nommen hatten, meine Körpergrösse angezeichnet. Ein Stück Kohle wurde mit den Zähnen zerknuspert, mit Speichel in der Hand zerrieben und über meinem Kopf ein schwarzer Ring um den Pfosten gemalt.
Nahrung; "Einsegnung". Nach Clemente's Bericht hat trotz aller Jägerei die vegetabilische, von den Frauen beschaffte Nahrung, weil sie regelmässiger und reichlich eingeht, die grösste Wichtigkeit. Die Frauen suchen Wurzeln mit einem spitzen Stock, klettern mit grosser Gewandtheit auf die Palmen, unter denen der Oaussu und Akuri der Vorrang gebührt, sammeln die Nüsse, schneiden in der Krone den "Palmkohl", suchen Jatoba- und Pikifrüchte und dergleichen mehr. Die Palmnüsse werden geröstet oder im Mörser zerstampft und mit Wasser zu einem breiigen Getränk verrührt, dem Erfrischungstrank, der dem Stärkekleister oder der Pikibrühe des Kulisehu entspricht und dem Gast kredenzt wird. Der Maisbrei, den wir im Ranchao kennen lernten, fehlt in den Dorf- schaften, da es keinen Mais giebt. Die Frauen bereiten die vegetabilische
[Abbildung]
[Abbildung]
Abb. 142.
Wassertopf und Topfschale. Bororo. ( 1/8 nat. Gr.)
Nahrung zu. Sie verfer- tigen auch die Töpfe, die nur in geringer An- zahl vorhanden waren. Es gab zwei Arten, eine offene Schale ruobo, in der man kochte, und eine poli mit kurzem Hals und schmalem Boden, fast von der Form des Mör- sers, der auch als Ge- fäss benutzt wurde, zur Aufbewahrung von Wasser. Sie waren sehr roh, schwach gebrannt, innen nicht lackiert. Der Mörser, plump geschnitzt, nur etwa 40 cm hoch, aber leicht transportabel, hatte ungefähr die Form eines Eies, von dem der eine Pol quer abgeschlagen ist und wurde beim Gebrauch in die Erde gesteckt. Ausser den Nüssen zerstampften sie darin auch Fleisch und Knochen.
Wenn die Frauen nach Thereza Christina heimkamen, gaben sie den Männern "carne de coco", Nuss-Fleisch, und erhielten, was übrig geblieben war, von "carne de gado", Rindfleisch. Salz und Speck wurden verschmäht. Während Wildschwein ihre Lieblingsspeise war, wiesen sie das Fleisch des Hausschweins zurück, weil das Tier von seinem Besitzer aufgezogen war. Wenn ein Milch- schweinchen bei den Offizieren aufgetragen wurde, liefen sie aus dem Zimmer. Diesen Skrupel hatten sie bei Sandflöhen, die sie sich ausschälten, nicht (wir beobachten eine Indianerin, wie sie die kleine Operation mit einer, von unserm schon gedeckten Tisch weggenommenen Gabel erledigte). "Sandflöhe ässen sie,
nommen hatten, meine Körpergrösse angezeichnet. Ein Stück Kohle wurde mit den Zähnen zerknuspert, mit Speichel in der Hand zerrieben und über meinem Kopf ein schwarzer Ring um den Pfosten gemalt.
Nahrung; „Einsegnung“. Nach Clemente’s Bericht hat trotz aller Jägerei die vegetabilische, von den Frauen beschaffte Nahrung, weil sie regelmässiger und reichlich eingeht, die grösste Wichtigkeit. Die Frauen suchen Wurzeln mit einem spitzen Stock, klettern mit grosser Gewandtheit auf die Palmen, unter denen der Oaussú und Akurí der Vorrang gebührt, sammeln die Nüsse, schneiden in der Krone den »Palmkohl«, suchen Jatobá- und Pikífrüchte und dergleichen mehr. Die Palmnüsse werden geröstet oder im Mörser zerstampft und mit Wasser zu einem breiigen Getränk verrührt, dem Erfrischungstrank, der dem Stärkekleister oder der Pikíbrühe des Kulisehu entspricht und dem Gast kredenzt wird. Der Maisbrei, den wir im Ranchão kennen lernten, fehlt in den Dorf- schaften, da es keinen Mais giebt. Die Frauen bereiten die vegetabilische
[Abbildung]
[Abbildung]
Abb. 142.
Wassertopf und Topfschale. Bororó. (⅛ nat. Gr.)
Nahrung zu. Sie verfer- tigen auch die Töpfe, die nur in geringer An- zahl vorhanden waren. Es gab zwei Arten, eine offene Schale ruóbo, in der man kochte, und eine póli mit kurzem Hals und schmalem Boden, fast von der Form des Mör- sers, der auch als Ge- fäss benutzt wurde, zur Aufbewahrung von Wasser. Sie waren sehr roh, schwach gebrannt, innen nicht lackiert. Der Mörser, plump geschnitzt, nur etwa 40 cm hoch, aber leicht transportabel, hatte ungefähr die Form eines Eies, von dem der eine Pol quer abgeschlagen ist und wurde beim Gebrauch in die Erde gesteckt. Ausser den Nüssen zerstampften sie darin auch Fleisch und Knochen.
Wenn die Frauen nach Thereza Christina heimkamen, gaben sie den Männern »carne de coco«, Nuss-Fleisch, und erhielten, was übrig geblieben war, von »carne de gado«, Rindfleisch. Salz und Speck wurden verschmäht. Während Wildschwein ihre Lieblingsspeise war, wiesen sie das Fleisch des Hausschweins zurück, weil das Tier von seinem Besitzer aufgezogen war. Wenn ein Milch- schweinchen bei den Offizieren aufgetragen wurde, liefen sie aus dem Zimmer. Diesen Skrupel hatten sie bei Sandflöhen, die sie sich ausschälten, nicht (wir beobachten eine Indianerin, wie sie die kleine Operation mit einer, von unserm schon gedeckten Tisch weggenommenen Gabel erledigte). »Sandflöhe ässen sie,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0562"n="490"/>
nommen hatten, meine Körpergrösse angezeichnet. Ein Stück Kohle wurde mit<lb/>
den Zähnen zerknuspert, mit Speichel in der Hand zerrieben und über meinem<lb/>
Kopf ein schwarzer Ring um den Pfosten gemalt.</p><lb/><p><hirendition="#b">Nahrung; „Einsegnung“.</hi> Nach Clemente’s Bericht hat trotz aller Jägerei<lb/>
die <hirendition="#g">vegetabilische</hi>, von den Frauen beschaffte Nahrung, weil sie regelmässiger<lb/>
und reichlich eingeht, die <hirendition="#g">grösste Wichtigkeit</hi>. Die Frauen suchen Wurzeln<lb/>
mit einem spitzen Stock, klettern mit grosser Gewandtheit auf die Palmen, unter<lb/>
denen der Oaussú und Akurí der Vorrang gebührt, sammeln die Nüsse, schneiden<lb/>
in der Krone den »Palmkohl«, suchen Jatobá- und Pikífrüchte und dergleichen<lb/>
mehr. Die Palmnüsse werden geröstet oder im Mörser zerstampft und mit<lb/>
Wasser zu einem breiigen Getränk verrührt, dem Erfrischungstrank, der dem<lb/>
Stärkekleister oder der Pikíbrühe des Kulisehu entspricht und dem Gast kredenzt<lb/>
wird. Der Maisbrei, den wir im Ranchão kennen lernten, fehlt in den Dorf-<lb/>
schaften, da es keinen Mais giebt. Die Frauen bereiten die vegetabilische<lb/><figure/><figure><head>Abb. 142. </head><p><hirendition="#g">Wassertopf und Topfschale</hi>. Bororó. (⅛ nat. Gr.)</p></figure><lb/>
Nahrung zu. Sie verfer-<lb/>
tigen auch die <hirendition="#g">Töpfe</hi>,<lb/>
die nur in geringer An-<lb/>
zahl vorhanden waren.<lb/>
Es gab zwei Arten, eine<lb/>
offene Schale <hirendition="#i">ruóbo</hi>, in<lb/>
der man kochte, und eine<lb/><hirendition="#i">póli</hi> mit kurzem Hals und<lb/>
schmalem Boden, fast<lb/>
von der Form des <hirendition="#g">Mör-<lb/>
sers</hi>, der <hirendition="#g">auch</hi> als <hirendition="#g">Ge-<lb/>
fäss benutzt</hi> wurde,<lb/>
zur Aufbewahrung von<lb/>
Wasser. Sie waren sehr<lb/>
roh, schwach gebrannt, innen nicht lackiert. Der Mörser, plump geschnitzt,<lb/>
nur etwa 40 cm hoch, aber leicht transportabel, hatte ungefähr die Form eines<lb/>
Eies, von dem der eine Pol quer abgeschlagen ist und wurde beim Gebrauch<lb/>
in die Erde gesteckt. Ausser den Nüssen zerstampften sie darin auch Fleisch<lb/>
und Knochen.</p><lb/><p>Wenn die Frauen nach Thereza Christina heimkamen, gaben sie den Männern<lb/>
»carne de coco«, Nuss-Fleisch, und erhielten, was übrig geblieben war, von<lb/>
»carne de gado«, Rindfleisch. Salz und Speck wurden verschmäht. Während<lb/>
Wildschwein ihre Lieblingsspeise war, wiesen sie das Fleisch des Hausschweins<lb/>
zurück, weil das Tier von seinem Besitzer aufgezogen war. Wenn ein Milch-<lb/>
schweinchen bei den Offizieren aufgetragen wurde, liefen sie aus dem Zimmer.<lb/>
Diesen Skrupel hatten sie bei Sandflöhen, die sie sich ausschälten, nicht (wir<lb/>
beobachten eine Indianerin, wie sie die kleine Operation mit einer, von unserm<lb/>
schon gedeckten Tisch weggenommenen Gabel erledigte). »Sandflöhe ässen sie,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[490/0562]
nommen hatten, meine Körpergrösse angezeichnet. Ein Stück Kohle wurde mit
den Zähnen zerknuspert, mit Speichel in der Hand zerrieben und über meinem
Kopf ein schwarzer Ring um den Pfosten gemalt.
Nahrung; „Einsegnung“. Nach Clemente’s Bericht hat trotz aller Jägerei
die vegetabilische, von den Frauen beschaffte Nahrung, weil sie regelmässiger
und reichlich eingeht, die grösste Wichtigkeit. Die Frauen suchen Wurzeln
mit einem spitzen Stock, klettern mit grosser Gewandtheit auf die Palmen, unter
denen der Oaussú und Akurí der Vorrang gebührt, sammeln die Nüsse, schneiden
in der Krone den »Palmkohl«, suchen Jatobá- und Pikífrüchte und dergleichen
mehr. Die Palmnüsse werden geröstet oder im Mörser zerstampft und mit
Wasser zu einem breiigen Getränk verrührt, dem Erfrischungstrank, der dem
Stärkekleister oder der Pikíbrühe des Kulisehu entspricht und dem Gast kredenzt
wird. Der Maisbrei, den wir im Ranchão kennen lernten, fehlt in den Dorf-
schaften, da es keinen Mais giebt. Die Frauen bereiten die vegetabilische
[Abbildung]
[Abbildung Abb. 142. Wassertopf und Topfschale. Bororó. (⅛ nat. Gr.)]
Nahrung zu. Sie verfer-
tigen auch die Töpfe,
die nur in geringer An-
zahl vorhanden waren.
Es gab zwei Arten, eine
offene Schale ruóbo, in
der man kochte, und eine
póli mit kurzem Hals und
schmalem Boden, fast
von der Form des Mör-
sers, der auch als Ge-
fäss benutzt wurde,
zur Aufbewahrung von
Wasser. Sie waren sehr
roh, schwach gebrannt, innen nicht lackiert. Der Mörser, plump geschnitzt,
nur etwa 40 cm hoch, aber leicht transportabel, hatte ungefähr die Form eines
Eies, von dem der eine Pol quer abgeschlagen ist und wurde beim Gebrauch
in die Erde gesteckt. Ausser den Nüssen zerstampften sie darin auch Fleisch
und Knochen.
Wenn die Frauen nach Thereza Christina heimkamen, gaben sie den Männern
»carne de coco«, Nuss-Fleisch, und erhielten, was übrig geblieben war, von
»carne de gado«, Rindfleisch. Salz und Speck wurden verschmäht. Während
Wildschwein ihre Lieblingsspeise war, wiesen sie das Fleisch des Hausschweins
zurück, weil das Tier von seinem Besitzer aufgezogen war. Wenn ein Milch-
schweinchen bei den Offizieren aufgetragen wurde, liefen sie aus dem Zimmer.
Diesen Skrupel hatten sie bei Sandflöhen, die sie sich ausschälten, nicht (wir
beobachten eine Indianerin, wie sie die kleine Operation mit einer, von unserm
schon gedeckten Tisch weggenommenen Gabel erledigte). »Sandflöhe ässen sie,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/562>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.