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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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nicht sichtlich verändert. Doch kann einst ein Tag kommen, wo der Sandberg einbrechen und das Hauptschloß von Tirol nachstürzen und in seinen Trümmern im Longvaller Bache liegen wird. Ein Flügel der Burg ist schon vorausgegangen - man weiß, daß vor Jahrhunderten ein Theil der Veste weggespült worden.

Daß das alte Terioli eine römische Bergveste und lange nach den Zeiten der Römer ein Sitz eigener Grafen geworden und daß auf die alten Herren von Tirol die Görzer gefolgt und ebenda gewohnt haben, dieß ist schon früher erwähnt worden. Im Volke lebt aber noch das Gedächtniß einer andern Dynastie, die freilich schon längst ausgestorben ist, ohne daß die Geschichtsforscher davon Notiz genommen. Die Nachbarn behaupten nämlich es hätten in dem alten Schlosse vor Zeiten die Riesen gewohnt und die Angabe läßt sich sogar dadurch unterstützen, daß man ehemals ledernes Rüstzeug eines ungewöhnlich großen und starken Mannes, vorgeblich des mythischen Hagene, da gezeigt hat. Jene Riesen, welche Heiden waren, lebten in stätem Hader mit den kleinen Zwergen, die bei St. Peter wohnten und sich zum Christenthume bekannten und so oft diese mit dem oft versuchten Kirchenbau zum Dachstuhl gekommen waren, langten die Riesen vom Schlosse herüber und schnellten das Gotteshäuschen mit dem Finger in das Thal hinab. Einmal aber gelang es den Zwergen in einer Nacht den Bau zu vollenden, ehe die Riesen erwachten, und da hatten sie keine Gewalt mehr darüber. Deßwegen ist auch die Kirche so klein geworden.

Als Margaretha, die Maultasche, das Land Tirol den Herzogen von Oesterreich übergeben und das Hauptschloß aufgehört hatte der Sitz der Landesfürsten zu seyn, wohnten noch etliche Zeit lang die Landeshauptleute in der Burg, bis auch diese nach Bozen zogen. Darnach stand sie leer, wurde aber immer erhalten. Auch blieb wenigstens der guten Stadt Meran noch die Auszeichnung, daß die Landeshauptleute mit großen Festlichkeiten und unter zahlreichem Zutritt des umwohnenden Adels dortselbst installirt wurden. Im Jahre 1808 hatten sie zu München den haarsträubenden Einfall die Burg

nicht sichtlich verändert. Doch kann einst ein Tag kommen, wo der Sandberg einbrechen und das Hauptschloß von Tirol nachstürzen und in seinen Trümmern im Longvaller Bache liegen wird. Ein Flügel der Burg ist schon vorausgegangen – man weiß, daß vor Jahrhunderten ein Theil der Veste weggespült worden.

Daß das alte Terioli eine römische Bergveste und lange nach den Zeiten der Römer ein Sitz eigener Grafen geworden und daß auf die alten Herren von Tirol die Görzer gefolgt und ebenda gewohnt haben, dieß ist schon früher erwähnt worden. Im Volke lebt aber noch das Gedächtniß einer andern Dynastie, die freilich schon längst ausgestorben ist, ohne daß die Geschichtsforscher davon Notiz genommen. Die Nachbarn behaupten nämlich es hätten in dem alten Schlosse vor Zeiten die Riesen gewohnt und die Angabe läßt sich sogar dadurch unterstützen, daß man ehemals ledernes Rüstzeug eines ungewöhnlich großen und starken Mannes, vorgeblich des mythischen Hagene, da gezeigt hat. Jene Riesen, welche Heiden waren, lebten in stätem Hader mit den kleinen Zwergen, die bei St. Peter wohnten und sich zum Christenthume bekannten und so oft diese mit dem oft versuchten Kirchenbau zum Dachstuhl gekommen waren, langten die Riesen vom Schlosse herüber und schnellten das Gotteshäuschen mit dem Finger in das Thal hinab. Einmal aber gelang es den Zwergen in einer Nacht den Bau zu vollenden, ehe die Riesen erwachten, und da hatten sie keine Gewalt mehr darüber. Deßwegen ist auch die Kirche so klein geworden.

Als Margaretha, die Maultasche, das Land Tirol den Herzogen von Oesterreich übergeben und das Hauptschloß aufgehört hatte der Sitz der Landesfürsten zu seyn, wohnten noch etliche Zeit lang die Landeshauptleute in der Burg, bis auch diese nach Bozen zogen. Darnach stand sie leer, wurde aber immer erhalten. Auch blieb wenigstens der guten Stadt Meran noch die Auszeichnung, daß die Landeshauptleute mit großen Festlichkeiten und unter zahlreichem Zutritt des umwohnenden Adels dortselbst installirt wurden. Im Jahre 1808 hatten sie zu München den haarsträubenden Einfall die Burg

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[309/0313] nicht sichtlich verändert. Doch kann einst ein Tag kommen, wo der Sandberg einbrechen und das Hauptschloß von Tirol nachstürzen und in seinen Trümmern im Longvaller Bache liegen wird. Ein Flügel der Burg ist schon vorausgegangen – man weiß, daß vor Jahrhunderten ein Theil der Veste weggespült worden. Daß das alte Terioli eine römische Bergveste und lange nach den Zeiten der Römer ein Sitz eigener Grafen geworden und daß auf die alten Herren von Tirol die Görzer gefolgt und ebenda gewohnt haben, dieß ist schon früher erwähnt worden. Im Volke lebt aber noch das Gedächtniß einer andern Dynastie, die freilich schon längst ausgestorben ist, ohne daß die Geschichtsforscher davon Notiz genommen. Die Nachbarn behaupten nämlich es hätten in dem alten Schlosse vor Zeiten die Riesen gewohnt und die Angabe läßt sich sogar dadurch unterstützen, daß man ehemals ledernes Rüstzeug eines ungewöhnlich großen und starken Mannes, vorgeblich des mythischen Hagene, da gezeigt hat. Jene Riesen, welche Heiden waren, lebten in stätem Hader mit den kleinen Zwergen, die bei St. Peter wohnten und sich zum Christenthume bekannten und so oft diese mit dem oft versuchten Kirchenbau zum Dachstuhl gekommen waren, langten die Riesen vom Schlosse herüber und schnellten das Gotteshäuschen mit dem Finger in das Thal hinab. Einmal aber gelang es den Zwergen in einer Nacht den Bau zu vollenden, ehe die Riesen erwachten, und da hatten sie keine Gewalt mehr darüber. Deßwegen ist auch die Kirche so klein geworden. Als Margaretha, die Maultasche, das Land Tirol den Herzogen von Oesterreich übergeben und das Hauptschloß aufgehört hatte der Sitz der Landesfürsten zu seyn, wohnten noch etliche Zeit lang die Landeshauptleute in der Burg, bis auch diese nach Bozen zogen. Darnach stand sie leer, wurde aber immer erhalten. Auch blieb wenigstens der guten Stadt Meran noch die Auszeichnung, daß die Landeshauptleute mit großen Festlichkeiten und unter zahlreichem Zutritt des umwohnenden Adels dortselbst installirt wurden. Im Jahre 1808 hatten sie zu München den haarsträubenden Einfall die Burg

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/313>, abgerufen am 23.11.2024.