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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Bambusquerhölzern, der Eingang bei offener Thüre unten durch ein paar Quer-
stangen gegen hereinlaufende Tiere gesichert; im Palmstrohdach oben arbeitete
ein Bienenschwarm. Eine weisse Hängematte, das Bett ein Gestell mit einem
Ochsenfell belegt und einem Sack als Kopfkissen, auf Gestellen darüber kleine
Säcke mit Bohnen, Reis, Farinha, Salz; unten an der Wand Bruaken, ein Holz-
sattel, ein paar alte Kisten, auf denen Kürbisschalen, Holzlöffel und vier kleine
eiserne Kochtöpfe standen, über der Thüre ein Reitsattel mit Riemenzeug,
daneben ein Strohhut mit einer von der Kinnschnur lang herabhängenden bunten
Troddel, ein dünner Vorderlader, eine klobige Pistole, an einigen Stangen
Leinenzeug, Kleider, Decken, Lassos, auf dem Boden eine Feuerstelle und ein
Haufen Asche, Sandalen, eine grosse Wasserkalabasse, mit einer Kürbisschale
zugedeckt; in einer Ecke, an drei Stricken befestigt, ein aus Aststücken zu-
sammengesetztes dreieckiges Hängebrett mit kaltem Rehbraten und einem Stück
Ameisenbärfleisch belastet. Kein Kaffee, kein Paraguaythee. Eine leere Flasche.
Das war wohl ziemlich genau das sichtbare Inventar.

Die Beiden erschöpften sich in Liebenswürdigkeiten, gaben uns Speck,
Farinha, Rapadura -- Alles einfach, aber für uns grossartig. Auch unterliessen
wir nicht die landesüblichen Förmlichkeiten, dankten verbindlich nach jedem Ge-
richt und baten bei jeder Einzelheit um besondere Erlaubnis, so um einzutreten,
niederzusitzen, Wasser zu nehmen, die Hängematte aufzuhängen u. s. w.

Beim Morgengrauen des 10. Dezember gingen wir fort. Wir hatten noch
ein Nebenflüsschen des S. Manoel, den Paku, der uns aber nur bis an die Hüften
reichte, und ein paar kleinere Bäche zu durchschreiten. Ich musste in jenen
Tagen oft der Hydrographen gedenken, die so zierlich und sauber ihre blauen
Aederchen auf Papier zeichnen.

Um 10 Uhr betraten wir eine kleine Ansiedelung von Arbeitern und sahen
dann unsere berühmte Fazenda S. Manoel gegenüberliegen auf hohem Ufer, in
üppiger Tropenlandschaft ein Bild, das mich lebhaft an Java erinnerte. Lehm-
hütten aus Fachwerk mit Palmstroh gedeckt, ein grosser Viehhof. Ein Rinden-
kanu brachte uns hinüber.

Man sass beim Frühstück. Am liebsten hätte ich einen der Kameraden bei-
seite geschoben und mich an seine Stelle gesetzt. Nun, Jose Confucio -- mit
schwarzem Vollbart, das dicke Haar bis fast auf die Brauen reichend, barfuss in
sauberem Leinenanzug aus Hemd und Hose -- empfing uns mit herzlicher Gast-
freundschaft. Es war urgemütlich. In der einfachen Stube hing als Schmuck
ein Jaguarfell, das am Tage vorher abgezogen war, aufgespannt an der Wand;
der Raum war wieder mit Bruaken und allerlei Vorräten gefüllt, und auf dem
gestampften Boden lag Stroh von Zuckerrohr umher, eine säugende Hündin
war in der einen Ecke gebettet und aus den andern ertönte überallher ein
unermüdliches Kükengepiepe. Bei Tische bedienten uns die Negerin Antoninha
und eine alte Bekannte aus dem Paranatingadorf der Bakairi, die Indianerin
Justiniana.


v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 10

Bambusquerhölzern, der Eingang bei offener Thüre unten durch ein paar Quer-
stangen gegen hereinlaufende Tiere gesichert; im Palmstrohdach oben arbeitete
ein Bienenschwarm. Eine weisse Hängematte, das Bett ein Gestell mit einem
Ochsenfell belegt und einem Sack als Kopfkissen, auf Gestellen darüber kleine
Säcke mit Bohnen, Reis, Farinha, Salz; unten an der Wand Bruaken, ein Holz-
sattel, ein paar alte Kisten, auf denen Kürbisschalen, Holzlöffel und vier kleine
eiserne Kochtöpfe standen, über der Thüre ein Reitsattel mit Riemenzeug,
daneben ein Strohhut mit einer von der Kinnschnur lang herabhängenden bunten
Troddel, ein dünner Vorderlader, eine klobige Pistole, an einigen Stangen
Leinenzeug, Kleider, Decken, Lassos, auf dem Boden eine Feuerstelle und ein
Haufen Asche, Sandalen, eine grosse Wasserkalabasse, mit einer Kürbisschale
zugedeckt; in einer Ecke, an drei Stricken befestigt, ein aus Aststücken zu-
sammengesetztes dreieckiges Hängebrett mit kaltem Rehbraten und einem Stück
Ameisenbärfleisch belastet. Kein Kaffee, kein Paraguaythee. Eine leere Flasche.
Das war wohl ziemlich genau das sichtbare Inventar.

Die Beiden erschöpften sich in Liebenswürdigkeiten, gaben uns Speck,
Farinha, Rapadura — Alles einfach, aber für uns grossartig. Auch unterliessen
wir nicht die landesüblichen Förmlichkeiten, dankten verbindlich nach jedem Ge-
richt und baten bei jeder Einzelheit um besondere Erlaubnis, so um einzutreten,
niederzusitzen, Wasser zu nehmen, die Hängematte aufzuhängen u. s. w.

Beim Morgengrauen des 10. Dezember gingen wir fort. Wir hatten noch
ein Nebenflüsschen des S. Manoel, den Pakú, der uns aber nur bis an die Hüften
reichte, und ein paar kleinere Bäche zu durchschreiten. Ich musste in jenen
Tagen oft der Hydrographen gedenken, die so zierlich und sauber ihre blauen
Aederchen auf Papier zeichnen.

Um 10 Uhr betraten wir eine kleine Ansiedelung von Arbeitern und sahen
dann unsere berühmte Fazenda S. Manoel gegenüberliegen auf hohem Ufer, in
üppiger Tropenlandschaft ein Bild, das mich lebhaft an Java erinnerte. Lehm-
hütten aus Fachwerk mit Palmstroh gedeckt, ein grosser Viehhof. Ein Rinden-
kanu brachte uns hinüber.

Man sass beim Frühstück. Am liebsten hätte ich einen der Kameraden bei-
seite geschoben und mich an seine Stelle gesetzt. Nun, José Confucio — mit
schwarzem Vollbart, das dicke Haar bis fast auf die Brauen reichend, barfuss in
sauberem Leinenanzug aus Hemd und Hose — empfing uns mit herzlicher Gast-
freundschaft. Es war urgemütlich. In der einfachen Stube hing als Schmuck
ein Jaguarfell, das am Tage vorher abgezogen war, aufgespannt an der Wand;
der Raum war wieder mit Bruaken und allerlei Vorräten gefüllt, und auf dem
gestampften Boden lag Stroh von Zuckerrohr umher, eine säugende Hündin
war in der einen Ecke gebettet und aus den andern ertönte überallher ein
unermüdliches Kükengepiepe. Bei Tische bedienten uns die Negerin Antoninha
und eine alte Bekannte aus dem Paranatingadorf der Bakaïrí, die Indianerin
Justiniana.


v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 10
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[145/0185] Bambusquerhölzern, der Eingang bei offener Thüre unten durch ein paar Quer- stangen gegen hereinlaufende Tiere gesichert; im Palmstrohdach oben arbeitete ein Bienenschwarm. Eine weisse Hängematte, das Bett ein Gestell mit einem Ochsenfell belegt und einem Sack als Kopfkissen, auf Gestellen darüber kleine Säcke mit Bohnen, Reis, Farinha, Salz; unten an der Wand Bruaken, ein Holz- sattel, ein paar alte Kisten, auf denen Kürbisschalen, Holzlöffel und vier kleine eiserne Kochtöpfe standen, über der Thüre ein Reitsattel mit Riemenzeug, daneben ein Strohhut mit einer von der Kinnschnur lang herabhängenden bunten Troddel, ein dünner Vorderlader, eine klobige Pistole, an einigen Stangen Leinenzeug, Kleider, Decken, Lassos, auf dem Boden eine Feuerstelle und ein Haufen Asche, Sandalen, eine grosse Wasserkalabasse, mit einer Kürbisschale zugedeckt; in einer Ecke, an drei Stricken befestigt, ein aus Aststücken zu- sammengesetztes dreieckiges Hängebrett mit kaltem Rehbraten und einem Stück Ameisenbärfleisch belastet. Kein Kaffee, kein Paraguaythee. Eine leere Flasche. Das war wohl ziemlich genau das sichtbare Inventar. Die Beiden erschöpften sich in Liebenswürdigkeiten, gaben uns Speck, Farinha, Rapadura — Alles einfach, aber für uns grossartig. Auch unterliessen wir nicht die landesüblichen Förmlichkeiten, dankten verbindlich nach jedem Ge- richt und baten bei jeder Einzelheit um besondere Erlaubnis, so um einzutreten, niederzusitzen, Wasser zu nehmen, die Hängematte aufzuhängen u. s. w. Beim Morgengrauen des 10. Dezember gingen wir fort. Wir hatten noch ein Nebenflüsschen des S. Manoel, den Pakú, der uns aber nur bis an die Hüften reichte, und ein paar kleinere Bäche zu durchschreiten. Ich musste in jenen Tagen oft der Hydrographen gedenken, die so zierlich und sauber ihre blauen Aederchen auf Papier zeichnen. Um 10 Uhr betraten wir eine kleine Ansiedelung von Arbeitern und sahen dann unsere berühmte Fazenda S. Manoel gegenüberliegen auf hohem Ufer, in üppiger Tropenlandschaft ein Bild, das mich lebhaft an Java erinnerte. Lehm- hütten aus Fachwerk mit Palmstroh gedeckt, ein grosser Viehhof. Ein Rinden- kanu brachte uns hinüber. Man sass beim Frühstück. Am liebsten hätte ich einen der Kameraden bei- seite geschoben und mich an seine Stelle gesetzt. Nun, José Confucio — mit schwarzem Vollbart, das dicke Haar bis fast auf die Brauen reichend, barfuss in sauberem Leinenanzug aus Hemd und Hose — empfing uns mit herzlicher Gast- freundschaft. Es war urgemütlich. In der einfachen Stube hing als Schmuck ein Jaguarfell, das am Tage vorher abgezogen war, aufgespannt an der Wand; der Raum war wieder mit Bruaken und allerlei Vorräten gefüllt, und auf dem gestampften Boden lag Stroh von Zuckerrohr umher, eine säugende Hündin war in der einen Ecke gebettet und aus den andern ertönte überallher ein unermüdliches Kükengepiepe. Bei Tische bedienten uns die Negerin Antoninha und eine alte Bekannte aus dem Paranatingadorf der Bakaïrí, die Indianerin Justiniana. v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 10

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/185>, abgerufen am 15.10.2024.