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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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sey, ja selbst vielleicht von der Einfuhr fremder Weine überstiegen werde. Dagegen kann man wieder geneigt seyn den Meranern Recht zu geben, wenn man nachliest, was Staffler über die Sache mittheilt.*) Uebrigens, und dieß wird zur Zeit allerdings mit tiefem Schweigen übergangen, ist sehr glaubwürdig, daß dazumal im bayerischen Tirol ein sehr schwunghafter Schleichhandel betrieben ward, "der, wie jener Landsmann sagt, die Städte Meran und Brixen eben so sehr bereicherte, als den Charakter der Einwohner verdarb."

Gehen wir indessen wieder einmal spazieren und zwar am kühlen Abende nach Mais, das gerade vor dem Thore, jenseits der Passer liegt. Es ist ein weitzerstreutes Dorf, zum Theil an die Landstraße, zum Theil auf die sanfte Halde hingebaut, die gegen den Freiberg aufsteigt. Jene Hälfte heißt Untermais, diese Obermais; in jener ist das bäuerliche Aussehen vorherrschend, diese besteht fast nur aus Schlössern und Ansitzen. Beide sind nach einstimmiger Annahme der Alterthumskundigen auf dem Bergschutte erbaut, der in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung vom Ifinger herabstürzend, das römische Majä überschüttet hat.

Also nach Untermais, dessen düstere Kirche über grüne Weidenbüsche herüberschaut und an der vordern Außenwand ein paar uralte steinerne Köpfe aufweist, aus jener Kunstschule, die sich in den Portalen auf Zenoburg und Schloß Tirol verewigt hat. Der gastfreundliche Pfarrhof von Mais, dem Stifte zu Stams im Oberinnthale gehörig, steht an der Straße und labt allabendlich ein kleines, aber auserlesenes Häuflein Meraner Herren mit der Blüthe seines Kellers. Das Wirthshaus des Dorfes entdeckte ich an einem Sonntage, als ich fremd noch und unbekannt mit Sitte und Gebrauch nach einem Orte fragte, wo etwa die Stadtleute in der Feier ihrer Sonntagslust zu betrachten wären. Man rieth mir in den Gütern von Mais herumzuschlendern, und so gerieth ich in den ansehnlichen Gasthof, wo ich zwar keine Gäste, aber sehr freundlichen Empfang fand, daher auch ein Seidel

*) 1. 222.

sey, ja selbst vielleicht von der Einfuhr fremder Weine überstiegen werde. Dagegen kann man wieder geneigt seyn den Meranern Recht zu geben, wenn man nachliest, was Staffler über die Sache mittheilt.*) Uebrigens, und dieß wird zur Zeit allerdings mit tiefem Schweigen übergangen, ist sehr glaubwürdig, daß dazumal im bayerischen Tirol ein sehr schwunghafter Schleichhandel betrieben ward, „der, wie jener Landsmann sagt, die Städte Meran und Brixen eben so sehr bereicherte, als den Charakter der Einwohner verdarb.“

Gehen wir indessen wieder einmal spazieren und zwar am kühlen Abende nach Mais, das gerade vor dem Thore, jenseits der Passer liegt. Es ist ein weitzerstreutes Dorf, zum Theil an die Landstraße, zum Theil auf die sanfte Halde hingebaut, die gegen den Freiberg aufsteigt. Jene Hälfte heißt Untermais, diese Obermais; in jener ist das bäuerliche Aussehen vorherrschend, diese besteht fast nur aus Schlössern und Ansitzen. Beide sind nach einstimmiger Annahme der Alterthumskundigen auf dem Bergschutte erbaut, der in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung vom Ifinger herabstürzend, das römische Majä überschüttet hat.

Also nach Untermais, dessen düstere Kirche über grüne Weidenbüsche herüberschaut und an der vordern Außenwand ein paar uralte steinerne Köpfe aufweist, aus jener Kunstschule, die sich in den Portalen auf Zenoburg und Schloß Tirol verewigt hat. Der gastfreundliche Pfarrhof von Mais, dem Stifte zu Stams im Oberinnthale gehörig, steht an der Straße und labt allabendlich ein kleines, aber auserlesenes Häuflein Meraner Herren mit der Blüthe seines Kellers. Das Wirthshaus des Dorfes entdeckte ich an einem Sonntage, als ich fremd noch und unbekannt mit Sitte und Gebrauch nach einem Orte fragte, wo etwa die Stadtleute in der Feier ihrer Sonntagslust zu betrachten wären. Man rieth mir in den Gütern von Mais herumzuschlendern, und so gerieth ich in den ansehnlichen Gasthof, wo ich zwar keine Gäste, aber sehr freundlichen Empfang fand, daher auch ein Seidel

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        <p>Also nach Untermais, dessen düstere Kirche über grüne Weidenbüsche herüberschaut und an der vordern Außenwand ein paar uralte steinerne Köpfe aufweist, aus jener Kunstschule, die sich in den Portalen auf Zenoburg und Schloß Tirol verewigt hat. Der gastfreundliche Pfarrhof von Mais, dem Stifte zu Stams im Oberinnthale gehörig, steht an der Straße und labt allabendlich ein kleines, aber auserlesenes Häuflein Meraner Herren mit der Blüthe seines Kellers. Das Wirthshaus des Dorfes entdeckte ich an einem Sonntage, als ich fremd noch und unbekannt mit Sitte und Gebrauch nach einem Orte fragte, wo etwa die Stadtleute in der Feier ihrer Sonntagslust zu betrachten wären. Man rieth mir in den Gütern von Mais herumzuschlendern, und so gerieth ich in den ansehnlichen Gasthof, wo ich zwar keine Gäste, aber sehr freundlichen Empfang fand, daher auch ein Seidel
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[332/0336] sey, ja selbst vielleicht von der Einfuhr fremder Weine überstiegen werde. Dagegen kann man wieder geneigt seyn den Meranern Recht zu geben, wenn man nachliest, was Staffler über die Sache mittheilt. *) Uebrigens, und dieß wird zur Zeit allerdings mit tiefem Schweigen übergangen, ist sehr glaubwürdig, daß dazumal im bayerischen Tirol ein sehr schwunghafter Schleichhandel betrieben ward, „der, wie jener Landsmann sagt, die Städte Meran und Brixen eben so sehr bereicherte, als den Charakter der Einwohner verdarb.“ Gehen wir indessen wieder einmal spazieren und zwar am kühlen Abende nach Mais, das gerade vor dem Thore, jenseits der Passer liegt. Es ist ein weitzerstreutes Dorf, zum Theil an die Landstraße, zum Theil auf die sanfte Halde hingebaut, die gegen den Freiberg aufsteigt. Jene Hälfte heißt Untermais, diese Obermais; in jener ist das bäuerliche Aussehen vorherrschend, diese besteht fast nur aus Schlössern und Ansitzen. Beide sind nach einstimmiger Annahme der Alterthumskundigen auf dem Bergschutte erbaut, der in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung vom Ifinger herabstürzend, das römische Majä überschüttet hat. Also nach Untermais, dessen düstere Kirche über grüne Weidenbüsche herüberschaut und an der vordern Außenwand ein paar uralte steinerne Köpfe aufweist, aus jener Kunstschule, die sich in den Portalen auf Zenoburg und Schloß Tirol verewigt hat. Der gastfreundliche Pfarrhof von Mais, dem Stifte zu Stams im Oberinnthale gehörig, steht an der Straße und labt allabendlich ein kleines, aber auserlesenes Häuflein Meraner Herren mit der Blüthe seines Kellers. Das Wirthshaus des Dorfes entdeckte ich an einem Sonntage, als ich fremd noch und unbekannt mit Sitte und Gebrauch nach einem Orte fragte, wo etwa die Stadtleute in der Feier ihrer Sonntagslust zu betrachten wären. Man rieth mir in den Gütern von Mais herumzuschlendern, und so gerieth ich in den ansehnlichen Gasthof, wo ich zwar keine Gäste, aber sehr freundlichen Empfang fand, daher auch ein Seidel *) 1. 222.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/336>, abgerufen am 09.06.2024.