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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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im Dorfe geheirathet. Ohne Zweifel ist sie aus einer alten heidnischen Frühlingsfeier hervorgegangen. Dr. Zangerl hat von solchen Sitten und Gebräuchen noch Mehreres gesammelt, worüber wir jedoch auf seinen Aufsatz verweisen. Oeffentliche Belustigungen in Wirthshäusern, sagt er ebenda, mit Gesang, Musik und Tanz kommen nur zuweilen bei Hochzeiten vor und manchmal an Kirchweihen oder sonstigen außergewöhnlichen Festen. Der fromme Klerus, die Armuth und Frugalität des Volkes ließen sie nie emporkommen; daher auch die Paznauner in jenen Künsten ihren übrigen Landsleuten weit nachstehen.

Geistergeschichten werden auch behandelt, aber mit wenig Ausführlichkeit. Ehemals soll bei der Pardatscher Capelle jede Nacht ein gesatteltes Pferd gestanden seyn, auf welchem die Junggesellen durch Wind und Wetter zu ihren Liebhaberinnen, den Senninen auf den Almen reiten konnten. Ob der Gaul viel benützt worden, sagt die Chronik nicht. Bei dem Ritt ging wohl die Seele verloren, - doch schweigt die Sammlung auch hierüber.

Bei Galthür zieht sich das Jamerthal, bei Ischgl das Fimbathal rechter Hand, weit hinein in die Berge, um oben an den Gletschern zu enden. Beide, zumal letzteres, sind mit üppigen Wiesen gesegnet, mit vielen Almhütten geschmückt. Dort in der abgeschlossenen weiten Alpenwelt muß wohl manche Sage leben, mancher Alpgeist spuken. Eine Geschichte wenigstens erzählt auch die Sammlung. In Fimba ließ sich einst bei der Hirtenhütte zu Nachts Jemand mit lautem Anklopfen vernehmen, aber als man Herein gerufen, war Niemand zu sehen. Da sagte der Großhirt zu seinem jüngern Gehülfen: der Alpbutz hat sich angemeldet und will jetzt sein Quartier beziehen. Frühmorgen fahren wir nach Hause, es kommt der Schnee. Am Morgen fuhren sie nach Hause, am Abend waren alle Höhen beschneit. - Also auch hier derselbe pochende klopfende Hausgeist mit demselben Namen, unter dem er bis an die Eider hinab bekannt ist. *)

*) Grimms deutsche Mythologie. Zweite Ausgabe. S. 474.

im Dorfe geheirathet. Ohne Zweifel ist sie aus einer alten heidnischen Frühlingsfeier hervorgegangen. Dr. Zangerl hat von solchen Sitten und Gebräuchen noch Mehreres gesammelt, worüber wir jedoch auf seinen Aufsatz verweisen. Oeffentliche Belustigungen in Wirthshäusern, sagt er ebenda, mit Gesang, Musik und Tanz kommen nur zuweilen bei Hochzeiten vor und manchmal an Kirchweihen oder sonstigen außergewöhnlichen Festen. Der fromme Klerus, die Armuth und Frugalität des Volkes ließen sie nie emporkommen; daher auch die Paznauner in jenen Künsten ihren übrigen Landsleuten weit nachstehen.

Geistergeschichten werden auch behandelt, aber mit wenig Ausführlichkeit. Ehemals soll bei der Pardatscher Capelle jede Nacht ein gesatteltes Pferd gestanden seyn, auf welchem die Junggesellen durch Wind und Wetter zu ihren Liebhaberinnen, den Senninen auf den Almen reiten konnten. Ob der Gaul viel benützt worden, sagt die Chronik nicht. Bei dem Ritt ging wohl die Seele verloren, – doch schweigt die Sammlung auch hierüber.

Bei Galthür zieht sich das Jamerthal, bei Ischgl das Fimbathal rechter Hand, weit hinein in die Berge, um oben an den Gletschern zu enden. Beide, zumal letzteres, sind mit üppigen Wiesen gesegnet, mit vielen Almhütten geschmückt. Dort in der abgeschlossenen weiten Alpenwelt muß wohl manche Sage leben, mancher Alpgeist spuken. Eine Geschichte wenigstens erzählt auch die Sammlung. In Fimba ließ sich einst bei der Hirtenhütte zu Nachts Jemand mit lautem Anklopfen vernehmen, aber als man Herein gerufen, war Niemand zu sehen. Da sagte der Großhirt zu seinem jüngern Gehülfen: der Alpbutz hat sich angemeldet und will jetzt sein Quartier beziehen. Frühmorgen fahren wir nach Hause, es kommt der Schnee. Am Morgen fuhren sie nach Hause, am Abend waren alle Höhen beschneit. – Also auch hier derselbe pochende klopfende Hausgeist mit demselben Namen, unter dem er bis an die Eider hinab bekannt ist. *)

*) Grimms deutsche Mythologie. Zweite Ausgabe. S. 474.
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        <p>Bei Galthür zieht sich das Jamerthal, bei Ischgl das Fimbathal rechter Hand, weit hinein in die Berge, um oben an den Gletschern zu enden. Beide, zumal letzteres, sind mit üppigen Wiesen gesegnet, mit vielen Almhütten geschmückt. Dort in der abgeschlossenen weiten Alpenwelt muß wohl manche Sage leben, mancher Alpgeist spuken. Eine Geschichte wenigstens erzählt auch die Sammlung. In Fimba ließ sich einst bei der Hirtenhütte zu Nachts Jemand mit lautem Anklopfen vernehmen, aber als man Herein gerufen, war Niemand zu sehen. Da sagte der Großhirt zu seinem jüngern Gehülfen: der Alpbutz hat sich angemeldet und will jetzt sein Quartier beziehen. Frühmorgen fahren wir nach Hause, es kommt der Schnee. Am Morgen fuhren sie nach Hause, am Abend waren alle Höhen beschneit. &#x2013; Also auch hier derselbe pochende klopfende Hausgeist mit demselben Namen, unter dem er bis an die Eider hinab bekannt ist. <note place="foot" n="*)">Grimms deutsche Mythologie. Zweite Ausgabe. S. 474.</note></p>
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[136/0141] im Dorfe geheirathet. Ohne Zweifel ist sie aus einer alten heidnischen Frühlingsfeier hervorgegangen. Dr. Zangerl hat von solchen Sitten und Gebräuchen noch Mehreres gesammelt, worüber wir jedoch auf seinen Aufsatz verweisen. Oeffentliche Belustigungen in Wirthshäusern, sagt er ebenda, mit Gesang, Musik und Tanz kommen nur zuweilen bei Hochzeiten vor und manchmal an Kirchweihen oder sonstigen außergewöhnlichen Festen. Der fromme Klerus, die Armuth und Frugalität des Volkes ließen sie nie emporkommen; daher auch die Paznauner in jenen Künsten ihren übrigen Landsleuten weit nachstehen. Geistergeschichten werden auch behandelt, aber mit wenig Ausführlichkeit. Ehemals soll bei der Pardatscher Capelle jede Nacht ein gesatteltes Pferd gestanden seyn, auf welchem die Junggesellen durch Wind und Wetter zu ihren Liebhaberinnen, den Senninen auf den Almen reiten konnten. Ob der Gaul viel benützt worden, sagt die Chronik nicht. Bei dem Ritt ging wohl die Seele verloren, – doch schweigt die Sammlung auch hierüber. Bei Galthür zieht sich das Jamerthal, bei Ischgl das Fimbathal rechter Hand, weit hinein in die Berge, um oben an den Gletschern zu enden. Beide, zumal letzteres, sind mit üppigen Wiesen gesegnet, mit vielen Almhütten geschmückt. Dort in der abgeschlossenen weiten Alpenwelt muß wohl manche Sage leben, mancher Alpgeist spuken. Eine Geschichte wenigstens erzählt auch die Sammlung. In Fimba ließ sich einst bei der Hirtenhütte zu Nachts Jemand mit lautem Anklopfen vernehmen, aber als man Herein gerufen, war Niemand zu sehen. Da sagte der Großhirt zu seinem jüngern Gehülfen: der Alpbutz hat sich angemeldet und will jetzt sein Quartier beziehen. Frühmorgen fahren wir nach Hause, es kommt der Schnee. Am Morgen fuhren sie nach Hause, am Abend waren alle Höhen beschneit. – Also auch hier derselbe pochende klopfende Hausgeist mit demselben Namen, unter dem er bis an die Eider hinab bekannt ist. *) *) Grimms deutsche Mythologie. Zweite Ausgabe. S. 474.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/141>, abgerufen am 23.11.2024.