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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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verschwinden auch die Dialekte der Nebenthäler in denen der Hauptthäler. So hat ja auch schon Bergmann berichtet, wie in Rüfensberg, der äußersten Pfarre des vordern Bregenzerwaldes, gegen Staufen hin, Kleidung und Mundart zugleich dem fremden Einflusse erliegen; so haben vor mehreren Jahrzehnten Zillerthaler und Zillerthalerinnen nicht allein sich duxerisch gekleidet, sondern gewiß auch duxerisch gesprochen u. s. w. Ueberdieß ist das Volk gar nicht so ganz ohne Eitelkeit in Bezug auf seinen Dialekt; die Hauptthäler streiten mit einander, welches die "feinere" Sprache habe, von den Nebenthälern wirft eines dem andern vor, daß es so grob, "gar so viel grob" daherrede. Deßwegen denn wohl auch ein Streben der rauhern Dialekte sich den feinern anzuschließen, welches die Schule unterstützt. Nun ist es aber nach dem Obigen mehr als wahrscheinlich daß die Damilser vor Jahren einen gröbern Dialekt geführt und diesen dann mit dem feinern jetzigen vertauscht, und insofern - freilich nur insofern - kann es immer noch erlaubt seyn, von der altdamilserischen Sprache zu reden. Allerdings bleibt dabei der Zweifel frei, ob noch Jemand vorhanden, der sie jetzt noch, ganz so wie sie gewesen, von sich geben könnte.

Auf dem Friedhof von Damils sieht der Wanderer, wenn er gegen Mitternacht schaut, eine sanft ansteigende lange Halde, baumlos, aber mit vielen Heimathen besetzt. Da wo diese grüne Fläche am Horizonte abbricht, steigt aus ihr ein Felsenkegel empor, der die Mittagsspitze oder mit einem schon oben erwähnten Namen der Tristen heißt. Der Weg bis an den Fuß desselben läßt sich in anderthalb Stunden zurücklegen und ist bequem und anmuthig; die steilen Seiten des Kofels aber, der etwa ein halbtausend Fuß hoch seyn mag - seine Höhe über dem Meere beträgt 6600 Wiener Fuß - sind pfadlos und mit schlüpfrigem Grase bewachsen. Der Erklimmer der Spitze genießt eine unermeßliche Aussicht. Es ist ein wunderherrlicher Anblick, wenn die ersten Strahlen der Morgensonne auf den Kranz von glänzenden Fernern fallen, die mit ewigem Eis und Schnee bekleidet, schroff und unnahbar, stolz und schweigend in die blauen Lüfte steigen. In der langen Runde

verschwinden auch die Dialekte der Nebenthäler in denen der Hauptthäler. So hat ja auch schon Bergmann berichtet, wie in Rüfensberg, der äußersten Pfarre des vordern Bregenzerwaldes, gegen Staufen hin, Kleidung und Mundart zugleich dem fremden Einflusse erliegen; so haben vor mehreren Jahrzehnten Zillerthaler und Zillerthalerinnen nicht allein sich duxerisch gekleidet, sondern gewiß auch duxerisch gesprochen u. s. w. Ueberdieß ist das Volk gar nicht so ganz ohne Eitelkeit in Bezug auf seinen Dialekt; die Hauptthäler streiten mit einander, welches die „feinere" Sprache habe, von den Nebenthälern wirft eines dem andern vor, daß es so grob, „gar so viel grob" daherrede. Deßwegen denn wohl auch ein Streben der rauhern Dialekte sich den feinern anzuschließen, welches die Schule unterstützt. Nun ist es aber nach dem Obigen mehr als wahrscheinlich daß die Damilser vor Jahren einen gröbern Dialekt geführt und diesen dann mit dem feinern jetzigen vertauscht, und insofern – freilich nur insofern – kann es immer noch erlaubt seyn, von der altdamilserischen Sprache zu reden. Allerdings bleibt dabei der Zweifel frei, ob noch Jemand vorhanden, der sie jetzt noch, ganz so wie sie gewesen, von sich geben könnte.

Auf dem Friedhof von Damils sieht der Wanderer, wenn er gegen Mitternacht schaut, eine sanft ansteigende lange Halde, baumlos, aber mit vielen Heimathen besetzt. Da wo diese grüne Fläche am Horizonte abbricht, steigt aus ihr ein Felsenkegel empor, der die Mittagsspitze oder mit einem schon oben erwähnten Namen der Tristen heißt. Der Weg bis an den Fuß desselben läßt sich in anderthalb Stunden zurücklegen und ist bequem und anmuthig; die steilen Seiten des Kofels aber, der etwa ein halbtausend Fuß hoch seyn mag – seine Höhe über dem Meere beträgt 6600 Wiener Fuß – sind pfadlos und mit schlüpfrigem Grase bewachsen. Der Erklimmer der Spitze genießt eine unermeßliche Aussicht. Es ist ein wunderherrlicher Anblick, wenn die ersten Strahlen der Morgensonne auf den Kranz von glänzenden Fernern fallen, die mit ewigem Eis und Schnee bekleidet, schroff und unnahbar, stolz und schweigend in die blauen Lüfte steigen. In der langen Runde

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verschwinden auch die Dialekte der Nebenthäler in denen der Hauptthäler. So hat ja auch schon Bergmann berichtet, wie in Rüfensberg, der äußersten Pfarre des vordern Bregenzerwaldes, gegen Staufen hin, Kleidung und Mundart zugleich dem fremden Einflusse erliegen; so haben vor mehreren Jahrzehnten Zillerthaler und Zillerthalerinnen nicht allein sich duxerisch gekleidet, sondern gewiß auch duxerisch gesprochen u. s. w. Ueberdieß ist das Volk gar nicht so ganz ohne Eitelkeit in Bezug auf seinen Dialekt; die Hauptthäler streiten mit einander, welches die &#x201E;feinere" Sprache habe, von den Nebenthälern wirft eines dem andern vor, daß es so grob, &#x201E;gar so viel grob" daherrede. Deßwegen denn wohl auch ein Streben der rauhern Dialekte sich den feinern anzuschließen, welches die Schule unterstützt. Nun ist es aber nach dem Obigen mehr als wahrscheinlich daß die Damilser vor Jahren einen gröbern Dialekt geführt und diesen dann mit dem feinern jetzigen vertauscht, und insofern &#x2013; freilich nur insofern &#x2013; kann es immer noch erlaubt seyn, von der altdamilserischen Sprache zu reden. Allerdings bleibt dabei der Zweifel frei, ob noch Jemand vorhanden, der sie jetzt noch, ganz so wie sie gewesen, von sich geben könnte.</p>
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[98/0103] verschwinden auch die Dialekte der Nebenthäler in denen der Hauptthäler. So hat ja auch schon Bergmann berichtet, wie in Rüfensberg, der äußersten Pfarre des vordern Bregenzerwaldes, gegen Staufen hin, Kleidung und Mundart zugleich dem fremden Einflusse erliegen; so haben vor mehreren Jahrzehnten Zillerthaler und Zillerthalerinnen nicht allein sich duxerisch gekleidet, sondern gewiß auch duxerisch gesprochen u. s. w. Ueberdieß ist das Volk gar nicht so ganz ohne Eitelkeit in Bezug auf seinen Dialekt; die Hauptthäler streiten mit einander, welches die „feinere" Sprache habe, von den Nebenthälern wirft eines dem andern vor, daß es so grob, „gar so viel grob" daherrede. Deßwegen denn wohl auch ein Streben der rauhern Dialekte sich den feinern anzuschließen, welches die Schule unterstützt. Nun ist es aber nach dem Obigen mehr als wahrscheinlich daß die Damilser vor Jahren einen gröbern Dialekt geführt und diesen dann mit dem feinern jetzigen vertauscht, und insofern – freilich nur insofern – kann es immer noch erlaubt seyn, von der altdamilserischen Sprache zu reden. Allerdings bleibt dabei der Zweifel frei, ob noch Jemand vorhanden, der sie jetzt noch, ganz so wie sie gewesen, von sich geben könnte. Auf dem Friedhof von Damils sieht der Wanderer, wenn er gegen Mitternacht schaut, eine sanft ansteigende lange Halde, baumlos, aber mit vielen Heimathen besetzt. Da wo diese grüne Fläche am Horizonte abbricht, steigt aus ihr ein Felsenkegel empor, der die Mittagsspitze oder mit einem schon oben erwähnten Namen der Tristen heißt. Der Weg bis an den Fuß desselben läßt sich in anderthalb Stunden zurücklegen und ist bequem und anmuthig; die steilen Seiten des Kofels aber, der etwa ein halbtausend Fuß hoch seyn mag – seine Höhe über dem Meere beträgt 6600 Wiener Fuß – sind pfadlos und mit schlüpfrigem Grase bewachsen. Der Erklimmer der Spitze genießt eine unermeßliche Aussicht. Es ist ein wunderherrlicher Anblick, wenn die ersten Strahlen der Morgensonne auf den Kranz von glänzenden Fernern fallen, die mit ewigem Eis und Schnee bekleidet, schroff und unnahbar, stolz und schweigend in die blauen Lüfte steigen. In der langen Runde

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/103>, abgerufen am 23.11.2024.