den schon erwähnten Grossvater der Kaschibi, und einen andern Tschenikaure, was soviel heisst als "grosser Jaguar". Tschenikaure tötete den Kamazu und dessen Frau und verzehrte sie. Ihr Sohn Waikomone wurde von der Gross- mutter Arauriru aufgezogen; als er erwachsen war und mit Pfeilen schiessen konnte, erschoss er den grossen Jaguar und zog ihm das Fell mit dem langen Schwanz ab, das er in einem Sack mitnahm. Aus den sechs Pfeilen des Tschenikaure entstanden die Bakairi, die in der Paressisprache Matokozo ge- nannt wurden. Zur Sippe des grossen Jaguars gehörten noch andere Stämme, die alle "bugre bravo", Wilde seien und Menschenfleisch ässen! So beschuldigt ein Stamm den andern kannibalischer Sitten und schiebt ihm die Abstammung von dem menschenfressenden Jaguar zu.
Waikomone scheint neben Uazale die grösste Bedeutung zu haben. Er habe mit ihm die Frau getauscht. Er wurde auch einmal als sein Sohn bezeichnet. Mit drei Brüdern Uazulukuhirare, Kerokama und Uazulie ging er nach seinem Tode zum Himmel; sie empfangen dort die toten Paressi, die sie mit Uruku bemalen, schmücken und denen sie eine Tonsur scheeren. Diese vier werden als noschinu bezeichnet (noschi Enkel) und gelten den christlichen Paressi als die "Engel". "Ficarao bonito", "sie wurden schön" und so wird auch jeder Paressi, der oben ankommt "bonito". Im Himmel ist Alles "bonito mesmo", sehr schön, "bonito como aqui na cidade", schön wie hier in der Stadt! Wai- komone und seine drei Genossen vom Empfangscomite "nao gostao de mulher", haben (wahrscheinlich als asketische Medizinmänner) keinen Geschmack an Frauen, doch hat Waikomone im Himmel sich einen Sohn aus Blättern gemacht, die er in die Hand nahm, und die wuchsen und wuchsen, bis es ein Mensch war, Hoholure. Dieser Hoholure verheiratet sich mit "allen hübschen Frauen", die hier unten sterben und nach oben kommen. Ein Schwager von ihm heisst Duzuhaye, der auch im Himmel ist und viele Söhne besitzt, ein anderer Makakoare. Die Fülle der Namen ist unerschöpflich; man sollte glauben, jeder Paressi sorge dafür, dass sein Grossvater im Himmel einen guten Posten hat.
Dagegen wimmelt es auf der Erde noch von allerlei Geschöpfen, die mit den Paressi nicht verwandt, verschwägert oder befreundet, sondern die ihnen im Gegentheil feindlich sind und sie zu fressen suchen. Sie fressen "nicht nur die Sünder, oh nein, auch gute Menschen".
Iwakane, mit starkem Haarwust bis tief über die Augen, auf dem Grund der Flüsse. Man sieht ihn niemals, aber man hört ihn, wie er hm, hm oder hum, hum macht. Er ist in allen Flüssen, selbst in den Quellbächen. Er hat auch eine Frau.
Kokuimorö. Im Fluss. Sieht aus wie eine Fledermaus, hat eine Flughaut, einen Fledermausschwanz, einen Ararakopf. Fliegt des Nachts umher und schreit ,kwi kwi kwi" mit einer feinen hohen Stimme, ähnlich dem Falkenruf. Früh Morgens taucht er in's Wasser.
Tolua. Im Fluss. Ziemlich klein, weisslich. Gluckst des Nachts "turu, turu" (daher der Name). Kommt aus dem Wasser hervor und begiebt sich in den Wald.
den schon erwähnten Grossvater der Kaschibí, und einen andern Tschenikauré, was soviel heisst als »grosser Jaguar«. Tschenikauré tötete den Kamázu und dessen Frau und verzehrte sie. Ihr Sohn Waikomoné wurde von der Gross- mutter Araurirú aufgezogen; als er erwachsen war und mit Pfeilen schiessen konnte, erschoss er den grossen Jaguar und zog ihm das Fell mit dem langen Schwanz ab, das er in einem Sack mitnahm. Aus den sechs Pfeilen des Tschenikauré entstanden die Bakaïrí, die in der Paressísprache Matokozó ge- nannt wurden. Zur Sippe des grossen Jaguars gehörten noch andere Stämme, die alle »bugre bravo«, Wilde seien und Menschenfleisch ässen! So beschuldigt ein Stamm den andern kannibalischer Sitten und schiebt ihm die Abstammung von dem menschenfressenden Jaguar zu.
Waikomoné scheint neben Uazale die grösste Bedeutung zu haben. Er habe mit ihm die Frau getauscht. Er wurde auch einmal als sein Sohn bezeichnet. Mit drei Brüdern Uazúlukuhiraré, Kerokamá und Uazulié ging er nach seinem Tode zum Himmel; sie empfangen dort die toten Paressí, die sie mit Urukú bemalen, schmücken und denen sie eine Tonsur scheeren. Diese vier werden als noschinú bezeichnet (nóschi Enkel) und gelten den christlichen Paressí als die »Engel«. »Ficarão bonito«, »sie wurden schön« und so wird auch jeder Paressí, der oben ankommt »bonito«. Im Himmel ist Alles »bonito mesmo«, sehr schön, »bonito como aquí na cidade«, schön wie hier in der Stadt! Wai- komoné und seine drei Genossen vom Empfangscomité »não gostão de mulher«, haben (wahrscheinlich als asketische Medizinmänner) keinen Geschmack an Frauen, doch hat Waikomoné im Himmel sich einen Sohn aus Blättern gemacht, die er in die Hand nahm, und die wuchsen und wuchsen, bis es ein Mensch war, Hoholuré. Dieser Hoholuré verheiratet sich mit »allen hübschen Frauen«, die hier unten sterben und nach oben kommen. Ein Schwager von ihm heisst Duzuhayé, der auch im Himmel ist und viele Söhne besitzt, ein anderer Makakoaré. Die Fülle der Namen ist unerschöpflich; man sollte glauben, jeder Paressí sorge dafür, dass sein Grossvater im Himmel einen guten Posten hat.
Dagegen wimmelt es auf der Erde noch von allerlei Geschöpfen, die mit den Paressí nicht verwandt, verschwägert oder befreundet, sondern die ihnen im Gegentheil feindlich sind und sie zu fressen suchen. Sie fressen »nicht nur die Sünder, oh nein, auch gute Menschen«.
Iwakané, mit starkem Haarwust bis tief über die Augen, auf dem Grund der Flüsse. Man sieht ihn niemals, aber man hört ihn, wie er hm, hm oder hum, hum macht. Er ist in allen Flüssen, selbst in den Quellbächen. Er hat auch eine Frau.
Kokuimorö́. Im Fluss. Sieht aus wie eine Fledermaus, hat eine Flughaut, einen Fledermausschwanz, einen Ararakopf. Fliegt des Nachts umher und schreit ‚kwi kwí kwí“ mit einer feinen hohen Stimme, ähnlich dem Falkenruf. Früh Morgens taucht er in’s Wasser.
Toluá. Im Fluss. Ziemlich klein, weisslich. Gluckst des Nachts „turú, turú“ (daher der Name). Kommt aus dem Wasser hervor und begiebt sich in den Wald.
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den schon erwähnten Grossvater der Kaschibí, und einen andern Tschenikauré,
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dessen Frau und verzehrte sie. Ihr Sohn Waikomoné wurde von der Gross-
mutter Araurirú aufgezogen; als er erwachsen war und mit Pfeilen schiessen
konnte, erschoss er den grossen Jaguar und zog ihm das Fell mit dem langen
Schwanz ab, das er in einem Sack mitnahm. Aus den sechs Pfeilen des
Tschenikauré entstanden die Bakaïrí, die in der Paressísprache Matokozó ge-
nannt wurden. Zur Sippe des grossen Jaguars gehörten noch andere Stämme,
die alle »bugre bravo«, Wilde seien und Menschenfleisch ässen! So beschuldigt
ein Stamm den andern kannibalischer Sitten und schiebt ihm die Abstammung
von dem menschenfressenden Jaguar zu.
Waikomoné scheint neben Uazale die grösste Bedeutung zu haben. Er habe
mit ihm die Frau getauscht. Er wurde auch einmal als sein Sohn bezeichnet.
Mit drei Brüdern Uazúlukuhiraré, Kerokamá und Uazulié ging er nach
seinem Tode zum Himmel; sie empfangen dort die toten Paressí, die sie mit
Urukú bemalen, schmücken und denen sie eine Tonsur scheeren. Diese vier
werden als noschinú bezeichnet (nóschi Enkel) und gelten den christlichen Paressí
als die »Engel«. »Ficarão bonito«, »sie wurden schön« und so wird auch jeder
Paressí, der oben ankommt »bonito«. Im Himmel ist Alles »bonito mesmo«,
sehr schön, »bonito como aquí na cidade«, schön wie hier in der Stadt! Wai-
komoné und seine drei Genossen vom Empfangscomité »não gostão de mulher«,
haben (wahrscheinlich als asketische Medizinmänner) keinen Geschmack an Frauen,
doch hat Waikomoné im Himmel sich einen Sohn aus Blättern gemacht, die er in
die Hand nahm, und die wuchsen und wuchsen, bis es ein Mensch war, Hoholuré.
Dieser Hoholuré verheiratet sich mit »allen hübschen Frauen«, die hier unten
sterben und nach oben kommen. Ein Schwager von ihm heisst Duzuhayé, der
auch im Himmel ist und viele Söhne besitzt, ein anderer Makakoaré. Die Fülle
der Namen ist unerschöpflich; man sollte glauben, jeder Paressí sorge dafür, dass
sein Grossvater im Himmel einen guten Posten hat.
Dagegen wimmelt es auf der Erde noch von allerlei Geschöpfen, die mit
den Paressí nicht verwandt, verschwägert oder befreundet, sondern die ihnen im
Gegentheil feindlich sind und sie zu fressen suchen. Sie fressen »nicht nur die
Sünder, oh nein, auch gute Menschen«.
Iwakané, mit starkem Haarwust bis tief über die Augen, auf dem Grund der
Flüsse. Man sieht ihn niemals, aber man hört ihn, wie er hm, hm oder hum, hum
macht. Er ist in allen Flüssen, selbst in den Quellbächen. Er hat auch eine Frau.
Kokuimorö́. Im Fluss. Sieht aus wie eine Fledermaus, hat eine Flughaut,
einen Fledermausschwanz, einen Ararakopf. Fliegt des Nachts umher und schreit
‚kwi kwí kwí“ mit einer feinen hohen Stimme, ähnlich dem Falkenruf. Früh
Morgens taucht er in’s Wasser.
Toluá. Im Fluss. Ziemlich klein, weisslich. Gluckst des Nachts „turú, turú“
(daher der Name). Kommt aus dem Wasser hervor und begiebt sich in den Wald.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/503>, abgerufen am 22.11.2024.
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