt diese Auflagen bei; führte aber den Papierstempel wieder ein. Bei der neuen Einrichtung des Landes wurden die provisorischen Gefälle forterhoben, allein man sah bald, daß sie nicht so viel abwarfen, als man der Provinz überbürden zu müssen glaubte. Drum wurde zuerst im Jahre 1815 das Taxwesen neu geregelt. Das Jahr 1818 führte ein Stempelmandat heran, wobei man umsonst an die frühere baare Ablösung erinnerte; zur selben Zeit erschien eine Erwerb- nebst einer Classen- (Vermögens-)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0629" n="625"/>
Staatsmänner anerkannte, den die Geschichte so vieler Jahrhunderte und ganz vorzüglich die neueste Zeit als unwidersprechlich bewährte, beruht die alte <hi rendition="#g">tirolische Verfassung</hi>.&#x201C;</p>
        <p>Diesen wohlmeinenden Rathschlägen wurde indessen durch die Verhältnisse mächtig entgegengewirkt. Man erkannte zwar gerne und vollkommen an, daß Tirol eine ungeheure, unüberwindliche Festung sey, allein man konnte sich nicht entschließen ihm seine finanzielle Jungfräulichkeit zu lassen. Der Geldbedarf des Kaiserreiches war ins Ungeheure gewachsen und erlaubte ihm keineswegs die gefürstete Grafschaft in Steuersachen als einen unabhängigen Freistaat zu betrachten. Die Versprechungen früherer Proclamationen scheiterten nothwendig an der Gewalt der Umstände.</p>
        <p>So traf sich&#x2019;s denn, daß zuerst die Grundsteuer erhöht werden mußte. Man hatte seit 1784 drei Termine jährlich bezahlt (274,000 fl.), die bayerische Regierung forderte seit 1808 deren fünf; der Kaiser schrieb im Jahre 1817 zum erstenmale sechs Termine vor (543,000 fl.), wovon jedoch zwei zur Bezahlung der hochaufgelaufenen landschaftlichen Schuldzinsen verwendet wurden. Auch in andern Abgaben war&#x2019;s ihm nicht möglich sich gefälliger zu zeigen. Unter der altösterreichischen Regierung waren außer der Grundsteuer noch die Zollgefälle, das Umgeld, der Malzaufschlag, der Intrinsecozoll, die Wegmauth, die gerichtlichen und politischen Taxen, dann das Salz-, Forst- und Domainengefäll erhoben worden; den Papierstempel hatte die Landschaft der Regierung einmal abgelöst, aber die dazu contrahirte Schuld ging freilich später mit den übrigen Landesschulden an die Regierung über.</p>
        <p>Die bayerische Regierung behielt diese Auflagen bei; führte aber den Papierstempel wieder ein. Bei der neuen Einrichtung des Landes wurden die provisorischen Gefälle forterhoben, allein man sah bald, daß sie nicht so viel abwarfen, als man der Provinz überbürden zu müssen glaubte. Drum wurde zuerst im Jahre 1815 das Taxwesen neu geregelt. Das Jahr 1818 führte ein Stempelmandat heran, wobei man umsonst an die frühere baare Ablösung erinnerte; zur selben Zeit erschien eine Erwerb- nebst einer Classen- (Vermögens-)
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[625/0629] Staatsmänner anerkannte, den die Geschichte so vieler Jahrhunderte und ganz vorzüglich die neueste Zeit als unwidersprechlich bewährte, beruht die alte tirolische Verfassung.“ Diesen wohlmeinenden Rathschlägen wurde indessen durch die Verhältnisse mächtig entgegengewirkt. Man erkannte zwar gerne und vollkommen an, daß Tirol eine ungeheure, unüberwindliche Festung sey, allein man konnte sich nicht entschließen ihm seine finanzielle Jungfräulichkeit zu lassen. Der Geldbedarf des Kaiserreiches war ins Ungeheure gewachsen und erlaubte ihm keineswegs die gefürstete Grafschaft in Steuersachen als einen unabhängigen Freistaat zu betrachten. Die Versprechungen früherer Proclamationen scheiterten nothwendig an der Gewalt der Umstände. So traf sich’s denn, daß zuerst die Grundsteuer erhöht werden mußte. Man hatte seit 1784 drei Termine jährlich bezahlt (274,000 fl.), die bayerische Regierung forderte seit 1808 deren fünf; der Kaiser schrieb im Jahre 1817 zum erstenmale sechs Termine vor (543,000 fl.), wovon jedoch zwei zur Bezahlung der hochaufgelaufenen landschaftlichen Schuldzinsen verwendet wurden. Auch in andern Abgaben war’s ihm nicht möglich sich gefälliger zu zeigen. Unter der altösterreichischen Regierung waren außer der Grundsteuer noch die Zollgefälle, das Umgeld, der Malzaufschlag, der Intrinsecozoll, die Wegmauth, die gerichtlichen und politischen Taxen, dann das Salz-, Forst- und Domainengefäll erhoben worden; den Papierstempel hatte die Landschaft der Regierung einmal abgelöst, aber die dazu contrahirte Schuld ging freilich später mit den übrigen Landesschulden an die Regierung über. Die bayerische Regierung behielt diese Auflagen bei; führte aber den Papierstempel wieder ein. Bei der neuen Einrichtung des Landes wurden die provisorischen Gefälle forterhoben, allein man sah bald, daß sie nicht so viel abwarfen, als man der Provinz überbürden zu müssen glaubte. Drum wurde zuerst im Jahre 1815 das Taxwesen neu geregelt. Das Jahr 1818 führte ein Stempelmandat heran, wobei man umsonst an die frühere baare Ablösung erinnerte; zur selben Zeit erschien eine Erwerb- nebst einer Classen- (Vermögens-)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/629
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/629>, abgerufen am 28.07.2024.