körperlich, mechanisch, im Centralorgan. Eine Wirkung der Seele ist hier nicht sichtbar. Es ist auch gleichgültig, ob der Schrei auf einen Schlag von außen erfolgt, oder auf einen Schmerz, der rein innerlich im Leibe entstanden ist. Wo die Seele nicht wirkt, kann keine Sprache sein. Es entstehen nun aber auch Gefühle, die dem Leibe von der Seele her zukom- men. Sie wirken im Allgemeinen schwächer auf denselben, als körperliche Gefühle, und ihre körperlichen Ausbrüche sind sanf- ter, zarter; wiewohl wir nicht übersehen, daß ein Seelenschmerz oft genug den Körper in das erschütterndste Leiden und die heftigsten Ausbrüche versetzt. Die sanftesten der hierbei aus- gestoßenen Töne werden von der Sprache schon aufgenommen als das untergeordnete Element der Interjectionen. Nun giebt es aber Gefühle, die nichts oder nur wenig mit Lust und Un- lust zu thun haben, wie Verwunderung, Ueberlegenheit, Spott u. s. w. Diese vorzüglich liefern der Sprache Interjectionen. Die Interjectionen bilden jedoch noch keinen Redetheil. Sie ragen aus einer überwundenen Stufe in die Sprache hinein. Ungebildete haben deren mehr als Gebildete, die südlichen Völ- ker mehr als die nördlichen.
Wenn bei den rein körperlichen Gefühlen und ihrem Aus- drucke in pathologischen Tönen nichts von innerer Sprachform auftritt, weil zwischen Gefühl und Laut bloß der physiologisch causale Mechanismus liegt; wenn auch bei Seelenschmerz und Seelenlust Bedeutung und Aeußerung durch ein bloßes Natur- band an einander geknüpft sind: so tritt bei den zuletzt ge- nannten Gefühlen, die einen viel bestimmtern Inhalt haben, als Schmerz und Lust überhaupt, auch schon zugleich etwas von innerer Sprachform auf, ein Analogon, ein Vorbild derselben. Zwischen einem Kitzel oder einem Witz und dem Lachen, zwi- schen dem Gedanken an einen Verlust und dem Seufzen ist kein deutbarer Zusammenhang, keine innere Sprachform. Wenn man aber vor Verwunderung ah! ausruft, so fühlt man einen Zusammenhang: die Seele wird von einem unerwarteten An- blicke betroffen; die neue Anschauung findet in dem Vorrathe der früher gehabten Anschauungen keine, an welche sie sich anschließt; alles, was in der Seele liegt, wird also zurückge- drängt, die neue Anschauung nimmt ganz allein das ganze Be- wußtsein ein und will sich darin behaupten. Bei so starker plötzlicher Veränderung im Bewußtsein leidet die Seele und
körperlich, mechanisch, im Centralorgan. Eine Wirkung der Seele ist hier nicht sichtbar. Es ist auch gleichgültig, ob der Schrei auf einen Schlag von außen erfolgt, oder auf einen Schmerz, der rein innerlich im Leibe entstanden ist. Wo die Seele nicht wirkt, kann keine Sprache sein. Es entstehen nun aber auch Gefühle, die dem Leibe von der Seele her zukom- men. Sie wirken im Allgemeinen schwächer auf denselben, als körperliche Gefühle, und ihre körperlichen Ausbrüche sind sanf- ter, zarter; wiewohl wir nicht übersehen, daß ein Seelenschmerz oft genug den Körper in das erschütterndste Leiden und die heftigsten Ausbrüche versetzt. Die sanftesten der hierbei aus- gestoßenen Töne werden von der Sprache schon aufgenommen als das untergeordnete Element der Interjectionen. Nun giebt es aber Gefühle, die nichts oder nur wenig mit Lust und Un- lust zu thun haben, wie Verwunderung, Ueberlegenheit, Spott u. s. w. Diese vorzüglich liefern der Sprache Interjectionen. Die Interjectionen bilden jedoch noch keinen Redetheil. Sie ragen aus einer überwundenen Stufe in die Sprache hinein. Ungebildete haben deren mehr als Gebildete, die südlichen Völ- ker mehr als die nördlichen.
Wenn bei den rein körperlichen Gefühlen und ihrem Aus- drucke in pathologischen Tönen nichts von innerer Sprachform auftritt, weil zwischen Gefühl und Laut bloß der physiologisch causale Mechanismus liegt; wenn auch bei Seelenschmerz und Seelenlust Bedeutung und Aeußerung durch ein bloßes Natur- band an einander geknüpft sind: so tritt bei den zuletzt ge- nannten Gefühlen, die einen viel bestimmtern Inhalt haben, als Schmerz und Lust überhaupt, auch schon zugleich etwas von innerer Sprachform auf, ein Analogon, ein Vorbild derselben. Zwischen einem Kitzel oder einem Witz und dem Lachen, zwi- schen dem Gedanken an einen Verlust und dem Seufzen ist kein deutbarer Zusammenhang, keine innere Sprachform. Wenn man aber vor Verwunderung ah! ausruft, so fühlt man einen Zusammenhang: die Seele wird von einem unerwarteten An- blicke betroffen; die neue Anschauung findet in dem Vorrathe der früher gehabten Anschauungen keine, an welche sie sich anschließt; alles, was in der Seele liegt, wird also zurückge- drängt, die neue Anschauung nimmt ganz allein das ganze Be- wußtsein ein und will sich darin behaupten. Bei so starker plötzlicher Veränderung im Bewußtsein leidet die Seele und
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körperlich, mechanisch, im Centralorgan. Eine Wirkung der
Seele ist hier nicht sichtbar. Es ist auch gleichgültig, ob der
Schrei auf einen Schlag von außen erfolgt, oder auf einen
Schmerz, der rein innerlich im Leibe entstanden ist. Wo die
Seele nicht wirkt, kann keine Sprache sein. Es entstehen nun
aber auch Gefühle, die dem Leibe von der Seele her zukom-
men. Sie wirken im Allgemeinen schwächer auf denselben, als
körperliche Gefühle, und ihre körperlichen Ausbrüche sind sanf-
ter, zarter; wiewohl wir nicht übersehen, daß ein Seelenschmerz
oft genug den Körper in das erschütterndste Leiden und die
heftigsten Ausbrüche versetzt. Die sanftesten der hierbei aus-
gestoßenen Töne werden von der Sprache schon aufgenommen
als das untergeordnete Element der Interjectionen. Nun giebt
es aber Gefühle, die nichts oder nur wenig mit Lust und Un-
lust zu thun haben, wie Verwunderung, Ueberlegenheit, Spott
u. s. w. Diese vorzüglich liefern der Sprache Interjectionen.
Die Interjectionen bilden jedoch noch keinen Redetheil. Sie
ragen aus einer überwundenen Stufe in die Sprache hinein.
Ungebildete haben deren mehr als Gebildete, die südlichen Völ-
ker mehr als die nördlichen.
Wenn bei den rein körperlichen Gefühlen und ihrem Aus-
drucke in pathologischen Tönen nichts von innerer Sprachform
auftritt, weil zwischen Gefühl und Laut bloß der physiologisch
causale Mechanismus liegt; wenn auch bei Seelenschmerz und
Seelenlust Bedeutung und Aeußerung durch ein bloßes Natur-
band an einander geknüpft sind: so tritt bei den zuletzt ge-
nannten Gefühlen, die einen viel bestimmtern Inhalt haben, als
Schmerz und Lust überhaupt, auch schon zugleich etwas von
innerer Sprachform auf, ein Analogon, ein Vorbild derselben.
Zwischen einem Kitzel oder einem Witz und dem Lachen, zwi-
schen dem Gedanken an einen Verlust und dem Seufzen ist
kein deutbarer Zusammenhang, keine innere Sprachform. Wenn
man aber vor Verwunderung ah! ausruft, so fühlt man einen
Zusammenhang: die Seele wird von einem unerwarteten An-
blicke betroffen; die neue Anschauung findet in dem Vorrathe
der früher gehabten Anschauungen keine, an welche sie sich
anschließt; alles, was in der Seele liegt, wird also zurückge-
drängt, die neue Anschauung nimmt ganz allein das ganze Be-
wußtsein ein und will sich darin behaupten. Bei so starker
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/346>, abgerufen am 24.11.2024.
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