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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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bindung und Uebertragung eines Gedachten, Vorgestellten mit
und auf eine Bewegung von Wichtigkeit ist. Müller (a. a. O.
II, S. 89.) sagt hierüber:

"Gewisse Gruppen der Muskeln des animalischen Systems
sind beständig in einer Disposition zu unwillkürlichen Bewegun-
gen wegen der Leichtigkeit der Affection ihrer Nerven, oder
vielmehr der Reizbarkeit der Hirntheile, von welchen sie ent-
springen. In diesem Falle befinden sich alle respiratorischen
Nerven, den Nervus facialis eingeschlossen ... Die Zustände
der Seele können die Entladung des Nervenprincips nach den
Athemmuskeln bedingen. Jeder schnelle Uebergang in den Zu-
ständen der Seele ist im Stande eine Entladung nach diesen
Nerven von der Medulla oblongata aus zu bewirken. Das Sen-
sorium wirkt hier gerade so, wie der einzelne Nerv, in dem
jede schnelle Veränderung seines Zustandes, auf was immer für
eine Art, das Nervenprincip in Thätigkeit setzt. Hiernach ist
es zu beurtheilen, daß selbst ohne alle Leidenschaft ein so schnel-
ler Uebergang der Vorstellungen, wie er bei dem Eindruck des
Lächerlichen stattfindet, jene Entladung bewirkt, die sich dann
in den Gesichtsmuskeln und Athemmuskeln äußert. -- Hierher
gehört auch das Gähnen, insofern es durch die Vorstellung des
Gähnens oder durch das Hören oder Sehen des Gähnens ver-
anlaßt werden kann. Die Disposition zu den respiratorischen
und Gesichtsbewegungen des Gähnens ist nämlich dann schon
vorher da gewesen; sie tritt in Erscheinung, indem durch die
Vorstellung die Bewegung des Nervenprincips die bestimmte Di-
rection erhält. Auch bei dieser Bewegung wirken die Respira-
tionsnerven und der N. facialis.... Plötzlich hervorgerufene Vor-
stellungen von furchtbaren oder verabscheuungswürdigen Gegen-
ständen erregen, auch wenn sie durch bloße erdichtete Erzäh-
lungen hervorgerufen werden, bei reizbaren Menschen zuweilen
die Muskelbewegung des Schauders, und dasselbe geschieht zu-
weilen bei der bloßen Vorstellung eines ekelhaften Arzneistoffes;
ja die Vorstellung eines ekelhaften Geschmackes kann sogar Vo-
miturition hervorbringen."

Wir sehen also hier ein Doppeltes oder Dreifaches. Vor-
stellungen einer Bewegung erzeugen absichtslos die wirkliche
Ausführung der vorgestellten Bewegung; sie erzeugen ferner die
Gefühle, welche das wirkliche Vorhandensein des vorgestellten
Dinges oder Vorganges erzeugen würde, und diese bloß durch

bindung und Uebertragung eines Gedachten, Vorgestellten mit
und auf eine Bewegung von Wichtigkeit ist. Müller (a. a. O.
II, S. 89.) sagt hierüber:

„Gewisse Gruppen der Muskeln des animalischen Systems
sind beständig in einer Disposition zu unwillkürlichen Bewegun-
gen wegen der Leichtigkeit der Affection ihrer Nerven, oder
vielmehr der Reizbarkeit der Hirntheile, von welchen sie ent-
springen. In diesem Falle befinden sich alle respiratorischen
Nerven, den Nervus facialis eingeschlossen … Die Zustände
der Seele können die Entladung des Nervenprincips nach den
Athemmuskeln bedingen. Jeder schnelle Uebergang in den Zu-
ständen der Seele ist im Stande eine Entladung nach diesen
Nerven von der Medulla oblongata aus zu bewirken. Das Sen-
sorium wirkt hier gerade so, wie der einzelne Nerv, in dem
jede schnelle Veränderung seines Zustandes, auf was immer für
eine Art, das Nervenprincip in Thätigkeit setzt. Hiernach ist
es zu beurtheilen, daß selbst ohne alle Leidenschaft ein so schnel-
ler Uebergang der Vorstellungen, wie er bei dem Eindruck des
Lächerlichen stattfindet, jene Entladung bewirkt, die sich dann
in den Gesichtsmuskeln und Athemmuskeln äußert. — Hierher
gehört auch das Gähnen, insofern es durch die Vorstellung des
Gähnens oder durch das Hören oder Sehen des Gähnens ver-
anlaßt werden kann. Die Disposition zu den respiratorischen
und Gesichtsbewegungen des Gähnens ist nämlich dann schon
vorher da gewesen; sie tritt in Erscheinung, indem durch die
Vorstellung die Bewegung des Nervenprincips die bestimmte Di-
rection erhält. Auch bei dieser Bewegung wirken die Respira-
tionsnerven und der N. facialis.... Plötzlich hervorgerufene Vor-
stellungen von furchtbaren oder verabscheuungswürdigen Gegen-
ständen erregen, auch wenn sie durch bloße erdichtete Erzäh-
lungen hervorgerufen werden, bei reizbaren Menschen zuweilen
die Muskelbewegung des Schauders, und dasselbe geschieht zu-
weilen bei der bloßen Vorstellung eines ekelhaften Arzneistoffes;
ja die Vorstellung eines ekelhaften Geschmackes kann sogar Vo-
miturition hervorbringen.“

Wir sehen also hier ein Doppeltes oder Dreifaches. Vor-
stellungen einer Bewegung erzeugen absichtslos die wirkliche
Ausführung der vorgestellten Bewegung; sie erzeugen ferner die
Gefühle, welche das wirkliche Vorhandensein des vorgestellten
Dinges oder Vorganges erzeugen würde, und diese bloß durch

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[248/0286] bindung und Uebertragung eines Gedachten, Vorgestellten mit und auf eine Bewegung von Wichtigkeit ist. Müller (a. a. O. II, S. 89.) sagt hierüber: „Gewisse Gruppen der Muskeln des animalischen Systems sind beständig in einer Disposition zu unwillkürlichen Bewegun- gen wegen der Leichtigkeit der Affection ihrer Nerven, oder vielmehr der Reizbarkeit der Hirntheile, von welchen sie ent- springen. In diesem Falle befinden sich alle respiratorischen Nerven, den Nervus facialis eingeschlossen … Die Zustände der Seele können die Entladung des Nervenprincips nach den Athemmuskeln bedingen. Jeder schnelle Uebergang in den Zu- ständen der Seele ist im Stande eine Entladung nach diesen Nerven von der Medulla oblongata aus zu bewirken. Das Sen- sorium wirkt hier gerade so, wie der einzelne Nerv, in dem jede schnelle Veränderung seines Zustandes, auf was immer für eine Art, das Nervenprincip in Thätigkeit setzt. Hiernach ist es zu beurtheilen, daß selbst ohne alle Leidenschaft ein so schnel- ler Uebergang der Vorstellungen, wie er bei dem Eindruck des Lächerlichen stattfindet, jene Entladung bewirkt, die sich dann in den Gesichtsmuskeln und Athemmuskeln äußert. — Hierher gehört auch das Gähnen, insofern es durch die Vorstellung des Gähnens oder durch das Hören oder Sehen des Gähnens ver- anlaßt werden kann. Die Disposition zu den respiratorischen und Gesichtsbewegungen des Gähnens ist nämlich dann schon vorher da gewesen; sie tritt in Erscheinung, indem durch die Vorstellung die Bewegung des Nervenprincips die bestimmte Di- rection erhält. Auch bei dieser Bewegung wirken die Respira- tionsnerven und der N. facialis.... Plötzlich hervorgerufene Vor- stellungen von furchtbaren oder verabscheuungswürdigen Gegen- ständen erregen, auch wenn sie durch bloße erdichtete Erzäh- lungen hervorgerufen werden, bei reizbaren Menschen zuweilen die Muskelbewegung des Schauders, und dasselbe geschieht zu- weilen bei der bloßen Vorstellung eines ekelhaften Arzneistoffes; ja die Vorstellung eines ekelhaften Geschmackes kann sogar Vo- miturition hervorbringen.“ Wir sehen also hier ein Doppeltes oder Dreifaches. Vor- stellungen einer Bewegung erzeugen absichtslos die wirkliche Ausführung der vorgestellten Bewegung; sie erzeugen ferner die Gefühle, welche das wirkliche Vorhandensein des vorgestellten Dinges oder Vorganges erzeugen würde, und diese bloß durch

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/286>, abgerufen am 22.11.2024.