selbst. Wann beginnt nun die Couvade und wann hört sie auf? Der Vater durchschneidet die Nabelschnur des Neugeborenen, fastet streng, pflegt das Kind und ist wieder ein freier Mann, wenn der Rest der Nabelschnur abfällt. Er durchschneidet die Nabelschnur bei den Bakairi den Knaben mit Kambayuvarohr, den Mädchen mit Takoarabambus.
Vergleichen wir hiermit die Notiz bei Martius über die Passes, wo die Gebräuche besonders klar als medizinische zu erkennen sind, wenn die Jung- frau beim Eintritt der Menses einen Monat fastet, die Wöchnerin einen Monat im Dunkeln bleibt, und, "wie der Gatte, auf die Kost von Mandioka, Beiju und Mehlsuppe angewiesen ist. Der Gatte färbt sich schwarz und bleibt während der ganzen Fastenzeit oder bis dem Säuglinge die vertrocknete Nabelschnur abfällt (sechs bis acht Tage), in der Hängematte. Er selbst pflegt die Nabelschnur mit den Zähnen oder scharfen Steinen zu durchschneiden, wenn er kein Messer hat." Besonders wichtig ist jedoch ein uns in der Klosterbibliothek von Evora, der Hauptstadt der portugiesischen Provinz Alemtejo, erhaltenes Manu- skript des Jesuiten Fernao Cardim von 1584*), das viele zuverlässige Beob- achtungen enthält. "Die Frauen gebären auf dem Boden, sie heben das Kind nicht auf, sondern der Vater hebt es auf oder irgend eine Person, die sie zum Gevatter nehmen und mit denen sie Freundschaft halten wie die Gevattern unter den Christen; der Vater zerschneidet die Nabelschnur mit den Zähnen oder mit zwei Steinen, einem über dem andern, und sogleichdarauf legt er sich zu fasten, bis der Nabel abfällt, was gewöhnlich bis zu 8 Tagen währt, und bis er ihm nicht abfalle, lassen sie nicht das Fasten, und beim Abfallen macht er, wenn es ein Knabe ist, einen Bogen mit Pfeilen und befestigt ihn an dem Strickbündel der Hängematte, und an dem andern Strickbündel befestigt er viele Kräuterbündel, die die Feinde sind, die sein Sohn töten und verzehren soll, und nachdem diese Zeremonien vorbei sind, machen sie Wein, an dem sich alle erfreuen."
Man könnte den Vater nach diesen wertvollen Angaben, die genau mit denen am Schingu übereinstimmen, für den behandelnden Arzt erklären, der etwa auch fastet wie der studierende Medizinmann, durch anderes Verhalten seine Kur gefährden und dem Kinde schaden würde. Allein nicht nur die Schinguleute, sondern auch viele andere Stämme sagen, der Vater dürfe Fisch, Fleisch und Früchte nicht essen, weil es dasselbe sei als wenn das Kind selbst es ässe, und es ist nicht einzusehen, warum man den Eingeborenen nicht glauben soll, dass sie das glauben. Auch stände der Medizinmann des Dorfes immer zur Ver- fügung, und er wird in allen andern Fällen gerufen, wenn Mutter oder Kind erkranken.
Der Vater ist Patient, insofern er sich mit dem Neugeborenen eins fühlt. Wie er dazu kommt, ist doch auch wirklich nicht so schwer zu verstehen.
*) Do principio e origem dos Indios do Brazil. Rio de Janeiro. 1881.
selbst. Wann beginnt nun die Couvade und wann hört sie auf? Der Vater durchschneidet die Nabelschnur des Neugeborenen, fastet streng, pflegt das Kind und ist wieder ein freier Mann, wenn der Rest der Nabelschnur abfällt. Er durchschneidet die Nabelschnur bei den Bakaïrí den Knaben mit Kambayuvarohr, den Mädchen mit Takoarabambus.
Vergleichen wir hiermit die Notiz bei Martius über die Passés, wo die Gebräuche besonders klar als medizinische zu erkennen sind, wenn die Jung- frau beim Eintritt der Menses einen Monat fastet, die Wöchnerin einen Monat im Dunkeln bleibt, und, »wie der Gatte, auf die Kost von Mandioka, Beijú und Mehlsuppe angewiesen ist. Der Gatte färbt sich schwarz und bleibt während der ganzen Fastenzeit oder bis dem Säuglinge die vertrocknete Nabelschnur abfällt (sechs bis acht Tage), in der Hängematte. Er selbst pflegt die Nabelschnur mit den Zähnen oder scharfen Steinen zu durchschneiden, wenn er kein Messer hat.« Besonders wichtig ist jedoch ein uns in der Klosterbibliothek von Evora, der Hauptstadt der portugiesischen Provinz Alemtejo, erhaltenes Manu- skript des Jesuiten Fernão Cardim von 1584*), das viele zuverlässige Beob- achtungen enthält. »Die Frauen gebären auf dem Boden, sie heben das Kind nicht auf, sondern der Vater hebt es auf oder irgend eine Person, die sie zum Gevatter nehmen und mit denen sie Freundschaft halten wie die Gevattern unter den Christen; der Vater zerschneidet die Nabelschnur mit den Zähnen oder mit zwei Steinen, einem über dem andern, und sogleichdarauf legt er sich zu fasten, bis der Nabel abfällt, was gewöhnlich bis zu 8 Tagen währt, und bis er ihm nicht abfalle, lassen sie nicht das Fasten, und beim Abfallen macht er, wenn es ein Knabe ist, einen Bogen mit Pfeilen und befestigt ihn an dem Strickbündel der Hängematte, und an dem andern Strickbündel befestigt er viele Kräuterbündel, die die Feinde sind, die sein Sohn töten und verzehren soll, und nachdem diese Zeremonien vorbei sind, machen sie Wein, an dem sich alle erfreuen.«
Man könnte den Vater nach diesen wertvollen Angaben, die genau mit denen am Schingú übereinstimmen, für den behandelnden Arzt erklären, der etwa auch fastet wie der studierende Medizinmann, durch anderes Verhalten seine Kur gefährden und dem Kinde schaden würde. Allein nicht nur die Schingúleute, sondern auch viele andere Stämme sagen, der Vater dürfe Fisch, Fleisch und Früchte nicht essen, weil es dasselbe sei als wenn das Kind selbst es ässe, und es ist nicht einzusehen, warum man den Eingeborenen nicht glauben soll, dass sie das glauben. Auch stände der Medizinmann des Dorfes immer zur Ver- fügung, und er wird in allen andern Fällen gerufen, wenn Mutter oder Kind erkranken.
Der Vater ist Patient, insofern er sich mit dem Neugeborenen eins fühlt. Wie er dazu kommt, ist doch auch wirklich nicht so schwer zu verstehen.
*) Do principio e origem dos Indios do Brazil. Rio de Janeiro. 1881.
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das Kind und ist wieder ein freier Mann, wenn der Rest der Nabelschnur
abfällt. Er durchschneidet die Nabelschnur bei den Bakaïrí den Knaben mit
Kambayuvarohr, den Mädchen mit Takoarabambus.
Vergleichen wir hiermit die Notiz bei Martius über die Passés, wo die
Gebräuche besonders klar als medizinische zu erkennen sind, wenn die Jung-
frau beim Eintritt der Menses einen Monat fastet, die Wöchnerin einen Monat
im Dunkeln bleibt, und, »wie der Gatte, auf die Kost von Mandioka, Beijú und
Mehlsuppe angewiesen ist. Der Gatte färbt sich schwarz und bleibt während
der ganzen Fastenzeit oder bis dem Säuglinge die vertrocknete Nabelschnur
abfällt (sechs bis acht Tage), in der Hängematte. Er selbst pflegt die
Nabelschnur mit den Zähnen oder scharfen Steinen zu durchschneiden, wenn er kein
Messer hat.« Besonders wichtig ist jedoch ein uns in der Klosterbibliothek von
Evora, der Hauptstadt der portugiesischen Provinz Alemtejo, erhaltenes Manu-
skript des Jesuiten Fernão Cardim von 1584 *), das viele zuverlässige Beob-
achtungen enthält. »Die Frauen gebären auf dem Boden, sie heben das Kind
nicht auf, sondern der Vater hebt es auf oder irgend eine Person, die sie zum
Gevatter nehmen und mit denen sie Freundschaft halten wie die Gevattern unter
den Christen; der Vater zerschneidet die Nabelschnur mit den Zähnen oder mit
zwei Steinen, einem über dem andern, und sogleich darauf legt er sich zu
fasten, bis der Nabel abfällt, was gewöhnlich bis zu 8 Tagen währt, und bis
er ihm nicht abfalle, lassen sie nicht das Fasten, und beim Abfallen
macht er, wenn es ein Knabe ist, einen Bogen mit Pfeilen und befestigt ihn an
dem Strickbündel der Hängematte, und an dem andern Strickbündel befestigt er
viele Kräuterbündel, die die Feinde sind, die sein Sohn töten und verzehren soll,
und nachdem diese Zeremonien vorbei sind, machen sie Wein, an dem sich alle
erfreuen.«
Man könnte den Vater nach diesen wertvollen Angaben, die genau mit
denen am Schingú übereinstimmen, für den behandelnden Arzt erklären, der etwa
auch fastet wie der studierende Medizinmann, durch anderes Verhalten seine Kur
gefährden und dem Kinde schaden würde. Allein nicht nur die Schingúleute,
sondern auch viele andere Stämme sagen, der Vater dürfe Fisch, Fleisch und
Früchte nicht essen, weil es dasselbe sei als wenn das Kind selbst es ässe,
und es ist nicht einzusehen, warum man den Eingeborenen nicht glauben soll,
dass sie das glauben. Auch stände der Medizinmann des Dorfes immer zur Ver-
fügung, und er wird in allen andern Fällen gerufen, wenn Mutter oder Kind
erkranken.
Der Vater ist Patient, insofern er sich mit dem Neugeborenen eins
fühlt. Wie er dazu kommt, ist doch auch wirklich nicht so schwer zu verstehen.
*) Do principio e origem dos Indios do Brazil. Rio de Janeiro. 1881.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/400>, abgerufen am 25.11.2024.
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