Wir ruderten zwei Stunden kräftig vorwärts, sprachen nur wenig und mit leiser Stimme und fuhren vorsichtig auslugend hart am inneren Rande in jede neue Windung ein. Aber alle Anzeichen hatten aufgehört. Beiderseits lag hoher schweigender Wald, der Fluss schimmerte im Sonnenschein, nichts Lebendiges regte sich im weiten Umkreis, und hier oder da nur gaukelte ein gelber Schmetter- ling vorüber. Kurz vor Mittag öffnete sich das Strombett zu einer ziemlich weiten Bucht; es war nicht recht zu erkennen, ob es sich um eine Lagune oder um eine Inselbildung handelte und der Fluss sich in zwei Arten teile; wir legten an, und ich schickte die Beiden aus, das Stück Wald, das uns von der Lagune trennte, zu durchqueren und jenseits den Lauf des Wassers zu prüfen.
Wartend sass ich am Strande; schon kam Carlos zurück, als ich einen Büchsenschuss flussabwärts plötzlich ein Kanu bemerke. Ein einzelner nackter Indianer steht darin und strebt eilfertig dem Ufer zu; dort lenkt er das Fahrzeug hinter ein abgestürztes Baumgeripp und duckt sich in seinem Schutze vorsichtig nieder. "Bakairi, Bakairi" schrie ich aus Leibeskräften, "kura Bakairi, ama Ba- kairi, ura Bakairi", wir sind Bakairi, du bist ein Bakairi, ich bin ein Bakairi, die Bakairi sind gut -- kurz schreie, was mir der Geist von Reminiscenzen aus den Begrüssungsformeln gerade jenes Stammes eingiebt, in freudigster Erregung. Und siehe da: "Bakairi, Bakairi, Bakairi" klingt es zurück. Andere Worte kommen hinzu, die ich leider nicht verstehe, aber die hoch emporgeschraubte Stimme trägt einen unglückselig ängstlichen und misstrauischen Ausdruck, und die Arme fuchteln hinter dem Baumgeripp in der Luft herum, als ob der Mensch dort tanze wie ein Kannibale in der Schaubude. "Bakairi . . . ." beginne ich wieder, da kommt glücklicher Weise Antonio mit mächtigen Sätzen herbeigesprungen, und halb ausser Atem vor Aufregung schreit er nun seinerseits den Fluss hinunter eine lange Er- klärung, die ich wiederum nicht verstehe, die aber bei dem verschanzten Helden ein dankbares Jubelgeheul entfesselt und die Situation wie mit einem Zauber- schlag klärt.
Das Kanu schoss aus dem Versteck hervor und eilte geradenwegs, ein schönes, langes, trockenes Rindenkanu, an unser trauriges, krummes, wachsverklebtes, lehm- beschmiertes, von schmutzigem Wasser durchspültes Fahrzeug heran, -- wahrlich, ich meinte, wir wären es, die hier in den Kreis einer höheren Kultur träten; wenn der edle Schiffer auch nur mit einer Gürtelschnur bekleidet war und nichts mit sich führte, als die sauber gearbeiteten, federverzierten Pfeile und den Bogen, die neben einer mit Honig gefüllten Kürbisschale auf dem Boden des Kanus lagen, so stach doch dieses auf uns zu gleitende Gesamtbild in seiner Nettigkeit und Reinlichkeit auf das Vorteilhafteste ab von uns abgerissenen Kulturträgern neben dem nassfaulen Stück Rinde, das unser Boot hiess. Nun, der Ankömmling zeigte mit seinem Gesichtsausdruck deutlich, dass er seinerseits doch uns bewundere.
Er benahm sich auch gar nicht als der schweigsame düstere Indianer, dessen Seele, wie ich auf Grund unserer Schulweisheit hätte verlangen dürfen, die eintönige niederdrückende Umgebung des tropischen Waldes wiederspiegelte, sondern lachte
Wir ruderten zwei Stunden kräftig vorwärts, sprachen nur wenig und mit leiser Stimme und fuhren vorsichtig auslugend hart am inneren Rande in jede neue Windung ein. Aber alle Anzeichen hatten aufgehört. Beiderseits lag hoher schweigender Wald, der Fluss schimmerte im Sonnenschein, nichts Lebendiges regte sich im weiten Umkreis, und hier oder da nur gaukelte ein gelber Schmetter- ling vorüber. Kurz vor Mittag öffnete sich das Strombett zu einer ziemlich weiten Bucht; es war nicht recht zu erkennen, ob es sich um eine Lagune oder um eine Inselbildung handelte und der Fluss sich in zwei Arten teile; wir legten an, und ich schickte die Beiden aus, das Stück Wald, das uns von der Lagune trennte, zu durchqueren und jenseits den Lauf des Wassers zu prüfen.
Wartend sass ich am Strande; schon kam Carlos zurück, als ich einen Büchsenschuss flussabwärts plötzlich ein Kanu bemerke. Ein einzelner nackter Indianer steht darin und strebt eilfertig dem Ufer zu; dort lenkt er das Fahrzeug hinter ein abgestürztes Baumgeripp und duckt sich in seinem Schutze vorsichtig nieder. »Bakaïrí, Bakaïrí« schrie ich aus Leibeskräften, »kúra Bakaïrí, áma Ba- kaïrí, úra Bakaïrí«, wir sind Bakaïrí, du bist ein Bakaïrí, ich bin ein Bakaïrí, die Bakaïrí sind gut — kurz schreie, was mir der Geist von Reminiscenzen aus den Begrüssungsformeln gerade jenes Stammes eingiebt, in freudigster Erregung. Und siehe da: »Bakaïrí, Bakaïrí, Bakaïrí« klingt es zurück. Andere Worte kommen hinzu, die ich leider nicht verstehe, aber die hoch emporgeschraubte Stimme trägt einen unglückselig ängstlichen und misstrauischen Ausdruck, und die Arme fuchteln hinter dem Baumgeripp in der Luft herum, als ob der Mensch dort tanze wie ein Kannibale in der Schaubude. »Bakaïrí . . . .« beginne ich wieder, da kommt glücklicher Weise Antonio mit mächtigen Sätzen herbeigesprungen, und halb ausser Atem vor Aufregung schreit er nun seinerseits den Fluss hinunter eine lange Er- klärung, die ich wiederum nicht verstehe, die aber bei dem verschanzten Helden ein dankbares Jubelgeheul entfesselt und die Situation wie mit einem Zauber- schlag klärt.
Das Kanu schoss aus dem Versteck hervor und eilte geradenwegs, ein schönes, langes, trockenes Rindenkanu, an unser trauriges, krummes, wachsverklebtes, lehm- beschmiertes, von schmutzigem Wasser durchspültes Fahrzeug heran, — wahrlich, ich meinte, wir wären es, die hier in den Kreis einer höheren Kultur träten; wenn der edle Schiffer auch nur mit einer Gürtelschnur bekleidet war und nichts mit sich führte, als die sauber gearbeiteten, federverzierten Pfeile und den Bogen, die neben einer mit Honig gefüllten Kürbisschale auf dem Boden des Kanus lagen, so stach doch dieses auf uns zu gleitende Gesamtbild in seiner Nettigkeit und Reinlichkeit auf das Vorteilhafteste ab von uns abgerissenen Kulturträgern neben dem nassfaulen Stück Rinde, das unser Boot hiess. Nun, der Ankömmling zeigte mit seinem Gesichtsausdruck deutlich, dass er seinerseits doch uns bewundere.
Er benahm sich auch gar nicht als der schweigsame düstere Indianer, dessen Seele, wie ich auf Grund unserer Schulweisheit hätte verlangen dürfen, die eintönige niederdrückende Umgebung des tropischen Waldes wiederspiegelte, sondern lachte
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Wir ruderten zwei Stunden kräftig vorwärts, sprachen nur wenig und mit
leiser Stimme und fuhren vorsichtig auslugend hart am inneren Rande in jede
neue Windung ein. Aber alle Anzeichen hatten aufgehört. Beiderseits lag hoher
schweigender Wald, der Fluss schimmerte im Sonnenschein, nichts Lebendiges
regte sich im weiten Umkreis, und hier oder da nur gaukelte ein gelber Schmetter-
ling vorüber. Kurz vor Mittag öffnete sich das Strombett zu einer ziemlich weiten
Bucht; es war nicht recht zu erkennen, ob es sich um eine Lagune oder um eine
Inselbildung handelte und der Fluss sich in zwei Arten teile; wir legten an, und
ich schickte die Beiden aus, das Stück Wald, das uns von der Lagune trennte, zu
durchqueren und jenseits den Lauf des Wassers zu prüfen.
Wartend sass ich am Strande; schon kam Carlos zurück, als ich einen
Büchsenschuss flussabwärts plötzlich ein Kanu bemerke. Ein einzelner nackter
Indianer steht darin und strebt eilfertig dem Ufer zu; dort lenkt er das Fahrzeug
hinter ein abgestürztes Baumgeripp und duckt sich in seinem Schutze vorsichtig
nieder. »Bakaïrí, Bakaïrí« schrie ich aus Leibeskräften, »kúra Bakaïrí, áma Ba-
kaïrí, úra Bakaïrí«, wir sind Bakaïrí, du bist ein Bakaïrí, ich bin ein Bakaïrí, die
Bakaïrí sind gut — kurz schreie, was mir der Geist von Reminiscenzen aus den
Begrüssungsformeln gerade jenes Stammes eingiebt, in freudigster Erregung. Und
siehe da: »Bakaïrí, Bakaïrí, Bakaïrí« klingt es zurück. Andere Worte kommen
hinzu, die ich leider nicht verstehe, aber die hoch emporgeschraubte Stimme trägt
einen unglückselig ängstlichen und misstrauischen Ausdruck, und die Arme fuchteln
hinter dem Baumgeripp in der Luft herum, als ob der Mensch dort tanze wie
ein Kannibale in der Schaubude. »Bakaïrí . . . .« beginne ich wieder, da kommt
glücklicher Weise Antonio mit mächtigen Sätzen herbeigesprungen, und halb ausser
Atem vor Aufregung schreit er nun seinerseits den Fluss hinunter eine lange Er-
klärung, die ich wiederum nicht verstehe, die aber bei dem verschanzten Helden
ein dankbares Jubelgeheul entfesselt und die Situation wie mit einem Zauber-
schlag klärt.
Das Kanu schoss aus dem Versteck hervor und eilte geradenwegs, ein schönes,
langes, trockenes Rindenkanu, an unser trauriges, krummes, wachsverklebtes, lehm-
beschmiertes, von schmutzigem Wasser durchspültes Fahrzeug heran, — wahrlich,
ich meinte, wir wären es, die hier in den Kreis einer höheren Kultur träten; wenn
der edle Schiffer auch nur mit einer Gürtelschnur bekleidet war und nichts mit
sich führte, als die sauber gearbeiteten, federverzierten Pfeile und den Bogen, die
neben einer mit Honig gefüllten Kürbisschale auf dem Boden des Kanus lagen,
so stach doch dieses auf uns zu gleitende Gesamtbild in seiner Nettigkeit und
Reinlichkeit auf das Vorteilhafteste ab von uns abgerissenen Kulturträgern neben
dem nassfaulen Stück Rinde, das unser Boot hiess. Nun, der Ankömmling zeigte
mit seinem Gesichtsausdruck deutlich, dass er seinerseits doch uns bewundere.
Er benahm sich auch gar nicht als der schweigsame düstere Indianer, dessen
Seele, wie ich auf Grund unserer Schulweisheit hätte verlangen dürfen, die eintönige
niederdrückende Umgebung des tropischen Waldes wiederspiegelte, sondern lachte
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/80>, abgerufen am 09.11.2024.
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