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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Margarethe, die später von einem Schlosse bei Bozen den Beinamen Maultasch bekam. Dieses Mädchen, das in der Geschichte von Tirol so bedeutsam wurde, hat sich auch im Volke ein dauerndes Angedenken gestiftet. Von vielen Schlössern behaupten die anliegenden Bauern, sie seyen Margarethens Sommeraufenthalt gewesen, oder wenn sie es jetzt nicht mehr behaupten, so haben sie es wenigstens gethan, denn auch Margarethens Gedächtniß wie das Herzog Friedels ist auf dem Lande sehr erblaßt, und die schöne Gräfin von Tirol lebt fast nur mehr im Munde bücherlesender Städter. In einem Stücke darf sich die Fürstin nicht beschwert erachten, wenn man ihrer vergißt, nämlich wegen des Leumunds ihrer weiblichen Tugend. Dieser ist sehr getrübt, und leider nicht allein in der Sage, sondern auch in der Geschichte. Die Tiroler Maler pflegten sie früher oft als Wahrzeichen anzubringen, immer ganz nackt, nur mit ihren goldenen Haaren bedeckt, und das Volk nannte jedes nackte Frauenbild, das keine Eva war, eine Maultasch. Schon Kaiser Max hat laut seines Tagebuches ein solches "schandbares Gemäld" am abgetragenen Wappenthurm zu Innsbruck übermalen lassen und ein andres am goldnen Dachl wurde noch im vorigen Jahrhundert vertüncht, weil das Volk es gerne beschaute und über die "Herzogin von Meran" unsaubere Reden führte. Der Ruf der Gräfin unterliegt indessen gegenwärtig einiger Reinigung. Hormayr nennt zwar die schöne Fürstin noch in neuester Zeit ein verliebtes Ungethüm, aber unter den treuen Tirolern findet sich wieder mancher Kämpe, der den Handschuh für sie aufnimmt. So ist schon im Jahre 1832 ein Ungenannter in den Beiträgen für Tirol und Vorarlberg aufgetreten und hat ihr einen natürlichen Sohn, mit dem sie bereits in vielen Büchern herumgezogen, glücklich wieder abgejagt. Den Schandfleck verdankte sie ihrem Schwager, Kaiser Karl IV. indem dieser in seiner selbstverfaßten Lebensbeschreibung von einem f. naturalis seiner Schwägerin spricht, welcher 1339 eine Verschwörung gegen Johann von Luxemburg angesponnen. Nun zeigt aber Anonymus, daß Margaretha nicht, wie andre angenommen, 1307, sondern 1318 geboren und daß daher der natürliche Sohn

Margarethe, die später von einem Schlosse bei Bozen den Beinamen Maultasch bekam. Dieses Mädchen, das in der Geschichte von Tirol so bedeutsam wurde, hat sich auch im Volke ein dauerndes Angedenken gestiftet. Von vielen Schlössern behaupten die anliegenden Bauern, sie seyen Margarethens Sommeraufenthalt gewesen, oder wenn sie es jetzt nicht mehr behaupten, so haben sie es wenigstens gethan, denn auch Margarethens Gedächtniß wie das Herzog Friedels ist auf dem Lande sehr erblaßt, und die schöne Gräfin von Tirol lebt fast nur mehr im Munde bücherlesender Städter. In einem Stücke darf sich die Fürstin nicht beschwert erachten, wenn man ihrer vergißt, nämlich wegen des Leumunds ihrer weiblichen Tugend. Dieser ist sehr getrübt, und leider nicht allein in der Sage, sondern auch in der Geschichte. Die Tiroler Maler pflegten sie früher oft als Wahrzeichen anzubringen, immer ganz nackt, nur mit ihren goldenen Haaren bedeckt, und das Volk nannte jedes nackte Frauenbild, das keine Eva war, eine Maultasch. Schon Kaiser Max hat laut seines Tagebuches ein solches „schandbares Gemäld“ am abgetragenen Wappenthurm zu Innsbruck übermalen lassen und ein andres am goldnen Dachl wurde noch im vorigen Jahrhundert vertüncht, weil das Volk es gerne beschaute und über die „Herzogin von Meran“ unsaubere Reden führte. Der Ruf der Gräfin unterliegt indessen gegenwärtig einiger Reinigung. Hormayr nennt zwar die schöne Fürstin noch in neuester Zeit ein verliebtes Ungethüm, aber unter den treuen Tirolern findet sich wieder mancher Kämpe, der den Handschuh für sie aufnimmt. So ist schon im Jahre 1832 ein Ungenannter in den Beiträgen für Tirol und Vorarlberg aufgetreten und hat ihr einen natürlichen Sohn, mit dem sie bereits in vielen Büchern herumgezogen, glücklich wieder abgejagt. Den Schandfleck verdankte sie ihrem Schwager, Kaiser Karl IV. indem dieser in seiner selbstverfaßten Lebensbeschreibung von einem f. naturalis seiner Schwägerin spricht, welcher 1339 eine Verschwörung gegen Johann von Luxemburg angesponnen. Nun zeigt aber Anonymus, daß Margaretha nicht, wie andre angenommen, 1307, sondern 1318 geboren und daß daher der natürliche Sohn

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Margarethe, die später von einem Schlosse bei Bozen den Beinamen Maultasch bekam. Dieses Mädchen, das in der Geschichte von Tirol so bedeutsam wurde, hat sich auch im Volke ein dauerndes Angedenken gestiftet. Von vielen Schlössern behaupten die anliegenden Bauern, sie seyen Margarethens Sommeraufenthalt gewesen, oder wenn sie es jetzt nicht mehr behaupten, so haben sie es wenigstens gethan, denn auch Margarethens Gedächtniß wie das Herzog Friedels ist auf dem Lande sehr erblaßt, und die schöne Gräfin von Tirol lebt fast nur mehr im Munde bücherlesender Städter. In einem Stücke darf sich die Fürstin nicht beschwert erachten, wenn man ihrer vergißt, nämlich wegen des Leumunds ihrer weiblichen Tugend. Dieser ist sehr getrübt, und leider nicht allein in der Sage, sondern auch in der Geschichte. Die Tiroler Maler pflegten sie früher oft als Wahrzeichen anzubringen, immer ganz nackt, nur mit ihren goldenen Haaren bedeckt, und das Volk nannte jedes nackte Frauenbild, das keine Eva war, eine Maultasch. Schon Kaiser Max hat laut seines Tagebuches ein solches &#x201E;schandbares Gemäld&#x201C; am abgetragenen Wappenthurm zu Innsbruck übermalen lassen und ein andres am goldnen Dachl wurde noch im vorigen Jahrhundert vertüncht, weil das Volk es gerne beschaute und über die &#x201E;Herzogin von Meran&#x201C; unsaubere Reden führte. Der Ruf der Gräfin unterliegt indessen gegenwärtig einiger Reinigung. Hormayr nennt zwar die schöne Fürstin noch in neuester Zeit ein verliebtes Ungethüm, aber unter den treuen Tirolern findet sich wieder mancher Kämpe, der den Handschuh für sie aufnimmt. So ist schon im Jahre 1832 ein Ungenannter in den Beiträgen für Tirol und Vorarlberg aufgetreten und hat ihr einen natürlichen Sohn, mit dem sie bereits in vielen Büchern herumgezogen, glücklich wieder abgejagt. Den Schandfleck verdankte sie ihrem Schwager, Kaiser Karl <hi rendition="#aq">IV</hi>. indem dieser in seiner selbstverfaßten Lebensbeschreibung von einem <hi rendition="#aq">f. naturalis</hi> seiner Schwägerin spricht, welcher 1339 eine Verschwörung gegen Johann von Luxemburg angesponnen. Nun zeigt aber Anonymus, daß Margaretha nicht, wie andre angenommen, 1307, sondern 1318 geboren und daß daher der natürliche Sohn
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[303/0307] Margarethe, die später von einem Schlosse bei Bozen den Beinamen Maultasch bekam. Dieses Mädchen, das in der Geschichte von Tirol so bedeutsam wurde, hat sich auch im Volke ein dauerndes Angedenken gestiftet. Von vielen Schlössern behaupten die anliegenden Bauern, sie seyen Margarethens Sommeraufenthalt gewesen, oder wenn sie es jetzt nicht mehr behaupten, so haben sie es wenigstens gethan, denn auch Margarethens Gedächtniß wie das Herzog Friedels ist auf dem Lande sehr erblaßt, und die schöne Gräfin von Tirol lebt fast nur mehr im Munde bücherlesender Städter. In einem Stücke darf sich die Fürstin nicht beschwert erachten, wenn man ihrer vergißt, nämlich wegen des Leumunds ihrer weiblichen Tugend. Dieser ist sehr getrübt, und leider nicht allein in der Sage, sondern auch in der Geschichte. Die Tiroler Maler pflegten sie früher oft als Wahrzeichen anzubringen, immer ganz nackt, nur mit ihren goldenen Haaren bedeckt, und das Volk nannte jedes nackte Frauenbild, das keine Eva war, eine Maultasch. Schon Kaiser Max hat laut seines Tagebuches ein solches „schandbares Gemäld“ am abgetragenen Wappenthurm zu Innsbruck übermalen lassen und ein andres am goldnen Dachl wurde noch im vorigen Jahrhundert vertüncht, weil das Volk es gerne beschaute und über die „Herzogin von Meran“ unsaubere Reden führte. Der Ruf der Gräfin unterliegt indessen gegenwärtig einiger Reinigung. Hormayr nennt zwar die schöne Fürstin noch in neuester Zeit ein verliebtes Ungethüm, aber unter den treuen Tirolern findet sich wieder mancher Kämpe, der den Handschuh für sie aufnimmt. So ist schon im Jahre 1832 ein Ungenannter in den Beiträgen für Tirol und Vorarlberg aufgetreten und hat ihr einen natürlichen Sohn, mit dem sie bereits in vielen Büchern herumgezogen, glücklich wieder abgejagt. Den Schandfleck verdankte sie ihrem Schwager, Kaiser Karl IV. indem dieser in seiner selbstverfaßten Lebensbeschreibung von einem f. naturalis seiner Schwägerin spricht, welcher 1339 eine Verschwörung gegen Johann von Luxemburg angesponnen. Nun zeigt aber Anonymus, daß Margaretha nicht, wie andre angenommen, 1307, sondern 1318 geboren und daß daher der natürliche Sohn

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/307>, abgerufen am 23.11.2024.