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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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dessen Rinde ein Kanu geliefert hatte, hier war einer ausgestiegen, dort waren
diese oder jene Fische, was Antonio nie vergass, bemerkt oder gefangen worden.

Im Gebiet der Katarakte gingen wir, um die Kanus zu entlasten, mehrere
Mal ein paar Kilometer über Land, wo jenseits des Galleriewaldes der von
Indianerpfaden durchsetzte Kamp dem Fussgänger wenig Hindernisse bereitete.
Die stehende Sonne verbreitete eine arabische Gluthitze. Zuweilen fanden wir
einen hübschen Durchblick und sahen in der Ferne die Kanus vorüberfahren.

Nicht nur bemerkten wir jetzt mehr Wasservögel, zum Teil von Jungen
begleitet, sondern es fiel uns auch die Zunahme der Insekten auf. Die Käfer wurden
jetzt eigentlich erst sichtbar; Schnecken kamen uns merkwürdiger Weise nie zur
Beobachtung. Die Stechfliegen waren sehr lästig. Tiefverhasst waren uns die
Mutuka-Bremsen auf dem Lagerplatz; es galt, viele abzuschlachten, ehe man sich
häuslich einrichtete. Zum Glück war das Moskitonetz eine vorzügliche Falle, sie
flogen zwischen die Falten der Gaze und liessen sich dort leicht totquetschen. Ein
Skorpion stach mich unterwegs in die Sohle; die Stelle entzündete sich und war
mehrere Tage äusserst empfindlich, doch lag die grössere Schuld auf Seiten des
behandelnden Arztes. Im Augenblick der Verletzung war nur Karbolsäure zur
Hand gewesen, ich wandte sie reichlich an, gebrauchte später noch eine kräftige
Dosis Ammoniak und bekam eine saubere und schöne Aetzwunde. Die dem
kleinen Unfall assistierenden Genossen empfahlen, auch die innere Behandlung
nicht zu vernachlässigen, sie schafften den in unserer Apotheke schon sehr knapp
gewordenen Eckauer Doppelkümmel herbei und nahmen auch ihrerseits von dem
wohlthuenden Mittel ein, die prophylaktische Wirkung rühmend. Skorpiongift,
Ammoniak, Karbolsäure, Alkohol, Thein, Nikotin, Chinin, Arsenik und Beiju,
dessen saure Gährung erzeugendes Mehl für mich das reine Gift geworden war
-- es war eine hübsche Anhäufung.

Ich gebrauchte jetzt täglich 10 oder 12 Arsenikpillen zu 0,002 g, eine Dosis,
die weit hinter den Leistungen der Arsenikesser zurückbleibt, und nahm auch
etwas Chinin. Während ich 1884 an schwerer Malaria gelitten hatte, blieb ich
jetzt bis auf wenige sehr leichte Anfälle frei, desgleichen der am gewissenhaftesten
einnehmende Wilhelm, der bis zu 14 Pillen stieg. Vogel behandelte eine Hautkrank-
heit, die ihn in hohem Grade belästigte, mit der ihm allein helfenden Fowler'schen
Arseniklösung und trank sie aus der hohlen Hand, er hatte kein Fieber. Ehrenreich
war von einigen ausgeprägten Anfällen heimgesucht worden, aber auch im Ge-
brauch der Pillen sehr unpünktlich gewesen. Alle übrigen litten an ziemlich heftigen
Anfällen, sogar Antonio blieb nicht verschont, und mehrere von ihnen hatten früher,
obwohl Söhne des Matogrosso, mit Malaria noch nie zu thun gehabt. Die brasi-
lischen Soldaten hatten die ganze Scheu der kleinen Kinder vor einer bitteren
Arznei; sie waren albern genug wegzulaufen, sobald man ihnen das weisse Pulver
vorn auf die Zunge legen wollte. Es war höchste Zeit, dass wir den Fluss verliessen.
Soweit das post hoc, ergo propter hoc berechtigt ist, gehen meine Erfahrungen
dahin, dass Chinin prophylaktisch vor der matogrossenser Malaria nicht schützt,

dessen Rinde ein Kanu geliefert hatte, hier war einer ausgestiegen, dort waren
diese oder jene Fische, was Antonio nie vergass, bemerkt oder gefangen worden.

Im Gebiet der Katarakte gingen wir, um die Kanus zu entlasten, mehrere
Mal ein paar Kilometer über Land, wo jenseits des Galleriewaldes der von
Indianerpfaden durchsetzte Kamp dem Fussgänger wenig Hindernisse bereitete.
Die stehende Sonne verbreitete eine arabische Gluthitze. Zuweilen fanden wir
einen hübschen Durchblick und sahen in der Ferne die Kanus vorüberfahren.

Nicht nur bemerkten wir jetzt mehr Wasservögel, zum Teil von Jungen
begleitet, sondern es fiel uns auch die Zunahme der Insekten auf. Die Käfer wurden
jetzt eigentlich erst sichtbar; Schnecken kamen uns merkwürdiger Weise nie zur
Beobachtung. Die Stechfliegen waren sehr lästig. Tiefverhasst waren uns die
Mutuka-Bremsen auf dem Lagerplatz; es galt, viele abzuschlachten, ehe man sich
häuslich einrichtete. Zum Glück war das Moskitonetz eine vorzügliche Falle, sie
flogen zwischen die Falten der Gaze und liessen sich dort leicht totquetschen. Ein
Skorpion stach mich unterwegs in die Sohle; die Stelle entzündete sich und war
mehrere Tage äusserst empfindlich, doch lag die grössere Schuld auf Seiten des
behandelnden Arztes. Im Augenblick der Verletzung war nur Karbolsäure zur
Hand gewesen, ich wandte sie reichlich an, gebrauchte später noch eine kräftige
Dosis Ammoniak und bekam eine saubere und schöne Aetzwunde. Die dem
kleinen Unfall assistierenden Genossen empfahlen, auch die innere Behandlung
nicht zu vernachlässigen, sie schafften den in unserer Apotheke schon sehr knapp
gewordenen Eckauer Doppelkümmel herbei und nahmen auch ihrerseits von dem
wohlthuenden Mittel ein, die prophylaktische Wirkung rühmend. Skorpiongift,
Ammoniak, Karbolsäure, Alkohol, Theïn, Nikotin, Chinin, Arsenik und Beijú,
dessen saure Gährung erzeugendes Mehl für mich das reine Gift geworden war
— es war eine hübsche Anhäufung.

Ich gebrauchte jetzt täglich 10 oder 12 Arsenikpillen zu 0,002 g, eine Dosis,
die weit hinter den Leistungen der Arsenikesser zurückbleibt, und nahm auch
etwas Chinin. Während ich 1884 an schwerer Malaria gelitten hatte, blieb ich
jetzt bis auf wenige sehr leichte Anfälle frei, desgleichen der am gewissenhaftesten
einnehmende Wilhelm, der bis zu 14 Pillen stieg. Vogel behandelte eine Hautkrank-
heit, die ihn in hohem Grade belästigte, mit der ihm allein helfenden Fowler’schen
Arseniklösung und trank sie aus der hohlen Hand, er hatte kein Fieber. Ehrenreich
war von einigen ausgeprägten Anfällen heimgesucht worden, aber auch im Ge-
brauch der Pillen sehr unpünktlich gewesen. Alle übrigen litten an ziemlich heftigen
Anfällen, sogar Antonio blieb nicht verschont, und mehrere von ihnen hatten früher,
obwohl Söhne des Matogrosso, mit Malaria noch nie zu thun gehabt. Die brasi-
lischen Soldaten hatten die ganze Scheu der kleinen Kinder vor einer bitteren
Arznei; sie waren albern genug wegzulaufen, sobald man ihnen das weisse Pulver
vorn auf die Zunge legen wollte. Es war höchste Zeit, dass wir den Fluss verliessen.
Soweit das post hoc, ergo propter hoc berechtigt ist, gehen meine Erfahrungen
dahin, dass Chinin prophylaktisch vor der matogrossenser Malaria nicht schützt,

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[134/0172] dessen Rinde ein Kanu geliefert hatte, hier war einer ausgestiegen, dort waren diese oder jene Fische, was Antonio nie vergass, bemerkt oder gefangen worden. Im Gebiet der Katarakte gingen wir, um die Kanus zu entlasten, mehrere Mal ein paar Kilometer über Land, wo jenseits des Galleriewaldes der von Indianerpfaden durchsetzte Kamp dem Fussgänger wenig Hindernisse bereitete. Die stehende Sonne verbreitete eine arabische Gluthitze. Zuweilen fanden wir einen hübschen Durchblick und sahen in der Ferne die Kanus vorüberfahren. Nicht nur bemerkten wir jetzt mehr Wasservögel, zum Teil von Jungen begleitet, sondern es fiel uns auch die Zunahme der Insekten auf. Die Käfer wurden jetzt eigentlich erst sichtbar; Schnecken kamen uns merkwürdiger Weise nie zur Beobachtung. Die Stechfliegen waren sehr lästig. Tiefverhasst waren uns die Mutuka-Bremsen auf dem Lagerplatz; es galt, viele abzuschlachten, ehe man sich häuslich einrichtete. Zum Glück war das Moskitonetz eine vorzügliche Falle, sie flogen zwischen die Falten der Gaze und liessen sich dort leicht totquetschen. Ein Skorpion stach mich unterwegs in die Sohle; die Stelle entzündete sich und war mehrere Tage äusserst empfindlich, doch lag die grössere Schuld auf Seiten des behandelnden Arztes. Im Augenblick der Verletzung war nur Karbolsäure zur Hand gewesen, ich wandte sie reichlich an, gebrauchte später noch eine kräftige Dosis Ammoniak und bekam eine saubere und schöne Aetzwunde. Die dem kleinen Unfall assistierenden Genossen empfahlen, auch die innere Behandlung nicht zu vernachlässigen, sie schafften den in unserer Apotheke schon sehr knapp gewordenen Eckauer Doppelkümmel herbei und nahmen auch ihrerseits von dem wohlthuenden Mittel ein, die prophylaktische Wirkung rühmend. Skorpiongift, Ammoniak, Karbolsäure, Alkohol, Theïn, Nikotin, Chinin, Arsenik und Beijú, dessen saure Gährung erzeugendes Mehl für mich das reine Gift geworden war — es war eine hübsche Anhäufung. Ich gebrauchte jetzt täglich 10 oder 12 Arsenikpillen zu 0,002 g, eine Dosis, die weit hinter den Leistungen der Arsenikesser zurückbleibt, und nahm auch etwas Chinin. Während ich 1884 an schwerer Malaria gelitten hatte, blieb ich jetzt bis auf wenige sehr leichte Anfälle frei, desgleichen der am gewissenhaftesten einnehmende Wilhelm, der bis zu 14 Pillen stieg. Vogel behandelte eine Hautkrank- heit, die ihn in hohem Grade belästigte, mit der ihm allein helfenden Fowler’schen Arseniklösung und trank sie aus der hohlen Hand, er hatte kein Fieber. Ehrenreich war von einigen ausgeprägten Anfällen heimgesucht worden, aber auch im Ge- brauch der Pillen sehr unpünktlich gewesen. Alle übrigen litten an ziemlich heftigen Anfällen, sogar Antonio blieb nicht verschont, und mehrere von ihnen hatten früher, obwohl Söhne des Matogrosso, mit Malaria noch nie zu thun gehabt. Die brasi- lischen Soldaten hatten die ganze Scheu der kleinen Kinder vor einer bitteren Arznei; sie waren albern genug wegzulaufen, sobald man ihnen das weisse Pulver vorn auf die Zunge legen wollte. Es war höchste Zeit, dass wir den Fluss verliessen. Soweit das post hoc, ergo propter hoc berechtigt ist, gehen meine Erfahrungen dahin, dass Chinin prophylaktisch vor der matogrossenser Malaria nicht schützt,

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/172>, abgerufen am 27.11.2024.