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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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mitgehalten, wo es zu Stößen gekommen. Nur die deutschen Mädchen gedachten mit Schmerz und Wehmuth des einen der Jungen, der so "fein" gewesen, die Zither so schön zu spielen gewußt und so liebliche Lieder gesungen.

Es ist bekannt, daß sich an die gewaltigen Bergriesen der Thäler von Enneberg und Fassa jene ungestaltenden Bewegungen knüpfen, welche die Geologie in den letzten fünfzig Jahren zu einer neuen Wissenschaft gemacht. Hier pilgerte einst Leopold von Buch mit Hammer und Tasche herum und nannte seiner ungeahnten Ausbeute froh, diese Thäler den Schlüssel zur neuern Geognosie. Seitdem sind diese Wildnissen der Wallfahrtsort für alle geworden, die die Geschichte des Erdballs in seinen Gebilden studiren, und in dieser Wissenschaft sind die Thäler, die wir genannt, zu einem Ruhm und Ansehen gekommen, die ihnen kein andrer Erdenwinkel streitig machen kann. Wenn wir bei dieser Glorie nicht weiter verweilen, so geschieht es, weil denjenigen, welche sich darum kümmern, nur von Fachgelehrten etwas Neues gesagt werden kann, wir aber nicht zu den Adepten gehören. Ebenso bekannt ist es ferner, daß die Landschaft von Badia in ihren Eingeweiden außer einer Menge anderer seltener Mineralien einen Reichthum schöner kleiner Versteinerungen "von wunderbarer, allen Gesetzen der bisherigen Petrefactenkunde spottender Eigenthümlichkeit" enthält. Es ist auch hier wieder ein wundervoller Zug der unerschöpflichen Natur des Landes, die, so wild und schauerlich sie in ihrem Zorn, doch ewig beflissen ist, den armen Menschen zu Hülfe zu kommen und ihnen neue Quellen des Wohlstandes zu öffnen, die dort, wenn der Bergsegen versiegt, Heilwasser auffinden läßt, hier statt der Zirbelbäume die Pectiniten und Ammoniten zu Ehren bringt. Es war des Wunders genug für die ungelehrten Badioten, als der Zug der Fremden ins Thal hereinbrach und nach jenen steinernen Dingerchen zu fragen begann, die sie bisher auf ihren Bergfahrten achtlos hatten am Wege gesehen, und als dann diese Fremden über solchen Tand sich des Entzückens nicht erwehren konnten und nicht anders thaten, als wenn sie diese Seltenheiten gern mit Gold hätten aufwiegen wollen,

mitgehalten, wo es zu Stößen gekommen. Nur die deutschen Mädchen gedachten mit Schmerz und Wehmuth des einen der Jungen, der so „fein“ gewesen, die Zither so schön zu spielen gewußt und so liebliche Lieder gesungen.

Es ist bekannt, daß sich an die gewaltigen Bergriesen der Thäler von Enneberg und Fassa jene ungestaltenden Bewegungen knüpfen, welche die Geologie in den letzten fünfzig Jahren zu einer neuen Wissenschaft gemacht. Hier pilgerte einst Leopold von Buch mit Hammer und Tasche herum und nannte seiner ungeahnten Ausbeute froh, diese Thäler den Schlüssel zur neuern Geognosie. Seitdem sind diese Wildnissen der Wallfahrtsort für alle geworden, die die Geschichte des Erdballs in seinen Gebilden studiren, und in dieser Wissenschaft sind die Thäler, die wir genannt, zu einem Ruhm und Ansehen gekommen, die ihnen kein andrer Erdenwinkel streitig machen kann. Wenn wir bei dieser Glorie nicht weiter verweilen, so geschieht es, weil denjenigen, welche sich darum kümmern, nur von Fachgelehrten etwas Neues gesagt werden kann, wir aber nicht zu den Adepten gehören. Ebenso bekannt ist es ferner, daß die Landschaft von Badia in ihren Eingeweiden außer einer Menge anderer seltener Mineralien einen Reichthum schöner kleiner Versteinerungen „von wunderbarer, allen Gesetzen der bisherigen Petrefactenkunde spottender Eigenthümlichkeit“ enthält. Es ist auch hier wieder ein wundervoller Zug der unerschöpflichen Natur des Landes, die, so wild und schauerlich sie in ihrem Zorn, doch ewig beflissen ist, den armen Menschen zu Hülfe zu kommen und ihnen neue Quellen des Wohlstandes zu öffnen, die dort, wenn der Bergsegen versiegt, Heilwasser auffinden läßt, hier statt der Zirbelbäume die Pectiniten und Ammoniten zu Ehren bringt. Es war des Wunders genug für die ungelehrten Badioten, als der Zug der Fremden ins Thal hereinbrach und nach jenen steinernen Dingerchen zu fragen begann, die sie bisher auf ihren Bergfahrten achtlos hatten am Wege gesehen, und als dann diese Fremden über solchen Tand sich des Entzückens nicht erwehren konnten und nicht anders thaten, als wenn sie diese Seltenheiten gern mit Gold hätten aufwiegen wollen,

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[452/0456] mitgehalten, wo es zu Stößen gekommen. Nur die deutschen Mädchen gedachten mit Schmerz und Wehmuth des einen der Jungen, der so „fein“ gewesen, die Zither so schön zu spielen gewußt und so liebliche Lieder gesungen. Es ist bekannt, daß sich an die gewaltigen Bergriesen der Thäler von Enneberg und Fassa jene ungestaltenden Bewegungen knüpfen, welche die Geologie in den letzten fünfzig Jahren zu einer neuen Wissenschaft gemacht. Hier pilgerte einst Leopold von Buch mit Hammer und Tasche herum und nannte seiner ungeahnten Ausbeute froh, diese Thäler den Schlüssel zur neuern Geognosie. Seitdem sind diese Wildnissen der Wallfahrtsort für alle geworden, die die Geschichte des Erdballs in seinen Gebilden studiren, und in dieser Wissenschaft sind die Thäler, die wir genannt, zu einem Ruhm und Ansehen gekommen, die ihnen kein andrer Erdenwinkel streitig machen kann. Wenn wir bei dieser Glorie nicht weiter verweilen, so geschieht es, weil denjenigen, welche sich darum kümmern, nur von Fachgelehrten etwas Neues gesagt werden kann, wir aber nicht zu den Adepten gehören. Ebenso bekannt ist es ferner, daß die Landschaft von Badia in ihren Eingeweiden außer einer Menge anderer seltener Mineralien einen Reichthum schöner kleiner Versteinerungen „von wunderbarer, allen Gesetzen der bisherigen Petrefactenkunde spottender Eigenthümlichkeit“ enthält. Es ist auch hier wieder ein wundervoller Zug der unerschöpflichen Natur des Landes, die, so wild und schauerlich sie in ihrem Zorn, doch ewig beflissen ist, den armen Menschen zu Hülfe zu kommen und ihnen neue Quellen des Wohlstandes zu öffnen, die dort, wenn der Bergsegen versiegt, Heilwasser auffinden läßt, hier statt der Zirbelbäume die Pectiniten und Ammoniten zu Ehren bringt. Es war des Wunders genug für die ungelehrten Badioten, als der Zug der Fremden ins Thal hereinbrach und nach jenen steinernen Dingerchen zu fragen begann, die sie bisher auf ihren Bergfahrten achtlos hatten am Wege gesehen, und als dann diese Fremden über solchen Tand sich des Entzückens nicht erwehren konnten und nicht anders thaten, als wenn sie diese Seltenheiten gern mit Gold hätten aufwiegen wollen,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/456>, abgerufen am 25.08.2024.