Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

des obern Innthales, riesige Berge, hier weit oben noch mit einsamen Weilern besetzt, darüber mit Schnee bekränzt. Rechts steht auf ragendem Felsenkamm sehr trotzig und herausfordernd die Burg Laudeck, früher der Sitz der landesfürstlichen Pfleger, darnach ausgebrannt, jetzt verödet und verlassen - gelbbraunes Gemäuer mit starken Zinnen. Daneben liegt das Dorf Ladis und noch eine ziemliche Höhe über diesem zeigt sich die weiße Stirnseite des neuerbauten Badehauses von Obladis, das wir auch erklettern werden.

Ehe man noch die Prutzerbrücke erreicht, steht zur rechten eine Schrofenwand an der Straße, aus der eine Quelle hervorquillt. Es war um Mittag als ich dahinkam, der Tag sehr heiß, kein Wölkchen am Himmel. Die Felsenmauer gab etwas Schatten und in seine Kühle hatten sich mehrere Landleute zurückgezogen, um auszurasten. Ein ärmlicher Knabe ging mit einem Glase unter ihnen herum und gab ihnen zu trinken, wofür er je nach Umständen einige Pfennige oder einen Kreuzer bekam. Das Wasser aber, wenn man's versucht, ist ein angenehmer, kühlender Säuerling, sicherlich einer und derselben Quelle mit dem, der den Ruf des Bades zu Obladis begründet. Ich hatte meine stille Freude an dem prickelnden Wässerlein, das mir den Durst so liebreich löschte. Nicht gar so eingenommen dafür schien ein andrer Wanderer, welcher des Weges kam, ein ältlicher Landmann, der das Glas kopfschüttelnd zurückgab und seinen Stab weiter setzend laut vor sich hinseufzte: Ach hätt' ich doch an deiner Statt eine gute Halbe Wein! Ich ließ mich aber nicht irre machen, sondern trank das Glas noch öfter aus und behielt den Geschmack so fest im Sinne, daß ich Abends als ich den Brunnen von Obladis verkostete, allerdings recht deutlich spüren konnte, wie viel stärker und trefflicher dieser sey als jener an der Straße, der durch den langen Gang von der Höhe herab an seiner ursprünglichen Tugend viel verloren hat. Das soll aber Niemand hindern, auch diesem, der da so bequem am Wege sprudelt, seine Ehre zu lassen. Der Ladiser Sauerbrunnen wird indessen unter dem Namen Prutzerwasser bis gegen Innsbruck hinab verführt und ist im Oberinnthale fast in allen Wirthshäusern zu haben. Man

des obern Innthales, riesige Berge, hier weit oben noch mit einsamen Weilern besetzt, darüber mit Schnee bekränzt. Rechts steht auf ragendem Felsenkamm sehr trotzig und herausfordernd die Burg Laudeck, früher der Sitz der landesfürstlichen Pfleger, darnach ausgebrannt, jetzt verödet und verlassen – gelbbraunes Gemäuer mit starken Zinnen. Daneben liegt das Dorf Ladis und noch eine ziemliche Höhe über diesem zeigt sich die weiße Stirnseite des neuerbauten Badehauses von Obladis, das wir auch erklettern werden.

Ehe man noch die Prutzerbrücke erreicht, steht zur rechten eine Schrofenwand an der Straße, aus der eine Quelle hervorquillt. Es war um Mittag als ich dahinkam, der Tag sehr heiß, kein Wölkchen am Himmel. Die Felsenmauer gab etwas Schatten und in seine Kühle hatten sich mehrere Landleute zurückgezogen, um auszurasten. Ein ärmlicher Knabe ging mit einem Glase unter ihnen herum und gab ihnen zu trinken, wofür er je nach Umständen einige Pfennige oder einen Kreuzer bekam. Das Wasser aber, wenn man’s versucht, ist ein angenehmer, kühlender Säuerling, sicherlich einer und derselben Quelle mit dem, der den Ruf des Bades zu Obladis begründet. Ich hatte meine stille Freude an dem prickelnden Wässerlein, das mir den Durst so liebreich löschte. Nicht gar so eingenommen dafür schien ein andrer Wanderer, welcher des Weges kam, ein ältlicher Landmann, der das Glas kopfschüttelnd zurückgab und seinen Stab weiter setzend laut vor sich hinseufzte: Ach hätt’ ich doch an deiner Statt eine gute Halbe Wein! Ich ließ mich aber nicht irre machen, sondern trank das Glas noch öfter aus und behielt den Geschmack so fest im Sinne, daß ich Abends als ich den Brunnen von Obladis verkostete, allerdings recht deutlich spüren konnte, wie viel stärker und trefflicher dieser sey als jener an der Straße, der durch den langen Gang von der Höhe herab an seiner ursprünglichen Tugend viel verloren hat. Das soll aber Niemand hindern, auch diesem, der da so bequem am Wege sprudelt, seine Ehre zu lassen. Der Ladiser Sauerbrunnen wird indessen unter dem Namen Prutzerwasser bis gegen Innsbruck hinab verführt und ist im Oberinnthale fast in allen Wirthshäusern zu haben. Man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="255"/>
des obern Innthales, riesige Berge, hier weit oben noch mit einsamen Weilern besetzt, darüber mit Schnee bekränzt. Rechts steht auf ragendem Felsenkamm sehr trotzig und herausfordernd die Burg Laudeck, früher der Sitz der landesfürstlichen Pfleger, darnach ausgebrannt, jetzt verödet und verlassen &#x2013; gelbbraunes Gemäuer mit starken Zinnen. Daneben liegt das Dorf Ladis und noch eine ziemliche Höhe über diesem zeigt sich die weiße Stirnseite des neuerbauten Badehauses von Obladis, das wir auch erklettern werden.</p>
        <p>Ehe man noch die Prutzerbrücke erreicht, steht zur rechten eine Schrofenwand an der Straße, aus der eine Quelle hervorquillt. Es war um Mittag als ich dahinkam, der Tag sehr heiß, kein Wölkchen am Himmel. Die Felsenmauer gab etwas Schatten und in seine Kühle hatten sich mehrere Landleute zurückgezogen, um auszurasten. Ein ärmlicher Knabe ging mit einem Glase unter ihnen herum und gab ihnen zu trinken, wofür er je nach Umständen einige Pfennige oder einen Kreuzer bekam. Das Wasser aber, wenn man&#x2019;s versucht, ist ein angenehmer, kühlender Säuerling, sicherlich einer und derselben Quelle mit dem, der den Ruf des Bades zu Obladis begründet. Ich hatte meine stille Freude an dem prickelnden Wässerlein, das mir den Durst so liebreich löschte. Nicht gar so eingenommen dafür schien ein andrer Wanderer, welcher des Weges kam, ein ältlicher Landmann, der das Glas kopfschüttelnd zurückgab und seinen Stab weiter setzend laut vor sich hinseufzte: Ach hätt&#x2019; ich doch an deiner Statt eine gute Halbe Wein! Ich ließ mich aber nicht irre machen, sondern trank das Glas noch öfter aus und behielt den Geschmack so fest im Sinne, daß ich Abends als ich den Brunnen von Obladis verkostete, allerdings recht deutlich spüren konnte, wie viel stärker und trefflicher dieser sey als jener an der Straße, der durch den langen Gang von der Höhe herab an seiner ursprünglichen Tugend viel verloren hat. Das soll aber Niemand hindern, auch diesem, der da so bequem am Wege sprudelt, seine Ehre zu lassen. Der Ladiser Sauerbrunnen wird indessen unter dem Namen Prutzerwasser bis gegen Innsbruck hinab verführt und ist im Oberinnthale fast in allen Wirthshäusern zu haben. Man
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0259] des obern Innthales, riesige Berge, hier weit oben noch mit einsamen Weilern besetzt, darüber mit Schnee bekränzt. Rechts steht auf ragendem Felsenkamm sehr trotzig und herausfordernd die Burg Laudeck, früher der Sitz der landesfürstlichen Pfleger, darnach ausgebrannt, jetzt verödet und verlassen – gelbbraunes Gemäuer mit starken Zinnen. Daneben liegt das Dorf Ladis und noch eine ziemliche Höhe über diesem zeigt sich die weiße Stirnseite des neuerbauten Badehauses von Obladis, das wir auch erklettern werden. Ehe man noch die Prutzerbrücke erreicht, steht zur rechten eine Schrofenwand an der Straße, aus der eine Quelle hervorquillt. Es war um Mittag als ich dahinkam, der Tag sehr heiß, kein Wölkchen am Himmel. Die Felsenmauer gab etwas Schatten und in seine Kühle hatten sich mehrere Landleute zurückgezogen, um auszurasten. Ein ärmlicher Knabe ging mit einem Glase unter ihnen herum und gab ihnen zu trinken, wofür er je nach Umständen einige Pfennige oder einen Kreuzer bekam. Das Wasser aber, wenn man’s versucht, ist ein angenehmer, kühlender Säuerling, sicherlich einer und derselben Quelle mit dem, der den Ruf des Bades zu Obladis begründet. Ich hatte meine stille Freude an dem prickelnden Wässerlein, das mir den Durst so liebreich löschte. Nicht gar so eingenommen dafür schien ein andrer Wanderer, welcher des Weges kam, ein ältlicher Landmann, der das Glas kopfschüttelnd zurückgab und seinen Stab weiter setzend laut vor sich hinseufzte: Ach hätt’ ich doch an deiner Statt eine gute Halbe Wein! Ich ließ mich aber nicht irre machen, sondern trank das Glas noch öfter aus und behielt den Geschmack so fest im Sinne, daß ich Abends als ich den Brunnen von Obladis verkostete, allerdings recht deutlich spüren konnte, wie viel stärker und trefflicher dieser sey als jener an der Straße, der durch den langen Gang von der Höhe herab an seiner ursprünglichen Tugend viel verloren hat. Das soll aber Niemand hindern, auch diesem, der da so bequem am Wege sprudelt, seine Ehre zu lassen. Der Ladiser Sauerbrunnen wird indessen unter dem Namen Prutzerwasser bis gegen Innsbruck hinab verführt und ist im Oberinnthale fast in allen Wirthshäusern zu haben. Man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/259
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/259>, abgerufen am 23.11.2024.