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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Edelherr, der Bürger und der Bauer in die Höhe, in die kühleren Luftzüge der Alpen. Die reichen Bozner hat dieses Streben veranlaßt, auf der Hochebene des Rittens jene freundlichen Sommerstädte zu gründen, die wir auch noch besuchen werden. An andern Orten weiß man andre Freistätten, vielleicht ein eigenes Landhaus im Gebirge oder eine Unterkunft bei gastlichen Verwandten oder auch bei einem ehrlichen Bauern, der sich auf "Sommerfrischler" eingerichtet hat. Solche Verbindungen stehen in gebührender Achtung und man wechselt nicht leichtsinnig, wen man einmal an einem bestimmten Orte eingewohnt ist. Für alle andern aber, denen es an Geld oder an Gelegenheit mangelt, in dieser Weise ihre Lust zu büßen, sind die Bäder die herkömmlichen Sommerfrischen. Da genießt der Landmann seine Ferien und wenn er einmal aus dem Hause ist, wird auch dem Knechte bald etwas fehlen, was ihn ins Bad treibt und vielleicht auch der Dirn und der Unterdirn. Deßwegen ist die Armuth in den tirolischen Bädern eben so zahlreich vertreten, als der Reichthum, und drum gibt es auch eigene Lotterbäder, nämlich Bäder für arme Leute. Ein Bäuerlein, welches aber nicht einmal den Zutritt zu diesen Anstalten erschwingen kann, verzichtet deßwegen immer noch nicht auf seine Sommerlust. Ein solches geht vielmehr in die Hochalpen, sucht die Heuschopfen auf und legt sich da ins Heu. Es vergräbt sich tief in das weiche Lager und geräth dabei in starken Schweiß, der unendlich heilsam seyn soll für bäuerliche Schäden, für Gicht und Gliederschmerzen. Vor allem andern Heu ist seiner Heilkraft wegen berühmt jenes auf dem hohen Schlern ober Bozen und wird deßwegen auch manche Wallfahrt nach diesem Berge angestellt. Man sagt von solchen Pilgern: sie gehen "ins Heu liegen." Als wir einmal vom Ritten aus einen Zug auf den Hornberg machten, um dort die schöne Aussicht zu genießen, begegnete uns in der kühlen Alpenhöhe, weit ober dem letzten Bauernhause eine zahlreiche Familie, Vater, Mutter, Söhne und Töchter bis herab auf die kleinsten, mit Proviantsäcken, Schüsseln und Pfannen beladen, die fröhlich bergabstiegen und uns erzählten, jetzt seyen sie acht Tage im

Edelherr, der Bürger und der Bauer in die Höhe, in die kühleren Luftzüge der Alpen. Die reichen Bozner hat dieses Streben veranlaßt, auf der Hochebene des Rittens jene freundlichen Sommerstädte zu gründen, die wir auch noch besuchen werden. An andern Orten weiß man andre Freistätten, vielleicht ein eigenes Landhaus im Gebirge oder eine Unterkunft bei gastlichen Verwandten oder auch bei einem ehrlichen Bauern, der sich auf „Sommerfrischler“ eingerichtet hat. Solche Verbindungen stehen in gebührender Achtung und man wechselt nicht leichtsinnig, wen man einmal an einem bestimmten Orte eingewohnt ist. Für alle andern aber, denen es an Geld oder an Gelegenheit mangelt, in dieser Weise ihre Lust zu büßen, sind die Bäder die herkömmlichen Sommerfrischen. Da genießt der Landmann seine Ferien und wenn er einmal aus dem Hause ist, wird auch dem Knechte bald etwas fehlen, was ihn ins Bad treibt und vielleicht auch der Dirn und der Unterdirn. Deßwegen ist die Armuth in den tirolischen Bädern eben so zahlreich vertreten, als der Reichthum, und drum gibt es auch eigene Lotterbäder, nämlich Bäder für arme Leute. Ein Bäuerlein, welches aber nicht einmal den Zutritt zu diesen Anstalten erschwingen kann, verzichtet deßwegen immer noch nicht auf seine Sommerlust. Ein solches geht vielmehr in die Hochalpen, sucht die Heuschopfen auf und legt sich da ins Heu. Es vergräbt sich tief in das weiche Lager und geräth dabei in starken Schweiß, der unendlich heilsam seyn soll für bäuerliche Schäden, für Gicht und Gliederschmerzen. Vor allem andern Heu ist seiner Heilkraft wegen berühmt jenes auf dem hohen Schlern ober Bozen und wird deßwegen auch manche Wallfahrt nach diesem Berge angestellt. Man sagt von solchen Pilgern: sie gehen „ins Heu liegen.“ Als wir einmal vom Ritten aus einen Zug auf den Hornberg machten, um dort die schöne Aussicht zu genießen, begegnete uns in der kühlen Alpenhöhe, weit ober dem letzten Bauernhause eine zahlreiche Familie, Vater, Mutter, Söhne und Töchter bis herab auf die kleinsten, mit Proviantsäcken, Schüsseln und Pfannen beladen, die fröhlich bergabstiegen und uns erzählten, jetzt seyen sie acht Tage im

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Edelherr, der Bürger und der Bauer in die Höhe, in die kühleren Luftzüge der Alpen. Die reichen Bozner hat dieses Streben veranlaßt, auf der Hochebene des Rittens jene freundlichen Sommerstädte zu gründen, die wir auch noch besuchen werden. An andern Orten weiß man andre Freistätten, vielleicht ein eigenes Landhaus im Gebirge oder eine Unterkunft bei gastlichen Verwandten oder auch bei einem ehrlichen Bauern, der sich auf &#x201E;Sommerfrischler&#x201C; eingerichtet hat. Solche Verbindungen stehen in gebührender Achtung und man wechselt nicht leichtsinnig, wen man einmal an einem bestimmten Orte eingewohnt ist. Für alle andern aber, denen es an Geld oder an Gelegenheit mangelt, in dieser Weise ihre Lust zu büßen, sind die Bäder die herkömmlichen Sommerfrischen. Da genießt der Landmann seine Ferien und wenn er einmal aus dem Hause ist, wird auch dem Knechte bald etwas fehlen, was ihn ins Bad treibt und vielleicht auch der Dirn und der Unterdirn. Deßwegen ist die Armuth in den tirolischen Bädern eben so zahlreich vertreten, als der Reichthum, und drum gibt es auch eigene Lotterbäder, nämlich Bäder für arme Leute. Ein Bäuerlein, welches aber nicht einmal den Zutritt zu diesen Anstalten erschwingen kann, verzichtet deßwegen immer noch nicht auf seine Sommerlust. Ein solches geht vielmehr in die Hochalpen, sucht die Heuschopfen auf und legt sich da ins Heu. Es vergräbt sich tief in das weiche Lager und geräth dabei in starken Schweiß, der unendlich heilsam seyn soll für bäuerliche Schäden, für Gicht und Gliederschmerzen. Vor allem andern Heu ist seiner Heilkraft wegen berühmt jenes auf dem hohen Schlern ober Bozen und wird deßwegen auch manche Wallfahrt nach diesem Berge angestellt. Man sagt von solchen Pilgern: sie gehen &#x201E;ins Heu liegen.&#x201C; Als wir einmal vom Ritten aus einen Zug auf den Hornberg machten, um dort die schöne Aussicht zu genießen, begegnete uns in der kühlen Alpenhöhe, weit ober dem letzten Bauernhause eine zahlreiche Familie, Vater, Mutter, Söhne und Töchter bis herab auf die kleinsten, mit Proviantsäcken, Schüsseln und Pfannen beladen, die fröhlich bergabstiegen und uns erzählten, jetzt seyen sie acht Tage im
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[368/0372] Edelherr, der Bürger und der Bauer in die Höhe, in die kühleren Luftzüge der Alpen. Die reichen Bozner hat dieses Streben veranlaßt, auf der Hochebene des Rittens jene freundlichen Sommerstädte zu gründen, die wir auch noch besuchen werden. An andern Orten weiß man andre Freistätten, vielleicht ein eigenes Landhaus im Gebirge oder eine Unterkunft bei gastlichen Verwandten oder auch bei einem ehrlichen Bauern, der sich auf „Sommerfrischler“ eingerichtet hat. Solche Verbindungen stehen in gebührender Achtung und man wechselt nicht leichtsinnig, wen man einmal an einem bestimmten Orte eingewohnt ist. Für alle andern aber, denen es an Geld oder an Gelegenheit mangelt, in dieser Weise ihre Lust zu büßen, sind die Bäder die herkömmlichen Sommerfrischen. Da genießt der Landmann seine Ferien und wenn er einmal aus dem Hause ist, wird auch dem Knechte bald etwas fehlen, was ihn ins Bad treibt und vielleicht auch der Dirn und der Unterdirn. Deßwegen ist die Armuth in den tirolischen Bädern eben so zahlreich vertreten, als der Reichthum, und drum gibt es auch eigene Lotterbäder, nämlich Bäder für arme Leute. Ein Bäuerlein, welches aber nicht einmal den Zutritt zu diesen Anstalten erschwingen kann, verzichtet deßwegen immer noch nicht auf seine Sommerlust. Ein solches geht vielmehr in die Hochalpen, sucht die Heuschopfen auf und legt sich da ins Heu. Es vergräbt sich tief in das weiche Lager und geräth dabei in starken Schweiß, der unendlich heilsam seyn soll für bäuerliche Schäden, für Gicht und Gliederschmerzen. Vor allem andern Heu ist seiner Heilkraft wegen berühmt jenes auf dem hohen Schlern ober Bozen und wird deßwegen auch manche Wallfahrt nach diesem Berge angestellt. Man sagt von solchen Pilgern: sie gehen „ins Heu liegen.“ Als wir einmal vom Ritten aus einen Zug auf den Hornberg machten, um dort die schöne Aussicht zu genießen, begegnete uns in der kühlen Alpenhöhe, weit ober dem letzten Bauernhause eine zahlreiche Familie, Vater, Mutter, Söhne und Töchter bis herab auf die kleinsten, mit Proviantsäcken, Schüsseln und Pfannen beladen, die fröhlich bergabstiegen und uns erzählten, jetzt seyen sie acht Tage im

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/372>, abgerufen am 23.11.2024.