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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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von der Zeit gedrängt, bestanden darauf, am Abende in Brunecken einzuziehen, wohin wir etwa zwölf Stunden zu gehen hatten. Wir mußten also wirthschaften mit der Zeit und durften weder das nicht sehr entfernte alte Heiliggeist-Kirchlein besuchen, um dort den gothischen Flügelaltar mit noch lebhaften Gemälden zu besehen, noch konnten wir in die berühmten Kupfergruben am nahe gelegenen Rettenbach einfahren. Diese sind nach denen zu Kitzbühel, welche dem Aerar zustehen, die bedeutendsten ihrer Art in Tirol und gehören den Grafen von Tannenberg und den Freiherren von Sternbach.

Wir zogen also, ohne uns um all dieß zu kümmern, bei trübem Wetter aus dem Dorfe, und gingen immer rüstigen Schrittes mit sparsamen Unterbrechungen durch die Prettau, durch Ahren und durch Taufers - drei Bezeichnungen für verschiedene aufeinander folgende Reviere ein und desselben Thalgeländes - an vielen Häusern, Kirchen, Dörfern, an vieler Landschaft vorbei und kamen bei Sonnenuntergang in Brunecken an.

Bei solcher Schnelligkeit des Marsches wäre es unanständig, von der durchwanderten Gegend viel wissen zu wollen. Wir fassen uns daher kurz und bemerken zuvörderst, daß das Ahrenthal, obgleich 3-4000 Fuß über dem Meere, bis in seinen hintersten Winkel, bis in die Prettau und bis Kasern fleißig bebaut ist, wie denn am letztgenannten Orte noch geräumige Krautfelder stehen und luftige Mohnfeldchen für die Krapfen. Uebrigens zeigt sich die Thalsohle überall sehr schmal und an manchen Stellen schrumpft sie sogar zu einer waldigen Kluft zusammen. Abgesehen von diesen Schluchten ist das Thal sehr gut bewohnt und es steht fast ein Haus am andern. Die Gebäude sind mehrentheils von Holz, aber im Kern der größern Dörfer finden sich auch achtbare, steinerne Wohnsitze. Die Gotteshäuser stehen zumeist noch in jungem Alter, doch ist die betagte Kirche bei St. Martin ein niedliches Stückchen gothischer Arbeit. Eine besondere Schönheit des Thales ist es, daß sich zur rechten Hand fast jede

von der Zeit gedrängt, bestanden darauf, am Abende in Brunecken einzuziehen, wohin wir etwa zwölf Stunden zu gehen hatten. Wir mußten also wirthschaften mit der Zeit und durften weder das nicht sehr entfernte alte Heiliggeist-Kirchlein besuchen, um dort den gothischen Flügelaltar mit noch lebhaften Gemälden zu besehen, noch konnten wir in die berühmten Kupfergruben am nahe gelegenen Rettenbach einfahren. Diese sind nach denen zu Kitzbühel, welche dem Aerar zustehen, die bedeutendsten ihrer Art in Tirol und gehören den Grafen von Tannenberg und den Freiherren von Sternbach.

Wir zogen also, ohne uns um all dieß zu kümmern, bei trübem Wetter aus dem Dorfe, und gingen immer rüstigen Schrittes mit sparsamen Unterbrechungen durch die Prettau, durch Ahren und durch Taufers – drei Bezeichnungen für verschiedene aufeinander folgende Reviere ein und desselben Thalgeländes – an vielen Häusern, Kirchen, Dörfern, an vieler Landschaft vorbei und kamen bei Sonnenuntergang in Brunecken an.

Bei solcher Schnelligkeit des Marsches wäre es unanständig, von der durchwanderten Gegend viel wissen zu wollen. Wir fassen uns daher kurz und bemerken zuvörderst, daß das Ahrenthal, obgleich 3–4000 Fuß über dem Meere, bis in seinen hintersten Winkel, bis in die Prettau und bis Kasern fleißig bebaut ist, wie denn am letztgenannten Orte noch geräumige Krautfelder stehen und luftige Mohnfeldchen für die Krapfen. Uebrigens zeigt sich die Thalsohle überall sehr schmal und an manchen Stellen schrumpft sie sogar zu einer waldigen Kluft zusammen. Abgesehen von diesen Schluchten ist das Thal sehr gut bewohnt und es steht fast ein Haus am andern. Die Gebäude sind mehrentheils von Holz, aber im Kern der größern Dörfer finden sich auch achtbare, steinerne Wohnsitze. Die Gotteshäuser stehen zumeist noch in jungem Alter, doch ist die betagte Kirche bei St. Martin ein niedliches Stückchen gothischer Arbeit. Eine besondere Schönheit des Thales ist es, daß sich zur rechten Hand fast jede

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[597/0601] von der Zeit gedrängt, bestanden darauf, am Abende in Brunecken einzuziehen, wohin wir etwa zwölf Stunden zu gehen hatten. Wir mußten also wirthschaften mit der Zeit und durften weder das nicht sehr entfernte alte Heiliggeist-Kirchlein besuchen, um dort den gothischen Flügelaltar mit noch lebhaften Gemälden zu besehen, noch konnten wir in die berühmten Kupfergruben am nahe gelegenen Rettenbach einfahren. Diese sind nach denen zu Kitzbühel, welche dem Aerar zustehen, die bedeutendsten ihrer Art in Tirol und gehören den Grafen von Tannenberg und den Freiherren von Sternbach. Wir zogen also, ohne uns um all dieß zu kümmern, bei trübem Wetter aus dem Dorfe, und gingen immer rüstigen Schrittes mit sparsamen Unterbrechungen durch die Prettau, durch Ahren und durch Taufers – drei Bezeichnungen für verschiedene aufeinander folgende Reviere ein und desselben Thalgeländes – an vielen Häusern, Kirchen, Dörfern, an vieler Landschaft vorbei und kamen bei Sonnenuntergang in Brunecken an. Bei solcher Schnelligkeit des Marsches wäre es unanständig, von der durchwanderten Gegend viel wissen zu wollen. Wir fassen uns daher kurz und bemerken zuvörderst, daß das Ahrenthal, obgleich 3–4000 Fuß über dem Meere, bis in seinen hintersten Winkel, bis in die Prettau und bis Kasern fleißig bebaut ist, wie denn am letztgenannten Orte noch geräumige Krautfelder stehen und luftige Mohnfeldchen für die Krapfen. Uebrigens zeigt sich die Thalsohle überall sehr schmal und an manchen Stellen schrumpft sie sogar zu einer waldigen Kluft zusammen. Abgesehen von diesen Schluchten ist das Thal sehr gut bewohnt und es steht fast ein Haus am andern. Die Gebäude sind mehrentheils von Holz, aber im Kern der größern Dörfer finden sich auch achtbare, steinerne Wohnsitze. Die Gotteshäuser stehen zumeist noch in jungem Alter, doch ist die betagte Kirche bei St. Martin ein niedliches Stückchen gothischer Arbeit. Eine besondere Schönheit des Thales ist es, daß sich zur rechten Hand fast jede

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/601>, abgerufen am 27.11.2024.