Der Unterschied zwischen der Weise, wie die Begriffe in dem Ab- schnitte der Logik über die Begriffe, und wie die Begriffe in dem Abschnitte über das Urtheil betrachtet werden, liegt bloß darin, daß dort die Beziehung, hier eine Verbindung der Begriffe be- trachtet wird. Diese Verbindung deuten wir durch das Zeichen = an. Ob aber dieselbe prädicativ oder attributiv sei, das ist Sache der Grammatik, und weder Logik noch Metaphysik weiß davon das Mindeste zu sagen. Gott = ewig: so spricht das logische Urtheil. Ob ewig Prädicat oder Attribut ist -- diese Unterscheidung macht sie nicht, kann sie nicht machen; denn sie kennt die Copula nicht, oder die Flexion, auf welcher der Unterschied beruht.
Man betrachte nur die verschiedene Bedeutung der Wör- ter Prädicat und Attribut in der Metaphysik und Logik einerseits und in der Grammatik andererseits. Dort spricht man von den Attributen der Substanz, und in diesen Begriffs- kreis tritt die Kategorie Prädicat gar nicht ein; man spricht vom Prädicat des Subjects, und in diesen Kreis tritt das Attri- but nicht ein. Die Metaphysik betrachtet die Bedeutung und Berechtigung der allgemeinsten Kategorien, unter denen wir das Sein, die Welt, auffassen: zu diesen Kategorien gehören Sub- stanz und Attribut, Ding und Eigenschaft und dann noch etwa die Inhärenz oder die Weise, in welcher die ge- nannten Kategorien auf einander bezogen werden; die logische Lehre vom Urtheil betrachtet das Verhältniß der Begriffe, wel- che unter jene Kategorien von Substanz und Attribut, Ding und Eigenschaft fallen, insofern dieselben im Urtheil im Verhält- niß von Subject und Prädicat zu einander stehen -- es kann eben so wenig von einem metaphysischen Prädicate, als von einem logischen Attribute die Rede sein, weil die Metaphysik nicht das Urtheil, die Logik nicht die realen Verhältnisse kennt --: die Grammatik aber kennt Subject mit Prädicat und Attribut; denn ihr Gegenstand ist der Satz. Das grammatische Prädicat kann nun aber nicht das logische sein; denn es hat das Attribut als Gegensatz neben sich: und das grammatische Attribut kann nicht das metaphysische sein; denn es steht ne- ben dem Subject: folglich kann auch das grammatische Subject weder die metaphysische Substanz, noch das logische Subject sein; denn es hat andere Gegensätze als diese. Was nämlich andere Gegensätze hat, muß auch in sich selbst anderer Natur
Der Unterschied zwischen der Weise, wie die Begriffe in dem Ab- schnitte der Logik über die Begriffe, und wie die Begriffe in dem Abschnitte über das Urtheil betrachtet werden, liegt bloß darin, daß dort die Beziehung, hier eine Verbindung der Begriffe be- trachtet wird. Diese Verbindung deuten wir durch das Zeichen = an. Ob aber dieselbe prädicativ oder attributiv sei, das ist Sache der Grammatik, und weder Logik noch Metaphysik weiß davon das Mindeste zu sagen. Gott = ewig: so spricht das logische Urtheil. Ob ewig Prädicat oder Attribut ist — diese Unterscheidung macht sie nicht, kann sie nicht machen; denn sie kennt die Copula nicht, oder die Flexion, auf welcher der Unterschied beruht.
Man betrachte nur die verschiedene Bedeutung der Wör- ter Prädicat und Attribut in der Metaphysik und Logik einerseits und in der Grammatik andererseits. Dort spricht man von den Attributen der Substanz, und in diesen Begriffs- kreis tritt die Kategorie Prädicat gar nicht ein; man spricht vom Prädicat des Subjects, und in diesen Kreis tritt das Attri- but nicht ein. Die Metaphysik betrachtet die Bedeutung und Berechtigung der allgemeinsten Kategorien, unter denen wir das Sein, die Welt, auffassen: zu diesen Kategorien gehören Sub- stanz und Attribut, Ding und Eigenschaft und dann noch etwa die Inhärenz oder die Weise, in welcher die ge- nannten Kategorien auf einander bezogen werden; die logische Lehre vom Urtheil betrachtet das Verhältniß der Begriffe, wel- che unter jene Kategorien von Substanz und Attribut, Ding und Eigenschaft fallen, insofern dieselben im Urtheil im Verhält- niß von Subject und Prädicat zu einander stehen — es kann eben so wenig von einem metaphysischen Prädicate, als von einem logischen Attribute die Rede sein, weil die Metaphysik nicht das Urtheil, die Logik nicht die realen Verhältnisse kennt —: die Grammatik aber kennt Subject mit Prädicat und Attribut; denn ihr Gegenstand ist der Satz. Das grammatische Prädicat kann nun aber nicht das logische sein; denn es hat das Attribut als Gegensatz neben sich: und das grammatische Attribut kann nicht das metaphysische sein; denn es steht ne- ben dem Subject: folglich kann auch das grammatische Subject weder die metaphysische Substanz, noch das logische Subject sein; denn es hat andere Gegensätze als diese. Was nämlich andere Gegensätze hat, muß auch in sich selbst anderer Natur
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0224"n="186"/>
Der Unterschied zwischen der Weise, wie die Begriffe in dem Ab-<lb/>
schnitte der Logik über die Begriffe, und wie die Begriffe in dem<lb/>
Abschnitte über das Urtheil betrachtet werden, liegt bloß darin,<lb/>
daß dort die Beziehung, hier eine Verbindung der Begriffe be-<lb/>
trachtet wird. Diese Verbindung deuten wir durch das Zeichen<lb/>
= an. Ob aber dieselbe prädicativ oder attributiv sei, das ist<lb/>
Sache der Grammatik, und weder Logik noch Metaphysik weiß<lb/>
davon das Mindeste zu sagen. <hirendition="#g">Gott = ewig:</hi> so spricht das<lb/>
logische Urtheil. Ob <hirendition="#g">ewig</hi> Prädicat oder Attribut ist — diese<lb/>
Unterscheidung macht sie nicht, kann sie nicht machen; denn<lb/>
sie kennt die Copula nicht, oder die Flexion, auf welcher der<lb/>
Unterschied beruht.</p><lb/><p>Man betrachte nur die verschiedene Bedeutung der Wör-<lb/>
ter <hirendition="#g">Prädicat</hi> und <hirendition="#g">Attribut</hi> in der Metaphysik und Logik<lb/>
einerseits und in der Grammatik andererseits. Dort spricht<lb/>
man von den Attributen der Substanz, und in diesen Begriffs-<lb/>
kreis tritt die Kategorie <hirendition="#g">Prädicat</hi> gar nicht ein; man spricht<lb/>
vom Prädicat des Subjects, und in diesen Kreis tritt das Attri-<lb/>
but nicht ein. Die Metaphysik betrachtet die Bedeutung und<lb/>
Berechtigung der allgemeinsten Kategorien, unter denen wir das<lb/>
Sein, die Welt, auffassen: zu diesen Kategorien gehören <hirendition="#g">Sub-<lb/>
stanz</hi> und <hirendition="#g">Attribut, Ding</hi> und <hirendition="#g">Eigenschaft</hi> und dann<lb/>
noch etwa die <hirendition="#g">Inhärenz</hi> oder die Weise, in welcher die ge-<lb/>
nannten Kategorien auf einander bezogen werden; die logische<lb/>
Lehre vom Urtheil betrachtet das Verhältniß der Begriffe, wel-<lb/>
che unter jene Kategorien von Substanz und Attribut, Ding und<lb/>
Eigenschaft fallen, insofern dieselben im Urtheil im Verhält-<lb/>
niß von Subject und Prädicat zu einander stehen — es kann<lb/>
eben so wenig von einem metaphysischen Prädicate, als von<lb/>
einem logischen Attribute die Rede sein, weil die Metaphysik<lb/>
nicht das Urtheil, die Logik nicht die realen Verhältnisse<lb/>
kennt —: die Grammatik aber kennt Subject mit Prädicat und<lb/>
Attribut; denn ihr Gegenstand ist der Satz. Das grammatische<lb/>
Prädicat kann nun aber nicht das logische sein; denn es hat<lb/>
das Attribut als Gegensatz neben sich: und das grammatische<lb/>
Attribut kann nicht das metaphysische sein; denn es steht ne-<lb/>
ben dem Subject: folglich kann auch das grammatische Subject<lb/>
weder die metaphysische Substanz, noch das logische Subject<lb/>
sein; denn es hat andere Gegensätze als diese. Was nämlich<lb/>
andere Gegensätze hat, muß auch in sich selbst anderer Natur<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[186/0224]
Der Unterschied zwischen der Weise, wie die Begriffe in dem Ab-
schnitte der Logik über die Begriffe, und wie die Begriffe in dem
Abschnitte über das Urtheil betrachtet werden, liegt bloß darin,
daß dort die Beziehung, hier eine Verbindung der Begriffe be-
trachtet wird. Diese Verbindung deuten wir durch das Zeichen
= an. Ob aber dieselbe prädicativ oder attributiv sei, das ist
Sache der Grammatik, und weder Logik noch Metaphysik weiß
davon das Mindeste zu sagen. Gott = ewig: so spricht das
logische Urtheil. Ob ewig Prädicat oder Attribut ist — diese
Unterscheidung macht sie nicht, kann sie nicht machen; denn
sie kennt die Copula nicht, oder die Flexion, auf welcher der
Unterschied beruht.
Man betrachte nur die verschiedene Bedeutung der Wör-
ter Prädicat und Attribut in der Metaphysik und Logik
einerseits und in der Grammatik andererseits. Dort spricht
man von den Attributen der Substanz, und in diesen Begriffs-
kreis tritt die Kategorie Prädicat gar nicht ein; man spricht
vom Prädicat des Subjects, und in diesen Kreis tritt das Attri-
but nicht ein. Die Metaphysik betrachtet die Bedeutung und
Berechtigung der allgemeinsten Kategorien, unter denen wir das
Sein, die Welt, auffassen: zu diesen Kategorien gehören Sub-
stanz und Attribut, Ding und Eigenschaft und dann
noch etwa die Inhärenz oder die Weise, in welcher die ge-
nannten Kategorien auf einander bezogen werden; die logische
Lehre vom Urtheil betrachtet das Verhältniß der Begriffe, wel-
che unter jene Kategorien von Substanz und Attribut, Ding und
Eigenschaft fallen, insofern dieselben im Urtheil im Verhält-
niß von Subject und Prädicat zu einander stehen — es kann
eben so wenig von einem metaphysischen Prädicate, als von
einem logischen Attribute die Rede sein, weil die Metaphysik
nicht das Urtheil, die Logik nicht die realen Verhältnisse
kennt —: die Grammatik aber kennt Subject mit Prädicat und
Attribut; denn ihr Gegenstand ist der Satz. Das grammatische
Prädicat kann nun aber nicht das logische sein; denn es hat
das Attribut als Gegensatz neben sich: und das grammatische
Attribut kann nicht das metaphysische sein; denn es steht ne-
ben dem Subject: folglich kann auch das grammatische Subject
weder die metaphysische Substanz, noch das logische Subject
sein; denn es hat andere Gegensätze als diese. Was nämlich
andere Gegensätze hat, muß auch in sich selbst anderer Natur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/224>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.