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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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bei einem Innsbrucker Maler, und kam dann wieder nach Steinach ungefähr in dieselbe peinliche Lage, die er vor zwei Jahren verlassen hatte. Als er nun eines Tages in einem der Dorfwirthshäuser Scheiter zur Küche trug und in einem freien Augenblick mit der Kohle einen Holzträger auf die Mauer zeichnete, stieg ein reisender Herr an der Schenke ab, ging in die Hausflur und fing an den zeichnenden Jüngling zu beobachten. Die Arbeit scheint ihm höchlich zu gefallen und ehe der Andere noch fertig, erklärt er, Paul Troger zu seyn, der berühmte Maler von Wien. Zugleich legt er die Absicht an den Tag, den jungen Martin mit in die Hauptstadt zu nehmen, um ihn dort in seiner Kunst zu unterrichten. Der Vater will dem Glücke des Sohnes nicht im Wege stehen, schlägt ein und Knoller fährt mit Paul Troger davon. Der junge Mann blieb bis in sein achtundzwanzigstes Jahr zu Wien, ging dann nach Rom, nach Neapel, nach Mailand, wurde befreundet mit Winckelmann und Raphael Mengs, malte in Fresco und in Oel, vieles für Italien, noch mehr für Deutschland und starb hochbejahrt 1804 unter der italienischen Republik zu Mailand. In deutschen Landen sind es besonders drei Kirchen, deren Decken er mit seiner Kunst geziert, die des ehemaligen Benedictiner-Klosters zu Ettal im bayerischen Gebirge, die des Reichsstiftes zu Neresheim und die des Chorherrenstiftes zu Gries bei Bozen. Er galt sehr viel zu seiner Zeit, war gut angesehen an den Höfen zu München und Wien, und an letzterm durfte er sogar den Kaiser Leopold malen. Heiter und liebenswürdig, fromm und bescheiden, gutherzig und wohlthätig, immer fleißig und regsam, war er ein schönes Muster tirolischen Naturells. Die Kirche zu Steinach, wo er auch durch einen Denkstein geehrt worden ist, besitzt drei Altarblätter von ihm, den heiligen Erasmus, den Kirchenpatron, die Enthauptung Johannis und St. Sebastian, welchem fromme Frauen die Pfeile aus dem Leibe ziehen. Alle drei verrathen milde, weiche Zeichnung, schwache, harmonische Färbung.

Auf dem Rosenwirthshause zu Steinach, gegenüber der Post, ist ein Zug Landsknechte mit Fahne, Trommel und

bei einem Innsbrucker Maler, und kam dann wieder nach Steinach ungefähr in dieselbe peinliche Lage, die er vor zwei Jahren verlassen hatte. Als er nun eines Tages in einem der Dorfwirthshäuser Scheiter zur Küche trug und in einem freien Augenblick mit der Kohle einen Holzträger auf die Mauer zeichnete, stieg ein reisender Herr an der Schenke ab, ging in die Hausflur und fing an den zeichnenden Jüngling zu beobachten. Die Arbeit scheint ihm höchlich zu gefallen und ehe der Andere noch fertig, erklärt er, Paul Troger zu seyn, der berühmte Maler von Wien. Zugleich legt er die Absicht an den Tag, den jungen Martin mit in die Hauptstadt zu nehmen, um ihn dort in seiner Kunst zu unterrichten. Der Vater will dem Glücke des Sohnes nicht im Wege stehen, schlägt ein und Knoller fährt mit Paul Troger davon. Der junge Mann blieb bis in sein achtundzwanzigstes Jahr zu Wien, ging dann nach Rom, nach Neapel, nach Mailand, wurde befreundet mit Winckelmann und Raphael Mengs, malte in Fresco und in Oel, vieles für Italien, noch mehr für Deutschland und starb hochbejahrt 1804 unter der italienischen Republik zu Mailand. In deutschen Landen sind es besonders drei Kirchen, deren Decken er mit seiner Kunst geziert, die des ehemaligen Benedictiner-Klosters zu Ettal im bayerischen Gebirge, die des Reichsstiftes zu Neresheim und die des Chorherrenstiftes zu Gries bei Bozen. Er galt sehr viel zu seiner Zeit, war gut angesehen an den Höfen zu München und Wien, und an letzterm durfte er sogar den Kaiser Leopold malen. Heiter und liebenswürdig, fromm und bescheiden, gutherzig und wohlthätig, immer fleißig und regsam, war er ein schönes Muster tirolischen Naturells. Die Kirche zu Steinach, wo er auch durch einen Denkstein geehrt worden ist, besitzt drei Altarblätter von ihm, den heiligen Erasmus, den Kirchenpatron, die Enthauptung Johannis und St. Sebastian, welchem fromme Frauen die Pfeile aus dem Leibe ziehen. Alle drei verrathen milde, weiche Zeichnung, schwache, harmonische Färbung.

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[500/0504] bei einem Innsbrucker Maler, und kam dann wieder nach Steinach ungefähr in dieselbe peinliche Lage, die er vor zwei Jahren verlassen hatte. Als er nun eines Tages in einem der Dorfwirthshäuser Scheiter zur Küche trug und in einem freien Augenblick mit der Kohle einen Holzträger auf die Mauer zeichnete, stieg ein reisender Herr an der Schenke ab, ging in die Hausflur und fing an den zeichnenden Jüngling zu beobachten. Die Arbeit scheint ihm höchlich zu gefallen und ehe der Andere noch fertig, erklärt er, Paul Troger zu seyn, der berühmte Maler von Wien. Zugleich legt er die Absicht an den Tag, den jungen Martin mit in die Hauptstadt zu nehmen, um ihn dort in seiner Kunst zu unterrichten. Der Vater will dem Glücke des Sohnes nicht im Wege stehen, schlägt ein und Knoller fährt mit Paul Troger davon. Der junge Mann blieb bis in sein achtundzwanzigstes Jahr zu Wien, ging dann nach Rom, nach Neapel, nach Mailand, wurde befreundet mit Winckelmann und Raphael Mengs, malte in Fresco und in Oel, vieles für Italien, noch mehr für Deutschland und starb hochbejahrt 1804 unter der italienischen Republik zu Mailand. In deutschen Landen sind es besonders drei Kirchen, deren Decken er mit seiner Kunst geziert, die des ehemaligen Benedictiner-Klosters zu Ettal im bayerischen Gebirge, die des Reichsstiftes zu Neresheim und die des Chorherrenstiftes zu Gries bei Bozen. Er galt sehr viel zu seiner Zeit, war gut angesehen an den Höfen zu München und Wien, und an letzterm durfte er sogar den Kaiser Leopold malen. Heiter und liebenswürdig, fromm und bescheiden, gutherzig und wohlthätig, immer fleißig und regsam, war er ein schönes Muster tirolischen Naturells. Die Kirche zu Steinach, wo er auch durch einen Denkstein geehrt worden ist, besitzt drei Altarblätter von ihm, den heiligen Erasmus, den Kirchenpatron, die Enthauptung Johannis und St. Sebastian, welchem fromme Frauen die Pfeile aus dem Leibe ziehen. Alle drei verrathen milde, weiche Zeichnung, schwache, harmonische Färbung. Auf dem Rosenwirthshause zu Steinach, gegenüber der Post, ist ein Zug Landsknechte mit Fahne, Trommel und

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/504>, abgerufen am 29.09.2024.