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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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von den Gletschern des Berner Oberlandes über die Gipfel des Rhätico und die Ferner des Oetzthales bis zu den nähern Schneebergen, die aus dem Land der Walser ragen, und den höchsten Höhen des Allgaus, die klein und kindlich dastehen gegenüber den ungeheuern Vätern im rhätischen Hochlande - von der Jungfrau also bis zum Pfänder, der ober Lindau aufsteigt, keine Lücke in dieser Krone von Bergen und nur der Unterschied, daß die innern, die Schweizer und Tiroler, sämmtlich mit Silber beschlagen, die äußern, die Allgauer, mit smaragdenem Grün überlegt sind. Steil unter der Spitze liegt das Dörfchen Mellau an der Ache und an dieser hin die schmalen Thalgaue des Bregenzerwaldes, eingeschlossen von weidereichen Höhen und über den Wald hinaus liegt der Bodensee, und alle die Städte und Flecken, die das schwäbische Meer bespült, winken weiß und zierlich herauf. Auf der Schweizer Seite des Sees sind die Gebirge von Appenzell und St. Gallen mit ihren Bergstädten und drüber hin das hügelige Flachland der Eidgenossenschaft und am fernen Rande der blaue Jura zu sehen. Dagegen hebt vom deutschen Ufer die schwäbische Ebene an und breitet sich mit weißen Pünktchen durchsäet maßlos dahin bis zum Bussen und zum kaiserlichen Hohenstaufen und zum Schwarzwald, ja sogar die elsässischen Vogesen dämmern über diesem auf in der ungeheuern Ferne.

Und nun bieten wir denn auch Damils unsern Abschiedsgruß. Hieher ins uralte Walserdorf laden wir den ein, der da lernen will was man unter einem abgeschiedenen Alpenleben versteht. Da dreht sich alles um Gottesdienst und Tageswerk, und dieß selbst kennt keinen andern Wechsel als Arbeit in den Hütten und Arbeit auf den nahen Wiesen. Kriegsläufte und Zeitbegebenheiten, die ganze Reiche umstürzen, hallen nur undeutlich herauf, und das geräuschvollste Ding in der Runde ist das Meßglöcklein das im Kirchenthurm hängt. Der Lebenslauf scheidet sich in die Langweile der endlosen Schneezeit und die kargen Freuden des winterlichen Sommers. Grün und lachend sind zwar im Sonnenschein die Matten, freundlich grüßt das Jodeln der Sennen von den Höhen und

von den Gletschern des Berner Oberlandes über die Gipfel des Rhätico und die Ferner des Oetzthales bis zu den nähern Schneebergen, die aus dem Land der Walser ragen, und den höchsten Höhen des Allgaus, die klein und kindlich dastehen gegenüber den ungeheuern Vätern im rhätischen Hochlande – von der Jungfrau also bis zum Pfänder, der ober Lindau aufsteigt, keine Lücke in dieser Krone von Bergen und nur der Unterschied, daß die innern, die Schweizer und Tiroler, sämmtlich mit Silber beschlagen, die äußern, die Allgauer, mit smaragdenem Grün überlegt sind. Steil unter der Spitze liegt das Dörfchen Mellau an der Ache und an dieser hin die schmalen Thalgaue des Bregenzerwaldes, eingeschlossen von weidereichen Höhen und über den Wald hinaus liegt der Bodensee, und alle die Städte und Flecken, die das schwäbische Meer bespült, winken weiß und zierlich herauf. Auf der Schweizer Seite des Sees sind die Gebirge von Appenzell und St. Gallen mit ihren Bergstädten und drüber hin das hügelige Flachland der Eidgenossenschaft und am fernen Rande der blaue Jura zu sehen. Dagegen hebt vom deutschen Ufer die schwäbische Ebene an und breitet sich mit weißen Pünktchen durchsäet maßlos dahin bis zum Bussen und zum kaiserlichen Hohenstaufen und zum Schwarzwald, ja sogar die elsässischen Vogesen dämmern über diesem auf in der ungeheuern Ferne.

Und nun bieten wir denn auch Damils unsern Abschiedsgruß. Hieher ins uralte Walserdorf laden wir den ein, der da lernen will was man unter einem abgeschiedenen Alpenleben versteht. Da dreht sich alles um Gottesdienst und Tageswerk, und dieß selbst kennt keinen andern Wechsel als Arbeit in den Hütten und Arbeit auf den nahen Wiesen. Kriegsläufte und Zeitbegebenheiten, die ganze Reiche umstürzen, hallen nur undeutlich herauf, und das geräuschvollste Ding in der Runde ist das Meßglöcklein das im Kirchenthurm hängt. Der Lebenslauf scheidet sich in die Langweile der endlosen Schneezeit und die kargen Freuden des winterlichen Sommers. Grün und lachend sind zwar im Sonnenschein die Matten, freundlich grüßt das Jodeln der Sennen von den Höhen und

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[99/0104] von den Gletschern des Berner Oberlandes über die Gipfel des Rhätico und die Ferner des Oetzthales bis zu den nähern Schneebergen, die aus dem Land der Walser ragen, und den höchsten Höhen des Allgaus, die klein und kindlich dastehen gegenüber den ungeheuern Vätern im rhätischen Hochlande – von der Jungfrau also bis zum Pfänder, der ober Lindau aufsteigt, keine Lücke in dieser Krone von Bergen und nur der Unterschied, daß die innern, die Schweizer und Tiroler, sämmtlich mit Silber beschlagen, die äußern, die Allgauer, mit smaragdenem Grün überlegt sind. Steil unter der Spitze liegt das Dörfchen Mellau an der Ache und an dieser hin die schmalen Thalgaue des Bregenzerwaldes, eingeschlossen von weidereichen Höhen und über den Wald hinaus liegt der Bodensee, und alle die Städte und Flecken, die das schwäbische Meer bespült, winken weiß und zierlich herauf. Auf der Schweizer Seite des Sees sind die Gebirge von Appenzell und St. Gallen mit ihren Bergstädten und drüber hin das hügelige Flachland der Eidgenossenschaft und am fernen Rande der blaue Jura zu sehen. Dagegen hebt vom deutschen Ufer die schwäbische Ebene an und breitet sich mit weißen Pünktchen durchsäet maßlos dahin bis zum Bussen und zum kaiserlichen Hohenstaufen und zum Schwarzwald, ja sogar die elsässischen Vogesen dämmern über diesem auf in der ungeheuern Ferne. Und nun bieten wir denn auch Damils unsern Abschiedsgruß. Hieher ins uralte Walserdorf laden wir den ein, der da lernen will was man unter einem abgeschiedenen Alpenleben versteht. Da dreht sich alles um Gottesdienst und Tageswerk, und dieß selbst kennt keinen andern Wechsel als Arbeit in den Hütten und Arbeit auf den nahen Wiesen. Kriegsläufte und Zeitbegebenheiten, die ganze Reiche umstürzen, hallen nur undeutlich herauf, und das geräuschvollste Ding in der Runde ist das Meßglöcklein das im Kirchenthurm hängt. Der Lebenslauf scheidet sich in die Langweile der endlosen Schneezeit und die kargen Freuden des winterlichen Sommers. Grün und lachend sind zwar im Sonnenschein die Matten, freundlich grüßt das Jodeln der Sennen von den Höhen und

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/104>, abgerufen am 23.11.2024.