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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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1842 des Weges kam. Damals hatte er gerade einen reisigen Schuhmacher und andre Arbeit im Hause, ließ sich aber dadurch nicht hindern, recht freundlich und leutselig zu seyn, während die Wirthin und die Magd daneben mit Krapfenbacken für die Kirchweih beschäftigt waren und Topfen wie Spinat in die weichen Fladen legten. Diesesmal dagegen erschien der sanfte Wirth mit seinem singenden Vortrag sehr trübe gestimmt und als wir im Abenddunkel in die reinliche Stube getreten, begann er noch, ehe das Licht erschien, mit folgenden Worten zu sprechen: "Ach, heut bin ich so traurig! die Pusterer haben mir zwei Vettern erschlagen." Dieß war wenigstens zur Hälfte wahr, denn am Tage zuvor, nämlich an St. Matthäus, des Apostels Fest, hatte es im Wirthshaus zu Saalen, welches am Ende des Thales liegt, schlimme Händel gegeben zwischen den deutschen Pusterern und den wälschen Söhnen von Enneberg. Zwei der Letztern hatten vor allen den Nachbarn in Schimpf und Ernst viel zu tragen gegeben. Die Pusterer aber, nach badiotischer Angabe ihrer fünf oder sechs, liefen den beiden, als sie heimwärts gingen, den Weg ab, überfielen und schlugen sie, bis sie für todt liegen blieben. Der eine, ein hübscher fröhlicher Junge, der die Zither lieblich schlagen und dazu schöne Lieder singen konnte, der kam auch nimmer zum Leben, der andere aber erholte sich langsam wieder und wurde gerettet. Dieß ist ungefähr die Geschichte, die im Herbste des Jahres 1843 großen Eindruck im Pusterthale machte und mit verschiedenen Zusätzen und Abänderungen, je nachdem ein Deutscher oder ein Wälscher sie erzählte, vielfältig besprochen wurde. Es war leicht zu bemerken, daß sie Stammsache geworden und daß die Beurtheilung derselben von nationalen Antipathien nicht frei blieb. Die Enneberger sahen darin einen neuen Beweis des wilden feindlichen Sinnes der Pusterer, wußten nur Gutes und Treffliches von den zwei Landleuten zu sagen, und hatten keine Entschuldigung für das gräßliche Verbrechen; die deutschen Bauern an der Rienz aber meinten, es sey nicht so arg, da die beiden Ueberfallenen dieselben zwei zänkischen Wälschen gewesen, die in ihrem Uebermuthe schon so viele Händel angestiftet und überall gerne

1842 des Weges kam. Damals hatte er gerade einen reisigen Schuhmacher und andre Arbeit im Hause, ließ sich aber dadurch nicht hindern, recht freundlich und leutselig zu seyn, während die Wirthin und die Magd daneben mit Krapfenbacken für die Kirchweih beschäftigt waren und Topfen wie Spinat in die weichen Fladen legten. Diesesmal dagegen erschien der sanfte Wirth mit seinem singenden Vortrag sehr trübe gestimmt und als wir im Abenddunkel in die reinliche Stube getreten, begann er noch, ehe das Licht erschien, mit folgenden Worten zu sprechen: „Ach, heut bin ich so traurig! die Pusterer haben mir zwei Vettern erschlagen.“ Dieß war wenigstens zur Hälfte wahr, denn am Tage zuvor, nämlich an St. Matthäus, des Apostels Fest, hatte es im Wirthshaus zu Saalen, welches am Ende des Thales liegt, schlimme Händel gegeben zwischen den deutschen Pusterern und den wälschen Söhnen von Enneberg. Zwei der Letztern hatten vor allen den Nachbarn in Schimpf und Ernst viel zu tragen gegeben. Die Pusterer aber, nach badiotischer Angabe ihrer fünf oder sechs, liefen den beiden, als sie heimwärts gingen, den Weg ab, überfielen und schlugen sie, bis sie für todt liegen blieben. Der eine, ein hübscher fröhlicher Junge, der die Zither lieblich schlagen und dazu schöne Lieder singen konnte, der kam auch nimmer zum Leben, der andere aber erholte sich langsam wieder und wurde gerettet. Dieß ist ungefähr die Geschichte, die im Herbste des Jahres 1843 großen Eindruck im Pusterthale machte und mit verschiedenen Zusätzen und Abänderungen, je nachdem ein Deutscher oder ein Wälscher sie erzählte, vielfältig besprochen wurde. Es war leicht zu bemerken, daß sie Stammsache geworden und daß die Beurtheilung derselben von nationalen Antipathien nicht frei blieb. Die Enneberger sahen darin einen neuen Beweis des wilden feindlichen Sinnes der Pusterer, wußten nur Gutes und Treffliches von den zwei Landleuten zu sagen, und hatten keine Entschuldigung für das gräßliche Verbrechen; die deutschen Bauern an der Rienz aber meinten, es sey nicht so arg, da die beiden Ueberfallenen dieselben zwei zänkischen Wälschen gewesen, die in ihrem Uebermuthe schon so viele Händel angestiftet und überall gerne

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1842 des Weges kam. Damals hatte er gerade einen reisigen Schuhmacher und andre Arbeit im Hause, ließ sich aber dadurch nicht hindern, recht freundlich und leutselig zu seyn, während die Wirthin und die Magd daneben mit Krapfenbacken für die Kirchweih beschäftigt waren und Topfen wie Spinat in die weichen Fladen legten. Diesesmal dagegen erschien der sanfte Wirth mit seinem singenden Vortrag sehr trübe gestimmt und als wir im Abenddunkel in die reinliche Stube getreten, begann er noch, ehe das Licht erschien, mit folgenden Worten zu sprechen: &#x201E;Ach, heut bin ich so traurig! die Pusterer haben mir zwei Vettern erschlagen.&#x201C; Dieß war wenigstens zur Hälfte wahr, denn am Tage zuvor, nämlich an St. Matthäus, des Apostels Fest, hatte es im Wirthshaus zu Saalen, welches am Ende des Thales liegt, schlimme Händel gegeben zwischen den deutschen Pusterern und den wälschen Söhnen von Enneberg. Zwei der Letztern hatten vor allen den Nachbarn in Schimpf und Ernst viel zu tragen gegeben. Die Pusterer aber, nach badiotischer Angabe ihrer fünf oder sechs, liefen den beiden, als sie heimwärts gingen, den Weg ab, überfielen und schlugen sie, bis sie für todt liegen blieben. Der eine, ein hübscher fröhlicher Junge, der die Zither lieblich schlagen und dazu schöne Lieder singen konnte, der kam auch nimmer zum Leben, der andere aber erholte sich langsam wieder und wurde gerettet. Dieß ist ungefähr die Geschichte, die im Herbste des Jahres 1843 großen Eindruck im Pusterthale machte und mit verschiedenen Zusätzen und Abänderungen, je nachdem ein Deutscher oder ein Wälscher sie erzählte, vielfältig besprochen wurde. Es war leicht zu bemerken, daß sie Stammsache geworden und daß die Beurtheilung derselben von nationalen Antipathien nicht frei blieb. Die Enneberger sahen darin einen neuen Beweis des wilden feindlichen Sinnes der Pusterer, wußten nur Gutes und Treffliches von den zwei Landleuten zu sagen, und hatten keine Entschuldigung für das gräßliche Verbrechen; die deutschen Bauern an der Rienz aber meinten, es sey nicht so arg, da die beiden Ueberfallenen dieselben zwei zänkischen Wälschen gewesen, die in ihrem Uebermuthe schon so viele Händel angestiftet und überall gerne
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[451/0455] 1842 des Weges kam. Damals hatte er gerade einen reisigen Schuhmacher und andre Arbeit im Hause, ließ sich aber dadurch nicht hindern, recht freundlich und leutselig zu seyn, während die Wirthin und die Magd daneben mit Krapfenbacken für die Kirchweih beschäftigt waren und Topfen wie Spinat in die weichen Fladen legten. Diesesmal dagegen erschien der sanfte Wirth mit seinem singenden Vortrag sehr trübe gestimmt und als wir im Abenddunkel in die reinliche Stube getreten, begann er noch, ehe das Licht erschien, mit folgenden Worten zu sprechen: „Ach, heut bin ich so traurig! die Pusterer haben mir zwei Vettern erschlagen.“ Dieß war wenigstens zur Hälfte wahr, denn am Tage zuvor, nämlich an St. Matthäus, des Apostels Fest, hatte es im Wirthshaus zu Saalen, welches am Ende des Thales liegt, schlimme Händel gegeben zwischen den deutschen Pusterern und den wälschen Söhnen von Enneberg. Zwei der Letztern hatten vor allen den Nachbarn in Schimpf und Ernst viel zu tragen gegeben. Die Pusterer aber, nach badiotischer Angabe ihrer fünf oder sechs, liefen den beiden, als sie heimwärts gingen, den Weg ab, überfielen und schlugen sie, bis sie für todt liegen blieben. Der eine, ein hübscher fröhlicher Junge, der die Zither lieblich schlagen und dazu schöne Lieder singen konnte, der kam auch nimmer zum Leben, der andere aber erholte sich langsam wieder und wurde gerettet. Dieß ist ungefähr die Geschichte, die im Herbste des Jahres 1843 großen Eindruck im Pusterthale machte und mit verschiedenen Zusätzen und Abänderungen, je nachdem ein Deutscher oder ein Wälscher sie erzählte, vielfältig besprochen wurde. Es war leicht zu bemerken, daß sie Stammsache geworden und daß die Beurtheilung derselben von nationalen Antipathien nicht frei blieb. Die Enneberger sahen darin einen neuen Beweis des wilden feindlichen Sinnes der Pusterer, wußten nur Gutes und Treffliches von den zwei Landleuten zu sagen, und hatten keine Entschuldigung für das gräßliche Verbrechen; die deutschen Bauern an der Rienz aber meinten, es sey nicht so arg, da die beiden Ueberfallenen dieselben zwei zänkischen Wälschen gewesen, die in ihrem Uebermuthe schon so viele Händel angestiftet und überall gerne

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/455>, abgerufen am 23.11.2024.