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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Feuer geschäftig, die Kinder schrieen atsiu nach der Mutter und papa nach dem
Vater, durch die Zweige ergoss sich ein magisches Mondlicht über die seltsame
Lagerszene, und bald umfing der Friede der Nacht Schlummernde und Wachende.
Wir durften ruhig schlafen, merkten aber wohl, dass einige Männer am Feuer
sitzen blieben.

Am nächsten Morgen, den 26. Oktober, gab es eine grosse Verwirrung.
Man hatte mir ein grosses Glas mit Arsenikpillen gestohlen. Gern hätte ich
unter den besonderen Umständen zu jedem Diebstahl ein Auge zugedrückt, allein
ich konnte diesen Arsenik weder meinerseits vermissen noch die Indianer damit
vergiften lassen. Ich musste die Yaulapiti, die uns begleitet hatten, nach den
Erfahrungen in ihrem Dorf im Verdacht haben und verlangte von ihnen die
Rückgabe. Sie beteuerten natürlich ihre Unschuld, die Trumai gerieten in grosse
Angst, die Weiber, Kinder und ein Teil der Männer schlugen sich in die Büsche
und kehrten auch nicht zurück, als wirklich einer der Yaulapiti das Glas mit den
Arsenikpillen brachte. Nach seiner unmassgeblichen Ansicht war es mir unter-
wegs aus der Tasche gefallen. Ein Quantum fehlte augenscheinlich; ich hoffe,
dass es auf verschiedene Liebhaber verteilt und von diesen bei den grade unter
den Yaulapiti häufigen Hautkrankheiten mit einigem Erfolg genossen worden ist.

Wir mussten, so sehr man uns zum Fortgehen drängte, mindestens die
wichtigsten Körpermessungen noch vornehmen und liessen auch nicht locker;
sieben Männer wurden in der Eile zwischen dem Packen gemessen, und die
einzige photographische Platte, die noch übrig war, wurde zu einer -- später
leider verunglückten -- Gruppenaufnahme verwendet.

Um 3/410 Uhr fuhren wir in zwei Kanus ab, von vier Trumai begleitet.
Dreimal müsse man schlafen, gaben sie an, ehe man zu ihren Dörfern gelange.
Die Mehinaku könne man auch auf den Kanalwegen erreichen und gebrauche zu
ihrem zweiten Dorf nur einen Tag. Um 11 Uhr landeten wir in der Nähe des
Auetödorfes an einer andern Stelle, als wir abgefahren waren. Im feuchten Laub
lagen riesige Regenwürmer in ungeheurer Menge; wo man den Fuss hinsetzte,
trat man darauf. Der Pfad führte uns zu den beiden Hütten der Yaulapiti-Auetö-
Familien.

Es empfiehlt sich, schon hier anzufügen, was Vogel und Perrot nach ihrer
Heimkehr von Schingu-Koblenz über die Trumaidörfer berichteten. Sie hatten
keinen Indianer zu Gesicht bekommen, unterhalb der Einmündung des Kulisehu
in den Kuluene aber auf dem 5 m hohen Ufer ein Trumaidorf von 8 und einen
Kilometer weiter östlich ein zweites von 5 Häusern, darunter Neubauten gefunden.
Die Suya hatten die Häuser sämtlich niedergebrannt, und was von grossen Töpfen
und Gerät zurückgeblieben war, kurz und klein geschlagen. Unmittelbar an die
Dörfer schlossen sich Pflanzungen an von auffallend grossem Umfang und sorg-
fältiger Bearbeitung. Ungefähr zehn frische Gräber wurden bemerkt; der kreis-
förmigen Angrabung nach zu urteilen waren die Leichen in hockender Stellung
beerdigt, sie schienen tief zu liegen, da man sie wenigstens bei einigem ober-

Feuer geschäftig, die Kinder schrieen atsíu nach der Mutter und papá nach dem
Vater, durch die Zweige ergoss sich ein magisches Mondlicht über die seltsame
Lagerszene, und bald umfing der Friede der Nacht Schlummernde und Wachende.
Wir durften ruhig schlafen, merkten aber wohl, dass einige Männer am Feuer
sitzen blieben.

Am nächsten Morgen, den 26. Oktober, gab es eine grosse Verwirrung.
Man hatte mir ein grosses Glas mit Arsenikpillen gestohlen. Gern hätte ich
unter den besonderen Umständen zu jedem Diebstahl ein Auge zugedrückt, allein
ich konnte diesen Arsenik weder meinerseits vermissen noch die Indianer damit
vergiften lassen. Ich musste die Yaulapiti, die uns begleitet hatten, nach den
Erfahrungen in ihrem Dorf im Verdacht haben und verlangte von ihnen die
Rückgabe. Sie beteuerten natürlich ihre Unschuld, die Trumaí gerieten in grosse
Angst, die Weiber, Kinder und ein Teil der Männer schlugen sich in die Büsche
und kehrten auch nicht zurück, als wirklich einer der Yaulapiti das Glas mit den
Arsenikpillen brachte. Nach seiner unmassgeblichen Ansicht war es mir unter-
wegs aus der Tasche gefallen. Ein Quantum fehlte augenscheinlich; ich hoffe,
dass es auf verschiedene Liebhaber verteilt und von diesen bei den grade unter
den Yaulapiti häufigen Hautkrankheiten mit einigem Erfolg genossen worden ist.

Wir mussten, so sehr man uns zum Fortgehen drängte, mindestens die
wichtigsten Körpermessungen noch vornehmen und liessen auch nicht locker;
sieben Männer wurden in der Eile zwischen dem Packen gemessen, und die
einzige photographische Platte, die noch übrig war, wurde zu einer — später
leider verunglückten — Gruppenaufnahme verwendet.

Um ¾10 Uhr fuhren wir in zwei Kanus ab, von vier Trumaí begleitet.
Dreimal müsse man schlafen, gaben sie an, ehe man zu ihren Dörfern gelange.
Die Mehinakú könne man auch auf den Kanalwegen erreichen und gebrauche zu
ihrem zweiten Dorf nur einen Tag. Um 11 Uhr landeten wir in der Nähe des
Auetö́dorfes an einer andern Stelle, als wir abgefahren waren. Im feuchten Laub
lagen riesige Regenwürmer in ungeheurer Menge; wo man den Fuss hinsetzte,
trat man darauf. Der Pfad führte uns zu den beiden Hütten der Yaulapiti-Auetö́-
Familien.

Es empfiehlt sich, schon hier anzufügen, was Vogel und Perrot nach ihrer
Heimkehr von Schingú-Koblenz über die Trumaídörfer berichteten. Sie hatten
keinen Indianer zu Gesicht bekommen, unterhalb der Einmündung des Kulisehu
in den Kuluëne aber auf dem 5 m hohen Ufer ein Trumaídorf von 8 und einen
Kilometer weiter östlich ein zweites von 5 Häusern, darunter Neubauten gefunden.
Die Suyá hatten die Häuser sämtlich niedergebrannt, und was von grossen Töpfen
und Gerät zurückgeblieben war, kurz und klein geschlagen. Unmittelbar an die
Dörfer schlossen sich Pflanzungen an von auffallend grossem Umfang und sorg-
fältiger Bearbeitung. Ungefähr zehn frische Gräber wurden bemerkt; der kreis-
förmigen Angrabung nach zu urteilen waren die Leichen in hockender Stellung
beerdigt, sie schienen tief zu liegen, da man sie wenigstens bei einigem ober-

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[124/0160] Feuer geschäftig, die Kinder schrieen atsíu nach der Mutter und papá nach dem Vater, durch die Zweige ergoss sich ein magisches Mondlicht über die seltsame Lagerszene, und bald umfing der Friede der Nacht Schlummernde und Wachende. Wir durften ruhig schlafen, merkten aber wohl, dass einige Männer am Feuer sitzen blieben. Am nächsten Morgen, den 26. Oktober, gab es eine grosse Verwirrung. Man hatte mir ein grosses Glas mit Arsenikpillen gestohlen. Gern hätte ich unter den besonderen Umständen zu jedem Diebstahl ein Auge zugedrückt, allein ich konnte diesen Arsenik weder meinerseits vermissen noch die Indianer damit vergiften lassen. Ich musste die Yaulapiti, die uns begleitet hatten, nach den Erfahrungen in ihrem Dorf im Verdacht haben und verlangte von ihnen die Rückgabe. Sie beteuerten natürlich ihre Unschuld, die Trumaí gerieten in grosse Angst, die Weiber, Kinder und ein Teil der Männer schlugen sich in die Büsche und kehrten auch nicht zurück, als wirklich einer der Yaulapiti das Glas mit den Arsenikpillen brachte. Nach seiner unmassgeblichen Ansicht war es mir unter- wegs aus der Tasche gefallen. Ein Quantum fehlte augenscheinlich; ich hoffe, dass es auf verschiedene Liebhaber verteilt und von diesen bei den grade unter den Yaulapiti häufigen Hautkrankheiten mit einigem Erfolg genossen worden ist. Wir mussten, so sehr man uns zum Fortgehen drängte, mindestens die wichtigsten Körpermessungen noch vornehmen und liessen auch nicht locker; sieben Männer wurden in der Eile zwischen dem Packen gemessen, und die einzige photographische Platte, die noch übrig war, wurde zu einer — später leider verunglückten — Gruppenaufnahme verwendet. Um ¾10 Uhr fuhren wir in zwei Kanus ab, von vier Trumaí begleitet. Dreimal müsse man schlafen, gaben sie an, ehe man zu ihren Dörfern gelange. Die Mehinakú könne man auch auf den Kanalwegen erreichen und gebrauche zu ihrem zweiten Dorf nur einen Tag. Um 11 Uhr landeten wir in der Nähe des Auetö́dorfes an einer andern Stelle, als wir abgefahren waren. Im feuchten Laub lagen riesige Regenwürmer in ungeheurer Menge; wo man den Fuss hinsetzte, trat man darauf. Der Pfad führte uns zu den beiden Hütten der Yaulapiti-Auetö́- Familien. Es empfiehlt sich, schon hier anzufügen, was Vogel und Perrot nach ihrer Heimkehr von Schingú-Koblenz über die Trumaídörfer berichteten. Sie hatten keinen Indianer zu Gesicht bekommen, unterhalb der Einmündung des Kulisehu in den Kuluëne aber auf dem 5 m hohen Ufer ein Trumaídorf von 8 und einen Kilometer weiter östlich ein zweites von 5 Häusern, darunter Neubauten gefunden. Die Suyá hatten die Häuser sämtlich niedergebrannt, und was von grossen Töpfen und Gerät zurückgeblieben war, kurz und klein geschlagen. Unmittelbar an die Dörfer schlossen sich Pflanzungen an von auffallend grossem Umfang und sorg- fältiger Bearbeitung. Ungefähr zehn frische Gräber wurden bemerkt; der kreis- förmigen Angrabung nach zu urteilen waren die Leichen in hockender Stellung beerdigt, sie schienen tief zu liegen, da man sie wenigstens bei einigem ober-

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/160>, abgerufen am 14.10.2024.