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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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wird und begibt sich auf den Weg ins Thal hinein über das Joch nach Kolfuschg.

Schöner, kühler Sommermorgen; thauige Mähder, freundliche Lichter in der wechselnden Thalsohle und ein Weg, der bald aufwärts, bald abwärts führt nach dem nächsten Dorf, kaum eine Stunde weit, wo aber doch wieder zugesprochen wird, um wenigstens eine flüchtige Bekanntschaft mit den Leuten von St. Christein zu machen. Im Wirthshause finden sich ein paar gesprächige Trinker, die wir aber nicht verstehen, und dann wieder eine Erscheinung wie zu Pufels auf der Höhe, nämlich die Bäckertochter von Urteschei, ein gar schönes Mädchen, hoh und hehr gewachsen wie Brunhild in den Nibelungen, mit den lieblichen Wangen von Gröden, reinlich und schmuck in dunkle Farben gekleidet. Die Jungfrau sah so gebildet und vornehm aus, als wenn sie nicht nur italienisch, sondern auch französisch sprechen könnte, trug aber einen Korb voll Brod auf dem Rücken und gebärdete sich so unschuldig und so einfach, als wenn ihr noch niemand zu wissen gethan hätte, daß sie eine grödnerische Schönheit sey. Wir richteten einige Fragen an das Mädchen, und darauf gab sie uns bescheiden und artig deutsche Antwort. Dann, nachdem die Wirthin mit dem Gelde für die Semmeln hereingekommen war und es ihr in die Hand gegeben hatte, zählte sie es nach, schob es ein und ging mit ihrem Tragkorb wieder um ein Haus weiter. Soll nach Aussage der Wirthin ein vorzügliches Mädchen seyn, brav, sittlich, gottesfürchtig und was sich sonst noch alles von einer Jungfrau rühmen läßt.

Von St. Christina gelangt man bald zum Schlosse Fischburg, das weithin scheinend in den tiefen Matten des Thales liegt. Zum Unterschied von vielen andern hat es ein sehr friedliches Aussehen, und gleicht eher einem weitläufigen Mayerhofe, als einer jener trotzigen Vesten an der Etsch. Weiter drinnen ist noch ein Dörflein, St. Maria, und links von diesem geht ein Thälchen ein zwischen himmelstürmenden Dolomiten. Darin sind an der schroffen Wand des hohen Stabiakopfes die angeklebten Trümmer der Burg von Wolkenstein zu sehen, die ehemals nur durch eine aus dem Felsen gehauene

wird und begibt sich auf den Weg ins Thal hinein über das Joch nach Kolfuschg.

Schöner, kühler Sommermorgen; thauige Mähder, freundliche Lichter in der wechselnden Thalsohle und ein Weg, der bald aufwärts, bald abwärts führt nach dem nächsten Dorf, kaum eine Stunde weit, wo aber doch wieder zugesprochen wird, um wenigstens eine flüchtige Bekanntschaft mit den Leuten von St. Christein zu machen. Im Wirthshause finden sich ein paar gesprächige Trinker, die wir aber nicht verstehen, und dann wieder eine Erscheinung wie zu Pufels auf der Höhe, nämlich die Bäckertochter von Urteschei, ein gar schönes Mädchen, hoh und hehr gewachsen wie Brunhild in den Nibelungen, mit den lieblichen Wangen von Gröden, reinlich und schmuck in dunkle Farben gekleidet. Die Jungfrau sah so gebildet und vornehm aus, als wenn sie nicht nur italienisch, sondern auch französisch sprechen könnte, trug aber einen Korb voll Brod auf dem Rücken und gebärdete sich so unschuldig und so einfach, als wenn ihr noch niemand zu wissen gethan hätte, daß sie eine grödnerische Schönheit sey. Wir richteten einige Fragen an das Mädchen, und darauf gab sie uns bescheiden und artig deutsche Antwort. Dann, nachdem die Wirthin mit dem Gelde für die Semmeln hereingekommen war und es ihr in die Hand gegeben hatte, zählte sie es nach, schob es ein und ging mit ihrem Tragkorb wieder um ein Haus weiter. Soll nach Aussage der Wirthin ein vorzügliches Mädchen seyn, brav, sittlich, gottesfürchtig und was sich sonst noch alles von einer Jungfrau rühmen läßt.

Von St. Christina gelangt man bald zum Schlosse Fischburg, das weithin scheinend in den tiefen Matten des Thales liegt. Zum Unterschied von vielen andern hat es ein sehr friedliches Aussehen, und gleicht eher einem weitläufigen Mayerhofe, als einer jener trotzigen Vesten an der Etsch. Weiter drinnen ist noch ein Dörflein, St. Maria, und links von diesem geht ein Thälchen ein zwischen himmelstürmenden Dolomiten. Darin sind an der schroffen Wand des hohen Stabiakopfes die angeklebten Trümmer der Burg von Wolkenstein zu sehen, die ehemals nur durch eine aus dem Felsen gehauene

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[445/0449] wird und begibt sich auf den Weg ins Thal hinein über das Joch nach Kolfuschg. Schöner, kühler Sommermorgen; thauige Mähder, freundliche Lichter in der wechselnden Thalsohle und ein Weg, der bald aufwärts, bald abwärts führt nach dem nächsten Dorf, kaum eine Stunde weit, wo aber doch wieder zugesprochen wird, um wenigstens eine flüchtige Bekanntschaft mit den Leuten von St. Christein zu machen. Im Wirthshause finden sich ein paar gesprächige Trinker, die wir aber nicht verstehen, und dann wieder eine Erscheinung wie zu Pufels auf der Höhe, nämlich die Bäckertochter von Urteschei, ein gar schönes Mädchen, hoh und hehr gewachsen wie Brunhild in den Nibelungen, mit den lieblichen Wangen von Gröden, reinlich und schmuck in dunkle Farben gekleidet. Die Jungfrau sah so gebildet und vornehm aus, als wenn sie nicht nur italienisch, sondern auch französisch sprechen könnte, trug aber einen Korb voll Brod auf dem Rücken und gebärdete sich so unschuldig und so einfach, als wenn ihr noch niemand zu wissen gethan hätte, daß sie eine grödnerische Schönheit sey. Wir richteten einige Fragen an das Mädchen, und darauf gab sie uns bescheiden und artig deutsche Antwort. Dann, nachdem die Wirthin mit dem Gelde für die Semmeln hereingekommen war und es ihr in die Hand gegeben hatte, zählte sie es nach, schob es ein und ging mit ihrem Tragkorb wieder um ein Haus weiter. Soll nach Aussage der Wirthin ein vorzügliches Mädchen seyn, brav, sittlich, gottesfürchtig und was sich sonst noch alles von einer Jungfrau rühmen läßt. Von St. Christina gelangt man bald zum Schlosse Fischburg, das weithin scheinend in den tiefen Matten des Thales liegt. Zum Unterschied von vielen andern hat es ein sehr friedliches Aussehen, und gleicht eher einem weitläufigen Mayerhofe, als einer jener trotzigen Vesten an der Etsch. Weiter drinnen ist noch ein Dörflein, St. Maria, und links von diesem geht ein Thälchen ein zwischen himmelstürmenden Dolomiten. Darin sind an der schroffen Wand des hohen Stabiakopfes die angeklebten Trümmer der Burg von Wolkenstein zu sehen, die ehemals nur durch eine aus dem Felsen gehauene

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/449>, abgerufen am 23.11.2024.