in Cuyaba gewesen, hätten um Mitte Mai aufbrechen und die ganze Trockenzeit, die dort von Mai bis September gerechnet wird, und die sich allein zum Reisen mit einer Tropa eignet, voll verwerten können. Zwar gab es in Rio im Museo Nacional und in der Bibliotheca Nacional die Hülle und Fülle für uns zu thun, und leicht hätten wir ein paar Monate mit grossem Nutzen verbleiben können. Allein wir waren ungeduldig, und die schönen Indianersachen, die wir in den Glasschränken sahen, oder von denen wir in den alten Büchern lasen, trieben uns hinaus, statt uns zu halten. Wir beschlossen nach der Provinz St. Catharina zu gehen, dort unseren Dampfer, der in der Hauptstadt Desterro anlaufen würde, abzuwarten und mittlerweile Sambakis zu studieren sowie die deutschen Kolonien aufzusuchen.
Die Untersuchung der Sambakis, der den europäischen Kjökkenmöddingern entsprechenden Muschelhaufen indianischer Vorzeit, war ein altes Lieblingsthema der Anthropologischen Gesellschaft in Berlin; so konnte uns nichts näher liegen als eine Exkursion zu jenen primitiven Kulturstätten, die gute Ausbeute an Stein- geräten und Skeletteilen versprachen.
Am 8. Februar hatte ich noch die Ehre, in einer Sitzung der geographischen Gesellschaft unseren Expeditionsplan zu entwickeln, und am 10. Februar dampften wir ab gen Desterro. Fast 21/2 Monat haben wir dort gewartet. Hätten wir von Anfang an mit einem so langen Aufenthalt rechnen dürfen, was hätten wir nicht alles unternehmen können!
Wenige Tagereisen von den Kolonien sind in den sogenannten "Bugres", die, wenn sie auch den Ges-Stämmen gehören, leider mit Unrecht als "Botokuden" bezeichnet zu werden pflegen, noch ansehnliche Reste der indianischen Bevölkerung vorhanden. Sie bedürfen dringend der Untersuchung. Alljährlich fällt eine An- zahl dieser armen Teufel den Büchsen vorgeschobener Kolonistenposten, besonders der Italiener, zum Opfer. Im Regierungsgebäude von Desterro traf ich mit einem biedern Alten von der "Serra" zusammen, der dort, wie ich selbst, irgend ein Anliegen hatte, und benutzte die Gelegenheit, mich zu erkundigen, ob er mir vielleicht Indianer-Schädel verschaffen könne. Der gute Greis, der mich für einen höheren Beamten zu halten schien, sah mich zu meinem Befremden misstrauisch an und erwiederte nach einigem Zögern: "Die Schädel könnte ich Ihnen schon besorgen. Aber ich muss dann erst mit meinen Nachbarn sprechen, ob sie dabei sind." Das liess tief blicken.
In zwei Monaten wäre es uns vielleicht geglückt, in freundlichere und nützlichere Beziehungen zu den Bugres zu treten. Aber wie die Sache lag, mussten wir ängstlich Sorge tragen, uns nur für kurze Strecken von der Tele- graphenlinie zu entfernen; unter solchen Umständen kam nur Flickwerk zu Stande.
Den März widmeten wir ausschliesslich den Sambakis; wir haben im Ganzen ihrer 14 untersucht und am genauesten diejenigen in der Umgebung von Laguna, einem kleinen Hafen südwestlich von Desterro, kennen gelernt. Ehrenreich allein besuchte die Sambakis in S. Francisco.
1*
in Cuyabá gewesen, hätten um Mitte Mai aufbrechen und die ganze Trockenzeit, die dort von Mai bis September gerechnet wird, und die sich allein zum Reisen mit einer Tropa eignet, voll verwerten können. Zwar gab es in Rio im Museo Nacional und in der Bibliotheca Nacional die Hülle und Fülle für uns zu thun, und leicht hätten wir ein paar Monate mit grossem Nutzen verbleiben können. Allein wir waren ungeduldig, und die schönen Indianersachen, die wir in den Glasschränken sahen, oder von denen wir in den alten Büchern lasen, trieben uns hinaus, statt uns zu halten. Wir beschlossen nach der Provinz St. Catharina zu gehen, dort unseren Dampfer, der in der Hauptstadt Desterro anlaufen würde, abzuwarten und mittlerweile Sambakís zu studieren sowie die deutschen Kolonien aufzusuchen.
Die Untersuchung der Sambakís, der den europäischen Kjökkenmöddingern entsprechenden Muschelhaufen indianischer Vorzeit, war ein altes Lieblingsthema der Anthropologischen Gesellschaft in Berlin; so konnte uns nichts näher liegen als eine Exkursion zu jenen primitiven Kulturstätten, die gute Ausbeute an Stein- geräten und Skeletteilen versprachen.
Am 8. Februar hatte ich noch die Ehre, in einer Sitzung der geographischen Gesellschaft unseren Expeditionsplan zu entwickeln, und am 10. Februar dampften wir ab gen Desterro. Fast 2½ Monat haben wir dort gewartet. Hätten wir von Anfang an mit einem so langen Aufenthalt rechnen dürfen, was hätten wir nicht alles unternehmen können!
Wenige Tagereisen von den Kolonien sind in den sogenannten »Bugres«, die, wenn sie auch den Gēs-Stämmen gehören, leider mit Unrecht als »Botokuden« bezeichnet zu werden pflegen, noch ansehnliche Reste der indianischen Bevölkerung vorhanden. Sie bedürfen dringend der Untersuchung. Alljährlich fällt eine An- zahl dieser armen Teufel den Büchsen vorgeschobener Kolonistenposten, besonders der Italiener, zum Opfer. Im Regierungsgebäude von Desterro traf ich mit einem biedern Alten von der »Serra« zusammen, der dort, wie ich selbst, irgend ein Anliegen hatte, und benutzte die Gelegenheit, mich zu erkundigen, ob er mir vielleicht Indianer-Schädel verschaffen könne. Der gute Greis, der mich für einen höheren Beamten zu halten schien, sah mich zu meinem Befremden misstrauisch an und erwiederte nach einigem Zögern: »Die Schädel könnte ich Ihnen schon besorgen. Aber ich muss dann erst mit meinen Nachbarn sprechen, ob sie dabei sind.« Das liess tief blicken.
In zwei Monaten wäre es uns vielleicht geglückt, in freundlichere und nützlichere Beziehungen zu den Bugres zu treten. Aber wie die Sache lag, mussten wir ängstlich Sorge tragen, uns nur für kurze Strecken von der Tele- graphenlinie zu entfernen; unter solchen Umständen kam nur Flickwerk zu Stande.
Den März widmeten wir ausschliesslich den Sambakís; wir haben im Ganzen ihrer 14 untersucht und am genauesten diejenigen in der Umgebung von Laguna, einem kleinen Hafen südwestlich von Desterro, kennen gelernt. Ehrenreich allein besuchte die Sambakís in S. Francisco.
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mit einer Tropa eignet, voll verwerten können. Zwar gab es in Rio im Museo
Nacional und in der Bibliotheca Nacional die Hülle und Fülle für uns zu thun,
und leicht hätten wir ein paar Monate mit grossem Nutzen verbleiben können.
Allein wir waren ungeduldig, und die schönen Indianersachen, die wir in den
Glasschränken sahen, oder von denen wir in den alten Büchern lasen, trieben uns
hinaus, statt uns zu halten. Wir beschlossen nach der Provinz St. Catharina zu
gehen, dort unseren Dampfer, der in der Hauptstadt Desterro anlaufen würde,
abzuwarten und mittlerweile Sambakís zu studieren sowie die deutschen Kolonien
aufzusuchen.
Die Untersuchung der Sambakís, der den europäischen Kjökkenmöddingern
entsprechenden Muschelhaufen indianischer Vorzeit, war ein altes Lieblingsthema
der Anthropologischen Gesellschaft in Berlin; so konnte uns nichts näher liegen
als eine Exkursion zu jenen primitiven Kulturstätten, die gute Ausbeute an Stein-
geräten und Skeletteilen versprachen.
Am 8. Februar hatte ich noch die Ehre, in einer Sitzung der geographischen
Gesellschaft unseren Expeditionsplan zu entwickeln, und am 10. Februar dampften
wir ab gen Desterro. Fast 2½ Monat haben wir dort gewartet. Hätten wir von
Anfang an mit einem so langen Aufenthalt rechnen dürfen, was hätten wir nicht
alles unternehmen können!
Wenige Tagereisen von den Kolonien sind in den sogenannten »Bugres«,
die, wenn sie auch den Gēs-Stämmen gehören, leider mit Unrecht als »Botokuden«
bezeichnet zu werden pflegen, noch ansehnliche Reste der indianischen Bevölkerung
vorhanden. Sie bedürfen dringend der Untersuchung. Alljährlich fällt eine An-
zahl dieser armen Teufel den Büchsen vorgeschobener Kolonistenposten, besonders
der Italiener, zum Opfer. Im Regierungsgebäude von Desterro traf ich mit einem
biedern Alten von der »Serra« zusammen, der dort, wie ich selbst, irgend ein
Anliegen hatte, und benutzte die Gelegenheit, mich zu erkundigen, ob er mir
vielleicht Indianer-Schädel verschaffen könne. Der gute Greis, der mich für einen
höheren Beamten zu halten schien, sah mich zu meinem Befremden misstrauisch
an und erwiederte nach einigem Zögern: »Die Schädel könnte ich Ihnen schon
besorgen. Aber ich muss dann erst mit meinen Nachbarn sprechen, ob sie dabei
sind.« Das liess tief blicken.
In zwei Monaten wäre es uns vielleicht geglückt, in freundlichere und
nützlichere Beziehungen zu den Bugres zu treten. Aber wie die Sache lag,
mussten wir ängstlich Sorge tragen, uns nur für kurze Strecken von der Tele-
graphenlinie zu entfernen; unter solchen Umständen kam nur Flickwerk zu Stande.
Den März widmeten wir ausschliesslich den Sambakís; wir haben im Ganzen
ihrer 14 untersucht und am genauesten diejenigen in der Umgebung von Laguna,
einem kleinen Hafen südwestlich von Desterro, kennen gelernt. Ehrenreich allein
besuchte die Sambakís in S. Francisco.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/25>, abgerufen am 03.12.2024.
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