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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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haben, doch bedroht die Strafe nur diejenigen, die vorher schon eine andere Verpflichtung
hatten und sieben Jahre mit dem Geistlichen gelebt haben. Die Pfaffenweiber kommen
weder in den Himmel noch in die Hölle, sondern müssen umherirren. Deshalb wird es den
Geistlichen garnicht so leicht, Mädchen zu finden, die mit ihnen leben wollen. Man erblickt
die Pferde ohne Kopf mitunter auch zu anderer Zeit des Jahres, immer aber in den Nächten
von Donnerstag oder Freitag. Wenn Pfaftenweiber Freitags schlafen und die Thür steht
offen, so sieht man, dass blaues Feuer wie brennender Spiritus von der Hängematte herab-
tröpfelt.

Eine nächtliche Erscheinung ähnlicher Art in verlassenen Strassen ist die einer
Muttersau mit Ferkeln. Das ist dann immer die Seele einer Frau, die sich an keimendem
Leben versündigt hat. So viele Aborte, so viele Ferkel.

Hexen. Hat eine Frau sieben Mädchen, so wird das letzte eine Hexe (bruxa). Die
Hexe fliegt Nachts über die Häuser; man hört ein Rauschen oder Knittern wie von steif-
gebügelten Kleidern. Jeden Freitag reibt sie sich mit einer Salbe, in der Blut von Neu-
geborenen enthalten ist, und fliegt nun als Ente hoch durch die Luft bis zum Meer. Dort
begegnen sich viele mit dem Teufel, der als grosser schwarzer Enterich kommt (pato macho
oder marrao), begatten sich mit ihm und baden zusammen bis 2 Uhr. Ein verheirateter
Mann hat sich einmal auch mit der Salbe eingeschmiert, ist nachgeflogen und hat sich, am
Meer zuschauend, auf einen Baum gesetzt. Er beobachtete Alles und kannte in dem Schwarm
seine Frau als eine weisse Ente heraus. Er kehrte zuerst zurück, legte sich nieder, einen
scharfen Säbel neben sich und that, als ob er schliefe. Die bald heimkehrende Frau legte
sich auf den Säbel und verwundete sich so, dass sie starb.

Ein zweiter Gewährsmann erweiterte diese Angaben. Die Hexe sticht mit einer Nadel
in den Nabel eines neugeborenen, noch ungetauften Kindes, und saugt das Blut aus, so dass
das Kind stirbt. Sie bereitet sich mit dem Blut eine Salbe und reibt sie in die Achselhöhle,
(wo die Flügel entstehen). Sie sagt dann den Spruch: "debaixo das nuvems, emcima dos
arvoredos
", "unter den Wolken, über die Büsche" und fliegt als Ente davon. Man hört oft
von den zahlreichen Enten ein gewaltiges Geschnatter. Ein Gatte, der sich ebenfalls ein-
schmierte und nachflog, hatte den Spruch falsch gesagt: "debaixo das nuvems, debaixo dos
arvoredos
", er verwandelte sich in eine Ente und flog auch, geriet aber in Sträucher und
stachliges Gestrüpp, wo die heimkehrende Frau ihn als Ente fand und mit nach Hause
nahm. -- Wenn ein Mann erfährt, dass seine Frau eine Hexe ist, so wird sie dadurch
schon entzaubert, oder sie entzaubert sich selbst durch einen Spruch und sie leben
dann glücklich zusammen weiter. Die Hexen brauchen gar keine bösen Personen zu
sein; sie führen oft ein frommes und gutes Leben, sie fühlen sich nur glücklich in
ihrer Verwandlung. Untereinander kennen sie sich; dass sie Hexen sind, beichten sie
niemals. Hexe sein ist ein Fatum, wie Werwolf sein. Um sie zu entzaubern, ziehe man
Nachts, wenn sie bum, bum, bum vorüberrauschen, rasch die Unterhose aus, kehre sie um
und werfe sie auf das Dach; dann sieht man die Hexen herabfallen.

Sie müssen über sieben Länder zum Meere fliegen. Im Paraguaykrieg wusste man
"im geheimen" genau, wie es in den entfernten Provinzen gerade aussah; diese Nachrichten
waren von den Hexen mitgebracht worden.

Der sicherste Schutz wider die Hexen ist für das neugeborene Kind die offene Scheere
unter dem Kopfkissen. Inwendig an den Thüren oder an der Schwelle ritzt man ein
Pentagramma ein. Würde die Scheere gebraucht, so würde der Nabel eitern. Wird ein
Kind ein oder zwei Tage nach der Geburt krank, so wird ihm die Unterhose des Vaters
ein paar Mal rund um den Leib geschlungen.

Böser und guter Zauber. Von dem gläubigen Landsmann wurde mir eine
interessante Geschichte aus seiner eigenen Erfahrung erzählt, die sich aber in Buenos

haben, doch bedroht die Strafe nur diejenigen, die vorher schon eine andere Verpflichtung
hatten und sieben Jahre mit dem Geistlichen gelebt haben. Die Pfaffenweiber kommen
weder in den Himmel noch in die Hölle, sondern müssen umherirren. Deshalb wird es den
Geistlichen garnicht so leicht, Mädchen zu finden, die mit ihnen leben wollen. Man erblickt
die Pferde ohne Kopf mitunter auch zu anderer Zeit des Jahres, immer aber in den Nächten
von Donnerstag oder Freitag. Wenn Pfaftenweiber Freitags schlafen und die Thür steht
offen, so sieht man, dass blaues Feuer wie brennender Spiritus von der Hängematte herab-
tröpfelt.

Eine nächtliche Erscheinung ähnlicher Art in verlassenen Strassen ist die einer
Muttersau mit Ferkeln. Das ist dann immer die Seele einer Frau, die sich an keimendem
Leben versündigt hat. So viele Aborte, so viele Ferkel.

Hexen. Hat eine Frau sieben Mädchen, so wird das letzte eine Hexe (bruxa). Die
Hexe fliegt Nachts über die Häuser; man hört ein Rauschen oder Knittern wie von steif-
gebügelten Kleidern. Jeden Freitag reibt sie sich mit einer Salbe, in der Blut von Neu-
geborenen enthalten ist, und fliegt nun als Ente hoch durch die Luft bis zum Meer. Dort
begegnen sich viele mit dem Teufel, der als grosser schwarzer Enterich kommt (pato macho
oder marrão), begatten sich mit ihm und baden zusammen bis 2 Uhr. Ein verheirateter
Mann hat sich einmal auch mit der Salbe eingeschmiert, ist nachgeflogen und hat sich, am
Meer zuschauend, auf einen Baum gesetzt. Er beobachtete Alles und kannte in dem Schwarm
seine Frau als eine weisse Ente heraus. Er kehrte zuerst zurück, legte sich nieder, einen
scharfen Säbel neben sich und that, als ob er schliefe. Die bald heimkehrende Frau legte
sich auf den Säbel und verwundete sich so, dass sie starb.

Ein zweiter Gewährsmann erweiterte diese Angaben. Die Hexe sticht mit einer Nadel
in den Nabel eines neugeborenen, noch ungetauften Kindes, und saugt das Blut aus, so dass
das Kind stirbt. Sie bereitet sich mit dem Blut eine Salbe und reibt sie in die Achselhöhle,
(wo die Flügel entstehen). Sie sagt dann den Spruch: „debaixo das nuvems, emcima dos
arvoredos
“, »unter den Wolken, über die Büsche« und fliegt als Ente davon. Man hört oft
von den zahlreichen Enten ein gewaltiges Geschnatter. Ein Gatte, der sich ebenfalls ein-
schmierte und nachflog, hatte den Spruch falsch gesagt: „debaixo das nuvems, debaixo dos
arvoredos
“, er verwandelte sich in eine Ente und flog auch, geriet aber in Sträucher und
stachliges Gestrüpp, wo die heimkehrende Frau ihn als Ente fand und mit nach Hause
nahm. — Wenn ein Mann erfährt, dass seine Frau eine Hexe ist, so wird sie dadurch
schon entzaubert, oder sie entzaubert sich selbst durch einen Spruch und sie leben
dann glücklich zusammen weiter. Die Hexen brauchen gar keine bösen Personen zu
sein; sie führen oft ein frommes und gutes Leben, sie fühlen sich nur glücklich in
ihrer Verwandlung. Untereinander kennen sie sich; dass sie Hexen sind, beichten sie
niemals. Hexe sein ist ein Fatum, wie Werwolf sein. Um sie zu entzaubern, ziehe man
Nachts, wenn sie bum, bum, bum vorüberrauschen, rasch die Unterhose aus, kehre sie um
und werfe sie auf das Dach; dann sieht man die Hexen herabfallen.

Sie müssen über sieben Länder zum Meere fliegen. Im Paraguaykrieg wusste man
»im geheimen« genau, wie es in den entfernten Provinzen gerade aussah; diese Nachrichten
waren von den Hexen mitgebracht worden.

Der sicherste Schutz wider die Hexen ist für das neugeborene Kind die offene Scheere
unter dem Kopfkissen. Inwendig an den Thüren oder an der Schwelle ritzt man ein
Pentagramma ein. Würde die Scheere gebraucht, so würde der Nabel eitern. Wird ein
Kind ein oder zwei Tage nach der Geburt krank, so wird ihm die Unterhose des Vaters
ein paar Mal rund um den Leib geschlungen.

Böser und guter Zauber. Von dem gläubigen Landsmann wurde mir eine
interessante Geschichte aus seiner eigenen Erfahrung erzählt, die sich aber in Buenos

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[557/0633] haben, doch bedroht die Strafe nur diejenigen, die vorher schon eine andere Verpflichtung hatten und sieben Jahre mit dem Geistlichen gelebt haben. Die Pfaffenweiber kommen weder in den Himmel noch in die Hölle, sondern müssen umherirren. Deshalb wird es den Geistlichen garnicht so leicht, Mädchen zu finden, die mit ihnen leben wollen. Man erblickt die Pferde ohne Kopf mitunter auch zu anderer Zeit des Jahres, immer aber in den Nächten von Donnerstag oder Freitag. Wenn Pfaftenweiber Freitags schlafen und die Thür steht offen, so sieht man, dass blaues Feuer wie brennender Spiritus von der Hängematte herab- tröpfelt. Eine nächtliche Erscheinung ähnlicher Art in verlassenen Strassen ist die einer Muttersau mit Ferkeln. Das ist dann immer die Seele einer Frau, die sich an keimendem Leben versündigt hat. So viele Aborte, so viele Ferkel. Hexen. Hat eine Frau sieben Mädchen, so wird das letzte eine Hexe (bruxa). Die Hexe fliegt Nachts über die Häuser; man hört ein Rauschen oder Knittern wie von steif- gebügelten Kleidern. Jeden Freitag reibt sie sich mit einer Salbe, in der Blut von Neu- geborenen enthalten ist, und fliegt nun als Ente hoch durch die Luft bis zum Meer. Dort begegnen sich viele mit dem Teufel, der als grosser schwarzer Enterich kommt (pato macho oder marrão), begatten sich mit ihm und baden zusammen bis 2 Uhr. Ein verheirateter Mann hat sich einmal auch mit der Salbe eingeschmiert, ist nachgeflogen und hat sich, am Meer zuschauend, auf einen Baum gesetzt. Er beobachtete Alles und kannte in dem Schwarm seine Frau als eine weisse Ente heraus. Er kehrte zuerst zurück, legte sich nieder, einen scharfen Säbel neben sich und that, als ob er schliefe. Die bald heimkehrende Frau legte sich auf den Säbel und verwundete sich so, dass sie starb. Ein zweiter Gewährsmann erweiterte diese Angaben. Die Hexe sticht mit einer Nadel in den Nabel eines neugeborenen, noch ungetauften Kindes, und saugt das Blut aus, so dass das Kind stirbt. Sie bereitet sich mit dem Blut eine Salbe und reibt sie in die Achselhöhle, (wo die Flügel entstehen). Sie sagt dann den Spruch: „debaixo das nuvems, emcima dos arvoredos“, »unter den Wolken, über die Büsche« und fliegt als Ente davon. Man hört oft von den zahlreichen Enten ein gewaltiges Geschnatter. Ein Gatte, der sich ebenfalls ein- schmierte und nachflog, hatte den Spruch falsch gesagt: „debaixo das nuvems, debaixo dos arvoredos“, er verwandelte sich in eine Ente und flog auch, geriet aber in Sträucher und stachliges Gestrüpp, wo die heimkehrende Frau ihn als Ente fand und mit nach Hause nahm. — Wenn ein Mann erfährt, dass seine Frau eine Hexe ist, so wird sie dadurch schon entzaubert, oder sie entzaubert sich selbst durch einen Spruch und sie leben dann glücklich zusammen weiter. Die Hexen brauchen gar keine bösen Personen zu sein; sie führen oft ein frommes und gutes Leben, sie fühlen sich nur glücklich in ihrer Verwandlung. Untereinander kennen sie sich; dass sie Hexen sind, beichten sie niemals. Hexe sein ist ein Fatum, wie Werwolf sein. Um sie zu entzaubern, ziehe man Nachts, wenn sie bum, bum, bum vorüberrauschen, rasch die Unterhose aus, kehre sie um und werfe sie auf das Dach; dann sieht man die Hexen herabfallen. Sie müssen über sieben Länder zum Meere fliegen. Im Paraguaykrieg wusste man »im geheimen« genau, wie es in den entfernten Provinzen gerade aussah; diese Nachrichten waren von den Hexen mitgebracht worden. Der sicherste Schutz wider die Hexen ist für das neugeborene Kind die offene Scheere unter dem Kopfkissen. Inwendig an den Thüren oder an der Schwelle ritzt man ein Pentagramma ein. Würde die Scheere gebraucht, so würde der Nabel eitern. Wird ein Kind ein oder zwei Tage nach der Geburt krank, so wird ihm die Unterhose des Vaters ein paar Mal rund um den Leib geschlungen. Böser und guter Zauber. Von dem gläubigen Landsmann wurde mir eine interessante Geschichte aus seiner eigenen Erfahrung erzählt, die sich aber in Buenos

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/633>, abgerufen am 22.11.2024.