nach dem am folgenden Tage, den 7. September, in Brasilien gefeierten Fest der Unabhängigkeitserklärung den "Pouso da Independencia", oder kurzweg "Independencia".
Somit kann ich die Umrisse unserer Landreise für den Hinweg unter Zu- fügung der wichtigsten Daten in den Hauptzügen folgendermassen angeben:
28. Juli 1887 Abmarsch von Cuyaba -- über einige linke Nebenflüsse des Rio Cuyaba und zwar am 2. August über den Coxipo assu (den "grossen" Coxipo), vom 4. bis 7. Aug. über den Rio Manso -- 9. Aug. zum Rio Marzagao und 10. Aug. Anstieg auf die "Serra" -- 12. Aug. Fazenda Cuyabasinho im Quellgebiet des Cuyaba -- über die Wasserscheide zum Paranatinga und Aufenthalt vom 16. bis 19. Aug. an seinem linken Ufer im Bakairidorf -- 20. Aug. rechtes Ufer des Paranatinga -- über die Quellbäche des Ronuro nach dem Quellgebiet des Batovy: 25. Aug. Westarm, 26. Aug. Mittelarm des Batovy -- 27. Aug. über den Ost- arm des Batovy und über die Wasserscheide zum ersten kleinen Kulisehu-Quell- bach -- endlich am 6. September nach vieler Mühsal macht die erschöpfte Truppe Halt in dem Independencia-Lager.
Da ich mich des geographischen Berichtes enthalten will, brauche ich dem freundlichen Leser auch nicht zuzumuten, bei jedem "Descanso" oder "Pouso", wie wir uns nach unsern brasilischen Gefährten den Ort der Mittagpause und des Nachtlagers zu nennen gewöhnt hatten, Halt zu machen und jeden kleinen Fort- schritt an der Hand von Tagebuch und Karte zu verfolgen. Ich beschränke mich auf eine allgemeine Skizze des Terrains und ein paar Augenblicksbilder aus unserm Leben auf dem Marsche.
Hochebene und Sertao. Die Reliefformen unseres Gebiets sind in ihren Grundzügen leicht zu verstehen. Ein gewaltiges Sandsteinplateau, das horizontal geschichteten Urschiefern aufruht, ist den vereinigten mechanischen und chemischen Angriffen von Wasser und Wind ausgesetzt gewesen und hat um so grössere Veränderungen erfahren müssen, als die Gegensätze von Regenzeit und Trocken- zeit und die Temperaturdifferenzen von Tag und Nacht sehr scharf ausgesprochen sind. Ueber die Oberfläche weit zerstreut liegen die harten Knollen der "Canga", die Schlacken des ausgewaschenen und verwitterten eisenschüssigen Sandsteins; in den tieferen Einschnitten tritt der Schiefer zu Tage, und zuweilen wandert man, während der Weg sonst mit gelbrötlichem Sand bedeckt zu sein pflegt, auf grauem hartem wie zementirtem Boden. Aus dem alten Plateaumassiv ist ein Terrassenland geworden mit teilweise sanft geböschten, teilweise steilen Stufen. Als Zeugen für die ursprüngliche Mächtigkeit erheben sich auf seiner breiten Fläche hier und da mit steilen Hängen isolirte Tafelberge oder richtiger, da sie nur eine durchschnittliche Höhe von etwa 80 m haben, Tafelhügel, die "morros" der Brasilier.
Ungemein jäh fällt das Plateau an seinem Westrand im Nordosten von der Hauptstadt zu der 600 bis 700 m tiefer gelegenen Thalsohle des Rio Cuyaba
nach dem am folgenden Tage, den 7. September, in Brasilien gefeierten Fest der Unabhängigkeitserklärung den »Pouso da Independencia«, oder kurzweg »Independencia«.
Somit kann ich die Umrisse unserer Landreise für den Hinweg unter Zu- fügung der wichtigsten Daten in den Hauptzügen folgendermassen angeben:
28. Juli 1887 Abmarsch von Cuyabá — über einige linke Nebenflüsse des Rio Cuyabá und zwar am 2. August über den Coxipó assú (den »grossen« Coxipó), vom 4. bis 7. Aug. über den Rio Manso — 9. Aug. zum Rio Marzagão und 10. Aug. Anstieg auf die »Serra« — 12. Aug. Fazenda Cuyabasinho im Quellgebiet des Cuyabá — über die Wasserscheide zum Paranatinga und Aufenthalt vom 16. bis 19. Aug. an seinem linken Ufer im Bakaïrídorf — 20. Aug. rechtes Ufer des Paranatinga — über die Quellbäche des Ronuro nach dem Quellgebiet des Batovy: 25. Aug. Westarm, 26. Aug. Mittelarm des Batovy — 27. Aug. über den Ost- arm des Batovy und über die Wasserscheide zum ersten kleinen Kulisehu-Quell- bach — endlich am 6. September nach vieler Mühsal macht die erschöpfte Truppe Halt in dem Independencia-Lager.
Da ich mich des geographischen Berichtes enthalten will, brauche ich dem freundlichen Leser auch nicht zuzumuten, bei jedem »Descanso« oder »Pouso«, wie wir uns nach unsern brasilischen Gefährten den Ort der Mittagpause und des Nachtlagers zu nennen gewöhnt hatten, Halt zu machen und jeden kleinen Fort- schritt an der Hand von Tagebuch und Karte zu verfolgen. Ich beschränke mich auf eine allgemeine Skizze des Terrains und ein paar Augenblicksbilder aus unserm Leben auf dem Marsche.
Hochebene und Sertão. Die Reliefformen unseres Gebiets sind in ihren Grundzügen leicht zu verstehen. Ein gewaltiges Sandsteinplateau, das horizontal geschichteten Urschiefern aufruht, ist den vereinigten mechanischen und chemischen Angriffen von Wasser und Wind ausgesetzt gewesen und hat um so grössere Veränderungen erfahren müssen, als die Gegensätze von Regenzeit und Trocken- zeit und die Temperaturdifferenzen von Tag und Nacht sehr scharf ausgesprochen sind. Ueber die Oberfläche weit zerstreut liegen die harten Knollen der »Canga«, die Schlacken des ausgewaschenen und verwitterten eisenschüssigen Sandsteins; in den tieferen Einschnitten tritt der Schiefer zu Tage, und zuweilen wandert man, während der Weg sonst mit gelbrötlichem Sand bedeckt zu sein pflegt, auf grauem hartem wie zementirtem Boden. Aus dem alten Plateaumassiv ist ein Terrassenland geworden mit teilweise sanft geböschten, teilweise steilen Stufen. Als Zeugen für die ursprüngliche Mächtigkeit erheben sich auf seiner breiten Fläche hier und da mit steilen Hängen isolirte Tafelberge oder richtiger, da sie nur eine durchschnittliche Höhe von etwa 80 m haben, Tafelhügel, die »morros« der Brasilier.
Ungemein jäh fällt das Plateau an seinem Westrand im Nordosten von der Hauptstadt zu der 600 bis 700 m tiefer gelegenen Thalsohle des Rio Cuyabá
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[18/0042]
nach dem am folgenden Tage, den 7. September, in Brasilien gefeierten Fest
der Unabhängigkeitserklärung den »Pouso da Independencia«, oder kurzweg
»Independencia«.
Somit kann ich die Umrisse unserer Landreise für den Hinweg unter Zu-
fügung der wichtigsten Daten in den Hauptzügen folgendermassen angeben:
28. Juli 1887 Abmarsch von Cuyabá — über einige linke Nebenflüsse des
Rio Cuyabá und zwar am 2. August über den Coxipó assú (den »grossen« Coxipó),
vom 4. bis 7. Aug. über den Rio Manso — 9. Aug. zum Rio Marzagão und 10. Aug.
Anstieg auf die »Serra« — 12. Aug. Fazenda Cuyabasinho im Quellgebiet des
Cuyabá — über die Wasserscheide zum Paranatinga und Aufenthalt vom 16. bis
19. Aug. an seinem linken Ufer im Bakaïrídorf — 20. Aug. rechtes Ufer des
Paranatinga — über die Quellbäche des Ronuro nach dem Quellgebiet des Batovy:
25. Aug. Westarm, 26. Aug. Mittelarm des Batovy — 27. Aug. über den Ost-
arm des Batovy und über die Wasserscheide zum ersten kleinen Kulisehu-Quell-
bach — endlich am 6. September nach vieler Mühsal macht die erschöpfte Truppe
Halt in dem Independencia-Lager.
Da ich mich des geographischen Berichtes enthalten will, brauche ich dem
freundlichen Leser auch nicht zuzumuten, bei jedem »Descanso« oder »Pouso«,
wie wir uns nach unsern brasilischen Gefährten den Ort der Mittagpause und des
Nachtlagers zu nennen gewöhnt hatten, Halt zu machen und jeden kleinen Fort-
schritt an der Hand von Tagebuch und Karte zu verfolgen. Ich beschränke
mich auf eine allgemeine Skizze des Terrains und ein paar Augenblicksbilder aus
unserm Leben auf dem Marsche.
Hochebene und Sertão. Die Reliefformen unseres Gebiets sind in ihren
Grundzügen leicht zu verstehen. Ein gewaltiges Sandsteinplateau, das horizontal
geschichteten Urschiefern aufruht, ist den vereinigten mechanischen und chemischen
Angriffen von Wasser und Wind ausgesetzt gewesen und hat um so grössere
Veränderungen erfahren müssen, als die Gegensätze von Regenzeit und Trocken-
zeit und die Temperaturdifferenzen von Tag und Nacht sehr scharf ausgesprochen
sind. Ueber die Oberfläche weit zerstreut liegen die harten Knollen der »Canga«,
die Schlacken des ausgewaschenen und verwitterten eisenschüssigen Sandsteins;
in den tieferen Einschnitten tritt der Schiefer zu Tage, und zuweilen wandert
man, während der Weg sonst mit gelbrötlichem Sand bedeckt zu sein pflegt,
auf grauem hartem wie zementirtem Boden. Aus dem alten Plateaumassiv ist
ein Terrassenland geworden mit teilweise sanft geböschten, teilweise steilen Stufen.
Als Zeugen für die ursprüngliche Mächtigkeit erheben sich auf seiner breiten
Fläche hier und da mit steilen Hängen isolirte Tafelberge oder richtiger, da sie
nur eine durchschnittliche Höhe von etwa 80 m haben, Tafelhügel, die »morros«
der Brasilier.
Ungemein jäh fällt das Plateau an seinem Westrand im Nordosten von der
Hauptstadt zu der 600 bis 700 m tiefer gelegenen Thalsohle des Rio Cuyabá
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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