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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Ein Engländer, Robert Milman, schrieb folgende Verse ein, vielleicht die besten, die darinnen zu finden:

Stranger, spare the idle sigh -
For the stream gushing by
And the wild wind rushing nigh
And the free and noble eye
Of those for whom thou didst die,
Make the fittest elegy,
Purest son of liberty!

Weiter lesend bemerkte ich aber auch eine bedeutende Verwüstung in dem Gedenkbuch. Mehrere Blätter waren herausgeschnitten und so die Einträge mehrerer Wochen verloren. Maidele erzählte auf Befragen, das sey eine trübselige Geschichte; da sey vor kurzem ein junger Mensch über Nacht geblieben und andern Tages, als er wieder fortgezogen, habe sich in dem Buche ein Gedicht gefunden, ein schönes Gedicht, das den Leuten, die darnach gekommen, sehr gefallen habe. Andere hätten dann noch allerlei eingeschrieben, was zu dem Gedicht gepaßt, aber eines Tages sey ein vornehmer Herr aufgetreten, habe den Landrichter rufen und Alles herausschneiden lassen. Ich fragte neugierig nach dem Inhalt des Gedichts. Maidele wollte anfangs nichts davon wissen, aber allmählich gestand sie mit jungfräulicher Verschämtheit, sie habe auch ihre Freude daran gehabt, und es vom oftmaligen Lesen im Kopfe behalten. Nach längerem Zureden gab sie mir dann folgende Verse an:

Eh' du zum Tod in Mantua gegangen,
Da schriebst du: Lebe wohl, du schnöde Welt!
So wenig ist mein Herz an dir gehangen.
Daß mir für dich jetzt selbst die Thräne fehlt!
Hast du geahnt, was spätere Tage brachten?
Wie fromm dein Hoffen und wie falsch die Welt -
Wie deine Thaten sie zu Nichte machten
Und deinen Wünschen die Erfüllung fehlt?
Sie nennen dich der Freiheit kühnen Helden
Und singen viel von deiner Siege Ruhm -
Was weiß dein Volk von diesem Sieg zu melden?
O sieh dich nicht nach seinen Früchten um! -
Sie preisen dich ob deiner ächten Treue,
Mit der du starbst, wie du in ihr gelebt.

Ein Engländer, Robert Milman, schrieb folgende Verse ein, vielleicht die besten, die darinnen zu finden:

Stranger, spare the idle sigh –
For the stream gushing by
And the wild wind rushing nigh
And the free and noble eye
Of those for whom thou didst die,
Make the fittest elegy,
Purest son of liberty!

Weiter lesend bemerkte ich aber auch eine bedeutende Verwüstung in dem Gedenkbuch. Mehrere Blätter waren herausgeschnitten und so die Einträge mehrerer Wochen verloren. Maidele erzählte auf Befragen, das sey eine trübselige Geschichte; da sey vor kurzem ein junger Mensch über Nacht geblieben und andern Tages, als er wieder fortgezogen, habe sich in dem Buche ein Gedicht gefunden, ein schönes Gedicht, das den Leuten, die darnach gekommen, sehr gefallen habe. Andere hätten dann noch allerlei eingeschrieben, was zu dem Gedicht gepaßt, aber eines Tages sey ein vornehmer Herr aufgetreten, habe den Landrichter rufen und Alles herausschneiden lassen. Ich fragte neugierig nach dem Inhalt des Gedichts. Maidele wollte anfangs nichts davon wissen, aber allmählich gestand sie mit jungfräulicher Verschämtheit, sie habe auch ihre Freude daran gehabt, und es vom oftmaligen Lesen im Kopfe behalten. Nach längerem Zureden gab sie mir dann folgende Verse an:

Eh’ du zum Tod in Mantua gegangen,
Da schriebst du: Lebe wohl, du schnöde Welt!
So wenig ist mein Herz an dir gehangen.
Daß mir für dich jetzt selbst die Thräne fehlt!
Hast du geahnt, was spätere Tage brachten?
Wie fromm dein Hoffen und wie falsch die Welt –
Wie deine Thaten sie zu Nichte machten
Und deinen Wünschen die Erfüllung fehlt?
Sie nennen dich der Freiheit kühnen Helden
Und singen viel von deiner Siege Ruhm –
Was weiß dein Volk von diesem Sieg zu melden?
O sieh dich nicht nach seinen Früchten um! –
Sie preisen dich ob deiner ächten Treue,
Mit der du starbst, wie du in ihr gelebt.
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[349/0353] Ein Engländer, Robert Milman, schrieb folgende Verse ein, vielleicht die besten, die darinnen zu finden: Stranger, spare the idle sigh – For the stream gushing by And the wild wind rushing nigh And the free and noble eye Of those for whom thou didst die, Make the fittest elegy, Purest son of liberty! Weiter lesend bemerkte ich aber auch eine bedeutende Verwüstung in dem Gedenkbuch. Mehrere Blätter waren herausgeschnitten und so die Einträge mehrerer Wochen verloren. Maidele erzählte auf Befragen, das sey eine trübselige Geschichte; da sey vor kurzem ein junger Mensch über Nacht geblieben und andern Tages, als er wieder fortgezogen, habe sich in dem Buche ein Gedicht gefunden, ein schönes Gedicht, das den Leuten, die darnach gekommen, sehr gefallen habe. Andere hätten dann noch allerlei eingeschrieben, was zu dem Gedicht gepaßt, aber eines Tages sey ein vornehmer Herr aufgetreten, habe den Landrichter rufen und Alles herausschneiden lassen. Ich fragte neugierig nach dem Inhalt des Gedichts. Maidele wollte anfangs nichts davon wissen, aber allmählich gestand sie mit jungfräulicher Verschämtheit, sie habe auch ihre Freude daran gehabt, und es vom oftmaligen Lesen im Kopfe behalten. Nach längerem Zureden gab sie mir dann folgende Verse an: Eh’ du zum Tod in Mantua gegangen, Da schriebst du: Lebe wohl, du schnöde Welt! So wenig ist mein Herz an dir gehangen. Daß mir für dich jetzt selbst die Thräne fehlt! Hast du geahnt, was spätere Tage brachten? Wie fromm dein Hoffen und wie falsch die Welt – Wie deine Thaten sie zu Nichte machten Und deinen Wünschen die Erfüllung fehlt? Sie nennen dich der Freiheit kühnen Helden Und singen viel von deiner Siege Ruhm – Was weiß dein Volk von diesem Sieg zu melden? O sieh dich nicht nach seinen Früchten um! – Sie preisen dich ob deiner ächten Treue, Mit der du starbst, wie du in ihr gelebt.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/353>, abgerufen am 23.11.2024.