Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Als das Land wieder mit Oesterreich vereiniget war, erinnerten sich die Tiroler auch gerne ihrer alten Privilegien und manche mochten vielleicht hoffen, sie würden jetzt nach einem siebenjährigen Schlummer frischer und blühender wieder auferstehen, als sie zu Schlafe gegangen. Man legt dem Kaiser Franz ein Wort in den Mund, das zu damaliger Zeit erflossen, solchen Wünschen nicht gerade günstig scheinen mochte. Die Vorstellungen, welche die Tiroler damals ihrem kaiserlichen Herrn überreichten, lassen auch fast schließen, sie hätten Gründe gehabt, wegen der Wiederherstellung ihrer Freiheiten besorgt zu seyn. Sie ergehen sich in ausführlichen Motivirungen ihrer Ansprüche, die kaum nothwendig waren, wenn die Ueberzeugung galt, daß sie auf Seiten des Landesfürsten nicht beanstandet werden würden. "Mehr als Tirol, sagt eine Vorstellung etlicher Tiroler Stimmführer, welche zu Wien am 23 Junius 1814 abgefaßt wurde, *) mehr als Tirol im Jahre 1809 für das allerhöchste Interesse Ihrer Majestät und für das ihm wiedergeschenkte Kleinod seiner alten Verfassung kann kein Land thun." Man erlaubte sich daher, den Monarchen an das früher so oft gegebene Kaiserwort zu erinnern und bemerkte, wie es der allerhöchsten Gnade, dem großen Vaterherzen Seiner Majestät nicht angemessen sey, daß die Spuren der unglücklichen Begebenheiten, unter denen die Völker gelitten, gerade in Tirol für alle folgenden Jahrhunderte durch den Verlust der Verfassung, an welche des Tirolers Existenz geknüpft sey, verewigt werden sollten.

Indessen zeigte Franz nach kurzer Zeit, daß es nicht seine Absicht war, den Tirolern ihre Verfassung vorzuenthalten. Er stellte sie wieder her und zwar, wie im Patent vom 24 März 1816 gesagt ist, aus Gnade, doch in voller Anerkennung der vielfältigen Verdienste und der hochherzigen Gesinnungen der biedern Bewohner des Landes Tirol; jedoch "mit denjenigen Verbesserungen, welche die veränderten Verhältnisse

*) Siehe: Tirol unter der bayerischen Regierung S. 427. Ihre Abfassung wird S. 231 Herrn Jos. v. Giovanelli in Bozen zugeschrieben.

Als das Land wieder mit Oesterreich vereiniget war, erinnerten sich die Tiroler auch gerne ihrer alten Privilegien und manche mochten vielleicht hoffen, sie würden jetzt nach einem siebenjährigen Schlummer frischer und blühender wieder auferstehen, als sie zu Schlafe gegangen. Man legt dem Kaiser Franz ein Wort in den Mund, das zu damaliger Zeit erflossen, solchen Wünschen nicht gerade günstig scheinen mochte. Die Vorstellungen, welche die Tiroler damals ihrem kaiserlichen Herrn überreichten, lassen auch fast schließen, sie hätten Gründe gehabt, wegen der Wiederherstellung ihrer Freiheiten besorgt zu seyn. Sie ergehen sich in ausführlichen Motivirungen ihrer Ansprüche, die kaum nothwendig waren, wenn die Ueberzeugung galt, daß sie auf Seiten des Landesfürsten nicht beanstandet werden würden. „Mehr als Tirol, sagt eine Vorstellung etlicher Tiroler Stimmführer, welche zu Wien am 23 Junius 1814 abgefaßt wurde, *) mehr als Tirol im Jahre 1809 für das allerhöchste Interesse Ihrer Majestät und für das ihm wiedergeschenkte Kleinod seiner alten Verfassung kann kein Land thun.“ Man erlaubte sich daher, den Monarchen an das früher so oft gegebene Kaiserwort zu erinnern und bemerkte, wie es der allerhöchsten Gnade, dem großen Vaterherzen Seiner Majestät nicht angemessen sey, daß die Spuren der unglücklichen Begebenheiten, unter denen die Völker gelitten, gerade in Tirol für alle folgenden Jahrhunderte durch den Verlust der Verfassung, an welche des Tirolers Existenz geknüpft sey, verewigt werden sollten.

Indessen zeigte Franz nach kurzer Zeit, daß es nicht seine Absicht war, den Tirolern ihre Verfassung vorzuenthalten. Er stellte sie wieder her und zwar, wie im Patent vom 24 März 1816 gesagt ist, aus Gnade, doch in voller Anerkennung der vielfältigen Verdienste und der hochherzigen Gesinnungen der biedern Bewohner des Landes Tirol; jedoch „mit denjenigen Verbesserungen, welche die veränderten Verhältnisse

*) Siehe: Tirol unter der bayerischen Regierung S. 427. Ihre Abfassung wird S. 231 Herrn Jos. v. Giovanelli in Bozen zugeschrieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0622" n="618"/>
        <p>Als das Land wieder mit Oesterreich vereiniget war, erinnerten sich die Tiroler auch gerne ihrer alten Privilegien und manche mochten vielleicht hoffen, sie würden jetzt nach einem siebenjährigen Schlummer frischer und blühender wieder auferstehen, als sie zu Schlafe gegangen. Man legt dem Kaiser Franz ein Wort in den Mund, das zu damaliger Zeit erflossen, solchen Wünschen nicht gerade günstig scheinen mochte. Die Vorstellungen, welche die Tiroler damals ihrem kaiserlichen Herrn überreichten, lassen auch fast schließen, sie hätten Gründe gehabt, wegen der Wiederherstellung ihrer Freiheiten besorgt zu seyn. Sie ergehen sich in ausführlichen Motivirungen ihrer Ansprüche, die kaum nothwendig waren, wenn die Ueberzeugung galt, daß sie auf Seiten des Landesfürsten nicht beanstandet werden würden. &#x201E;Mehr als Tirol, sagt eine Vorstellung etlicher Tiroler Stimmführer, welche zu Wien am 23 Junius 1814 abgefaßt wurde, <note place="foot" n="*)">Siehe: Tirol unter der bayerischen Regierung S. 427. Ihre Abfassung wird S. 231 Herrn Jos. v. Giovanelli in Bozen zugeschrieben.</note> mehr als Tirol im Jahre 1809 für das allerhöchste Interesse Ihrer Majestät und für das ihm wiedergeschenkte Kleinod seiner alten Verfassung kann kein Land thun.&#x201C; Man erlaubte sich daher, den Monarchen an das früher so oft gegebene Kaiserwort zu erinnern und bemerkte, wie es der allerhöchsten Gnade, dem großen Vaterherzen Seiner Majestät nicht angemessen sey, daß die Spuren der unglücklichen Begebenheiten, unter denen die Völker gelitten, gerade in Tirol für alle folgenden Jahrhunderte durch den Verlust der Verfassung, an welche des Tirolers Existenz geknüpft sey, verewigt werden sollten.</p>
        <p>Indessen zeigte Franz nach kurzer Zeit, daß es nicht seine Absicht war, den Tirolern ihre Verfassung vorzuenthalten. Er stellte sie wieder her und zwar, wie im Patent vom 24 März 1816 gesagt ist, aus Gnade, doch in voller Anerkennung der vielfältigen Verdienste und der hochherzigen Gesinnungen der biedern Bewohner des Landes Tirol; jedoch &#x201E;mit denjenigen Verbesserungen, welche die veränderten Verhältnisse
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[618/0622] Als das Land wieder mit Oesterreich vereiniget war, erinnerten sich die Tiroler auch gerne ihrer alten Privilegien und manche mochten vielleicht hoffen, sie würden jetzt nach einem siebenjährigen Schlummer frischer und blühender wieder auferstehen, als sie zu Schlafe gegangen. Man legt dem Kaiser Franz ein Wort in den Mund, das zu damaliger Zeit erflossen, solchen Wünschen nicht gerade günstig scheinen mochte. Die Vorstellungen, welche die Tiroler damals ihrem kaiserlichen Herrn überreichten, lassen auch fast schließen, sie hätten Gründe gehabt, wegen der Wiederherstellung ihrer Freiheiten besorgt zu seyn. Sie ergehen sich in ausführlichen Motivirungen ihrer Ansprüche, die kaum nothwendig waren, wenn die Ueberzeugung galt, daß sie auf Seiten des Landesfürsten nicht beanstandet werden würden. „Mehr als Tirol, sagt eine Vorstellung etlicher Tiroler Stimmführer, welche zu Wien am 23 Junius 1814 abgefaßt wurde, *) mehr als Tirol im Jahre 1809 für das allerhöchste Interesse Ihrer Majestät und für das ihm wiedergeschenkte Kleinod seiner alten Verfassung kann kein Land thun.“ Man erlaubte sich daher, den Monarchen an das früher so oft gegebene Kaiserwort zu erinnern und bemerkte, wie es der allerhöchsten Gnade, dem großen Vaterherzen Seiner Majestät nicht angemessen sey, daß die Spuren der unglücklichen Begebenheiten, unter denen die Völker gelitten, gerade in Tirol für alle folgenden Jahrhunderte durch den Verlust der Verfassung, an welche des Tirolers Existenz geknüpft sey, verewigt werden sollten. Indessen zeigte Franz nach kurzer Zeit, daß es nicht seine Absicht war, den Tirolern ihre Verfassung vorzuenthalten. Er stellte sie wieder her und zwar, wie im Patent vom 24 März 1816 gesagt ist, aus Gnade, doch in voller Anerkennung der vielfältigen Verdienste und der hochherzigen Gesinnungen der biedern Bewohner des Landes Tirol; jedoch „mit denjenigen Verbesserungen, welche die veränderten Verhältnisse *) Siehe: Tirol unter der bayerischen Regierung S. 427. Ihre Abfassung wird S. 231 Herrn Jos. v. Giovanelli in Bozen zugeschrieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/622
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/622>, abgerufen am 23.11.2024.