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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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dritthalbtausend Jahren den Grundcharakter ihrer Sprache.*) Da nun die Mundarten von Gröden und Enneberg den romanischen Idiomen im Engadein und am Vorderrhein sehr ähnlich sind, so war es eine nothwendige Folge, daß von gelehrten Tirolern die Weihe ungeheuern Alterthums auch diesen Idiomen ertheilt und bei guter Gelegenheit sie eben so als ein Ueberbleibsel der alten etruskischen Sprache hervorgehoben wurden.

Je mehr sich nun in den letzten Decennien die deutschen Philologen, welche die Urgeschichte Italiens bearbeiteten, mit den etruskischen Räthseln beschäftigten, desto gespannter wurde ihre Aufmerksamkeit auf diese verschiedenen Alpensprachen, die man in langer Tradition als die Töchter, daher wohl als die Schlüssel zu jener mit sieben Schlössern verriegelten Sprache des alten Etruriens zu betrachten gewohnt war. Niebuhr ging daher, als er seine römische Geschichte schrieb, nicht achtlos an dem Ladin von Gröden vorüber, allein er bestärkte nur die alte schwindlige Ansicht. Später nahm auch Ottfried Müller mit großer Erwartung Hormayrs Geschichte Tirols zur Hand, allein die Sprache der Grödner, die er daraus kennen lernte, schien ihm nicht so fast tuskisch, als vielmehr ein französischer Jargon zu seyn. So blieb ihm nur der Wunsch, es möge die Hoffnung nicht unerfüllt bleiben, daß in irgend einem Thale Graubündens oder Tirols ein Rest der alten rhätischen Sprache entdeckt und zum Schlüssel werden könnte zur Entzifferung tuskischer Schriftdenkmäler. Bis zu seiner Zeit schien indeß noch kein Dialekt bezeichnet zu seyn, an dem man Versuche der Art mit Aussicht auf guten Erfolg anstellen dürfte. Die Hoffnung als so weit gehend ist wie uns bedünkt vernichtet; denn wenn sich auch eine kleine Anzahl jetzt noch unbestimmbarer Wörter in dem Vorrath der

*) Joh. v. Müller, Schweiz. Geschichten 1. 5. "besser, meint er in Note 35, lasse sich das Ladin in Unterengadin und das Romansche kaum bezeichnen, als bei Livius V. 33. durch die Worte: - - Raeti: quos loca ipsa efferarunt, ne quid ex antiquo praeter sonum linguae nec eum incorruptum retinerent.

dritthalbtausend Jahren den Grundcharakter ihrer Sprache.*) Da nun die Mundarten von Gröden und Enneberg den romanischen Idiomen im Engadein und am Vorderrhein sehr ähnlich sind, so war es eine nothwendige Folge, daß von gelehrten Tirolern die Weihe ungeheuern Alterthums auch diesen Idiomen ertheilt und bei guter Gelegenheit sie eben so als ein Ueberbleibsel der alten etruskischen Sprache hervorgehoben wurden.

Je mehr sich nun in den letzten Decennien die deutschen Philologen, welche die Urgeschichte Italiens bearbeiteten, mit den etruskischen Räthseln beschäftigten, desto gespannter wurde ihre Aufmerksamkeit auf diese verschiedenen Alpensprachen, die man in langer Tradition als die Töchter, daher wohl als die Schlüssel zu jener mit sieben Schlössern verriegelten Sprache des alten Etruriens zu betrachten gewohnt war. Niebuhr ging daher, als er seine römische Geschichte schrieb, nicht achtlos an dem Ladin von Gröden vorüber, allein er bestärkte nur die alte schwindlige Ansicht. Später nahm auch Ottfried Müller mit großer Erwartung Hormayrs Geschichte Tirols zur Hand, allein die Sprache der Grödner, die er daraus kennen lernte, schien ihm nicht so fast tuskisch, als vielmehr ein französischer Jargon zu seyn. So blieb ihm nur der Wunsch, es möge die Hoffnung nicht unerfüllt bleiben, daß in irgend einem Thale Graubündens oder Tirols ein Rest der alten rhätischen Sprache entdeckt und zum Schlüssel werden könnte zur Entzifferung tuskischer Schriftdenkmäler. Bis zu seiner Zeit schien indeß noch kein Dialekt bezeichnet zu seyn, an dem man Versuche der Art mit Aussicht auf guten Erfolg anstellen dürfte. Die Hoffnung als so weit gehend ist wie uns bedünkt vernichtet; denn wenn sich auch eine kleine Anzahl jetzt noch unbestimmbarer Wörter in dem Vorrath der

*) Joh. v. Müller, Schweiz. Geschichten 1. 5. „besser, meint er in Note 35, lasse sich das Ladin in Unterengadin und das Romansche kaum bezeichnen, als bei Livius V. 33. durch die Worte: – – Raeti: quos loca ipsa efferarunt, ne quid ex antiquo praeter sonum linguae nec eum incorruptum retinerent.
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[435/0439] dritthalbtausend Jahren den Grundcharakter ihrer Sprache. *) Da nun die Mundarten von Gröden und Enneberg den romanischen Idiomen im Engadein und am Vorderrhein sehr ähnlich sind, so war es eine nothwendige Folge, daß von gelehrten Tirolern die Weihe ungeheuern Alterthums auch diesen Idiomen ertheilt und bei guter Gelegenheit sie eben so als ein Ueberbleibsel der alten etruskischen Sprache hervorgehoben wurden. Je mehr sich nun in den letzten Decennien die deutschen Philologen, welche die Urgeschichte Italiens bearbeiteten, mit den etruskischen Räthseln beschäftigten, desto gespannter wurde ihre Aufmerksamkeit auf diese verschiedenen Alpensprachen, die man in langer Tradition als die Töchter, daher wohl als die Schlüssel zu jener mit sieben Schlössern verriegelten Sprache des alten Etruriens zu betrachten gewohnt war. Niebuhr ging daher, als er seine römische Geschichte schrieb, nicht achtlos an dem Ladin von Gröden vorüber, allein er bestärkte nur die alte schwindlige Ansicht. Später nahm auch Ottfried Müller mit großer Erwartung Hormayrs Geschichte Tirols zur Hand, allein die Sprache der Grödner, die er daraus kennen lernte, schien ihm nicht so fast tuskisch, als vielmehr ein französischer Jargon zu seyn. So blieb ihm nur der Wunsch, es möge die Hoffnung nicht unerfüllt bleiben, daß in irgend einem Thale Graubündens oder Tirols ein Rest der alten rhätischen Sprache entdeckt und zum Schlüssel werden könnte zur Entzifferung tuskischer Schriftdenkmäler. Bis zu seiner Zeit schien indeß noch kein Dialekt bezeichnet zu seyn, an dem man Versuche der Art mit Aussicht auf guten Erfolg anstellen dürfte. Die Hoffnung als so weit gehend ist wie uns bedünkt vernichtet; denn wenn sich auch eine kleine Anzahl jetzt noch unbestimmbarer Wörter in dem Vorrath der *) Joh. v. Müller, Schweiz. Geschichten 1. 5. „besser, meint er in Note 35, lasse sich das Ladin in Unterengadin und das Romansche kaum bezeichnen, als bei Livius V. 33. durch die Worte: – – Raeti: quos loca ipsa efferarunt, ne quid ex antiquo praeter sonum linguae nec eum incorruptum retinerent.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/439>, abgerufen am 23.11.2024.