thig, den Namen auszusprechen; Becker muß sich fortwährend das Wort vorsprechen, um sich einzureden, er sei bei der Sa- che. Wichtiger ist noch, daß bei Humboldt jenes Wort durch- aus keine principielle Bedeutung hat, daß er es ausdrücklich für ein Bild erklärt, welches über das Wesen der Sache keinen Aufschluß geben kann, daß es also bei ihm nur ein gelegentli- cher Ausdruck ist. Doch was bedeutet es?
Beginnen wir mit der durch Becker berühmt gewordenen Stelle der Abhandlung über das vergleichende Sprachstudium: "Unmittelbarer Aushauch eines organischen Wesens in dessen sinnlicher und geistiger Geltung, theilt die Sprache darin die Natur alles Organischen, daß jedes in ihr durch das andere, und alles in ihr nur durch die eine das Ganze durchdringende Kraft besteht." Auch in der Einleitung S. LX. wird die Sprache ein "Aushauch" genannt; und damit, wie mit dem Beiwort "unmittelbar", soll wohl angedeutet sein, was S. XXI. bestimmter so ausgesprochen wird: "Die Sprache entspringt aus einer Tiefe der Menschheit, welche überall verbietet, sie als ein eigentliches Werk und als eine Schöpfung der Völker zu betrachten. Sie besitzt eine sich uns sichtbar offenbarende, wenn auch in ihrem Wesen unerklär- liche, Selbstthätigkeit und ist von dieser Seite betrachtet, kein Erzeugniß der Thätigkeit, sondern eine unwillkürliche Ema- nation des Geistes, nicht ein Werk der Nationen, sondern eine ihnen durch ihr inneres Geschick zugefallene Gabe." Die Spra- che hat aber nach Humboldt allerdings noch eine andere, dieser entgegengesetzte Seite, die von dem undialektischen Becker un- beachtet bleibt, für Humboldt aber keine geringere Wichtigkeit, als die hier besprochene hat. Mit Rücksicht auf diese wird auch S. CCCXCIV. daran erinnert, daß die Sprache "eine lebendige Schöpfung aus sich selbst" ist. Aber ein Widerspruch tritt bei Vergleichung dieser und anderer Stellen der Einleitung mit je- ner der Abhandlung darin hervor, daß, während in letzterer die Sprache "unmittelbarer Aushauch eines organischen Wesens in dessen sinnlicher und geistiger Geltung" genannt wird, sie in der Einleitung fast durchaus nur mit dem Geiste in Verbin- dung gesetzt wird. So mag z. B. die Stelle (S. LX.), die Spra- che sei "ein geistiger Aushauch eines nationell individuellen Le- bens" immerhin ohne Absichtlichkeit gesetzt sein; es mag in ihr eine ganz unbeabsichtigte Reminiscenz Humboldts an seine
thig, den Namen auszusprechen; Becker muß sich fortwährend das Wort vorsprechen, um sich einzureden, er sei bei der Sa- che. Wichtiger ist noch, daß bei Humboldt jenes Wort durch- aus keine principielle Bedeutung hat, daß er es ausdrücklich für ein Bild erklärt, welches über das Wesen der Sache keinen Aufschluß geben kann, daß es also bei ihm nur ein gelegentli- cher Ausdruck ist. Doch was bedeutet es?
Beginnen wir mit der durch Becker berühmt gewordenen Stelle der Abhandlung über das vergleichende Sprachstudium: „Unmittelbarer Aushauch eines organischen Wesens in dessen sinnlicher und geistiger Geltung, theilt die Sprache darin die Natur alles Organischen, daß jedes in ihr durch das andere, und alles in ihr nur durch die eine das Ganze durchdringende Kraft besteht.“ Auch in der Einleitung S. LX. wird die Sprache ein „Aushauch“ genannt; und damit, wie mit dem Beiwort „unmittelbar“, soll wohl angedeutet sein, was S. XXI. bestimmter so ausgesprochen wird: „Die Sprache entspringt aus einer Tiefe der Menschheit, welche überall verbietet, sie als ein eigentliches Werk und als eine Schöpfung der Völker zu betrachten. Sie besitzt eine sich uns sichtbar offenbarende, wenn auch in ihrem Wesen unerklär- liche, Selbstthätigkeit und ist von dieser Seite betrachtet, kein Erzeugniß der Thätigkeit, sondern eine unwillkürliche Ema- nation des Geistes, nicht ein Werk der Nationen, sondern eine ihnen durch ihr inneres Geschick zugefallene Gabe.“ Die Spra- che hat aber nach Humboldt allerdings noch eine andere, dieser entgegengesetzte Seite, die von dem undialektischen Becker un- beachtet bleibt, für Humboldt aber keine geringere Wichtigkeit, als die hier besprochene hat. Mit Rücksicht auf diese wird auch S. CCCXCIV. daran erinnert, daß die Sprache „eine lebendige Schöpfung aus sich selbst“ ist. Aber ein Widerspruch tritt bei Vergleichung dieser und anderer Stellen der Einleitung mit je- ner der Abhandlung darin hervor, daß, während in letzterer die Sprache „unmittelbarer Aushauch eines organischen Wesens in dessen sinnlicher und geistiger Geltung“ genannt wird, sie in der Einleitung fast durchaus nur mit dem Geiste in Verbin- dung gesetzt wird. So mag z. B. die Stelle (S. LX.), die Spra- che sei „ein geistiger Aushauch eines nationell individuellen Le- bens“ immerhin ohne Absichtlichkeit gesetzt sein; es mag in ihr eine ganz unbeabsichtigte Reminiscenz Humboldts an seine
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thig, den Namen auszusprechen; Becker muß sich fortwährend
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aus keine principielle Bedeutung hat, daß er es ausdrücklich für
ein Bild erklärt, welches über das Wesen der Sache keinen
Aufschluß geben kann, daß es also bei ihm nur ein gelegentli-
cher Ausdruck ist. Doch was bedeutet es?
Beginnen wir mit der durch Becker berühmt gewordenen
Stelle der Abhandlung über das vergleichende Sprachstudium:
„Unmittelbarer Aushauch eines organischen Wesens in dessen
sinnlicher und geistiger Geltung, theilt die Sprache darin die Natur
alles Organischen, daß jedes in ihr durch das andere, und alles in
ihr nur durch die eine das Ganze durchdringende Kraft besteht.“
Auch in der Einleitung S. LX. wird die Sprache ein „Aushauch“
genannt; und damit, wie mit dem Beiwort „unmittelbar“, soll
wohl angedeutet sein, was S. XXI. bestimmter so ausgesprochen
wird: „Die Sprache entspringt aus einer Tiefe der Menschheit,
welche überall verbietet, sie als ein eigentliches Werk und als
eine Schöpfung der Völker zu betrachten. Sie besitzt eine sich
uns sichtbar offenbarende, wenn auch in ihrem Wesen unerklär-
liche, Selbstthätigkeit und ist von dieser Seite betrachtet, kein
Erzeugniß der Thätigkeit, sondern eine unwillkürliche Ema-
nation des Geistes, nicht ein Werk der Nationen, sondern eine
ihnen durch ihr inneres Geschick zugefallene Gabe.“ Die Spra-
che hat aber nach Humboldt allerdings noch eine andere, dieser
entgegengesetzte Seite, die von dem undialektischen Becker un-
beachtet bleibt, für Humboldt aber keine geringere Wichtigkeit,
als die hier besprochene hat. Mit Rücksicht auf diese wird auch
S. CCCXCIV. daran erinnert, daß die Sprache „eine lebendige
Schöpfung aus sich selbst“ ist. Aber ein Widerspruch tritt bei
Vergleichung dieser und anderer Stellen der Einleitung mit je-
ner der Abhandlung darin hervor, daß, während in letzterer die
Sprache „unmittelbarer Aushauch eines organischen Wesens in
dessen sinnlicher und geistiger Geltung“ genannt wird, sie
in der Einleitung fast durchaus nur mit dem Geiste in Verbin-
dung gesetzt wird. So mag z. B. die Stelle (S. LX.), die Spra-
che sei „ein geistiger Aushauch eines nationell individuellen Le-
bens“ immerhin ohne Absichtlichkeit gesetzt sein; es mag in
ihr eine ganz unbeabsichtigte Reminiscenz Humboldts an seine
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/164>, abgerufen am 23.11.2024.
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