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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Es waren meist kleine schmächtige Gestalten mit kleinen Köpfen, zurück-
tretendem Kinn und hässlichen Gesichtern; unter den alten Weibern gab es
wahre Prachtexemplare von Hexenmodellen. Die Frauen trugen teilweise das
dreieckige Uluri, teilweise ein uns neues Garderobenstück, eine grauweissliche
Bastschlinge, die um die Hüften gezogen war und sich zu einer kleinen Rolle
verdickte. Die Sprache erinnerte uns in ihrem Tonfall nicht wenig an die der
Suya, mit der sie den nörgelnden gequetschten Habitus gemein hatte, und liess
sich durch den häufigen Auslaut auf ts und durch das f von allen Kulisehusprachen
sofort unterscheiden.

Es war merkwürdig, dass sich die Trumai derart hatten überraschen lassen.
Wahrscheinlich hatten sie sich doch vor den Suya, die ihre Dörfer geplündert
hatten, und vor uns gleichzeitig geflüchtet. Ihre Späher, die sich bei den
Auetö, Yaulapiti und Kamayura herumtrieben, waren wohl des Glaubens ge-
wesen, dass wir von den Kamayura aus nicht direkt zu den Auetö zurück-
kehren, sondern nach Schingu-Koblenz gehen würden, um uns mit Perrot
und Vogel, deren Fahrt ihnen bereits bekannt war, zu vereinigen und auf
dem Fluss nach dem Auetöhafen zu gelangen. Das Lager der Flüchtigen
bot einen Anblick der Unordnung und Ueberstürzung. Es waren im Ganzen
etwa 50 Personen; zahlreiche Feuerchen brannten bei den braunen Hängematten,
Bündel aller Art lagen und hingen an den Bäumen herum; die Schutzhütten der
Auetö-Pflanzung blieben unbenutzt. Die Indianer waren zum Teil über die Kanäle
gekommen: eine kleine Flotille von Kanus war in dem sumpfigen Gewässer
nahebei aufgefahren, viele darunter in schlechtem Zustand und nur mit Lehm-
klumpen notdürftig verpappt.

Die Beijus, die gefüllten Kürbisschalen und die Zigarren mussten bei diesem
Empfang fehlen. Man brachte kleine Baumwollenknäuel herbei und verlangte
Perlen. Leider hatten wir uns bei den Kamayura so ziemlich ausgegeben und
konnten daher nicht Vieles bieten. Dennoch erwarben wir mit den Resten, etlichen
Messern und einigen Opfern von unserm persönlichen Besitz eine kleine, nicht
unansehnliche Sammlung. Die Leute hatten die für uns wichtigsten Sachen vor
den Suya gerettet und mitgeschleppt. Da fanden sich Federschmuck, Halsketten
aus Steinperlen, ein Steinbeil, als Belegstück wertvoll, da die übrigen Kulisehu-
stämme ihre Steinbeile von den Trumai erhalten, Wurfhölzer, eine Keule, zehn
Masken, Tanzkeulen, grosse Flöten und verschiedene Kleinigkeiten. Wir ver-
missten zu unserm Erstaunen die grossen Pfeile mit langen spitzen Bambusstücken,
die die Trumai 1884 bei sich führten, von denen sie auf der Flucht eine Anzahl
verloren und an denen wir bemerkt hatten, dass man sie für die Begegnung mit uns
zugeschärft hatte. Sie waren wohl im Kampf mit den Suya verschossen worden.

Ich nutzte den Abend bei einem Kerzenstumpf schreibend möglichst aus,
um ein Vokabular zu erhalten. Ein jüngerer Häuptling zeigte sich sehr anstellig,
nur schrie er in seinem Eifer mit seiner starken Stimme, als ob ich stocktaub
wäre. Neugierig hockten die Männer in der Nähe, die Hexen waren um die

Es waren meist kleine schmächtige Gestalten mit kleinen Köpfen, zurück-
tretendem Kinn und hässlichen Gesichtern; unter den alten Weibern gab es
wahre Prachtexemplare von Hexenmodellen. Die Frauen trugen teilweise das
dreieckige Uluri, teilweise ein uns neues Garderobenstück, eine grauweissliche
Bastschlinge, die um die Hüften gezogen war und sich zu einer kleinen Rolle
verdickte. Die Sprache erinnerte uns in ihrem Tonfall nicht wenig an die der
Suyá, mit der sie den nörgelnden gequetschten Habitus gemein hatte, und liess
sich durch den häufigen Auslaut auf ts und durch das f von allen Kulisehusprachen
sofort unterscheiden.

Es war merkwürdig, dass sich die Trumaí derart hatten überraschen lassen.
Wahrscheinlich hatten sie sich doch vor den Suyá, die ihre Dörfer geplündert
hatten, und vor uns gleichzeitig geflüchtet. Ihre Späher, die sich bei den
Auetö́, Yaulapiti und Kamayurá herumtrieben, waren wohl des Glaubens ge-
wesen, dass wir von den Kamayurá aus nicht direkt zu den Auetö́ zurück-
kehren, sondern nach Schingú-Koblenz gehen würden, um uns mit Perrot
und Vogel, deren Fahrt ihnen bereits bekannt war, zu vereinigen und auf
dem Fluss nach dem Auetö́hafen zu gelangen. Das Lager der Flüchtigen
bot einen Anblick der Unordnung und Ueberstürzung. Es waren im Ganzen
etwa 50 Personen; zahlreiche Feuerchen brannten bei den braunen Hängematten,
Bündel aller Art lagen und hingen an den Bäumen herum; die Schutzhütten der
Auetö́-Pflanzung blieben unbenutzt. Die Indianer waren zum Teil über die Kanäle
gekommen: eine kleine Flotille von Kanus war in dem sumpfigen Gewässer
nahebei aufgefahren, viele darunter in schlechtem Zustand und nur mit Lehm-
klumpen notdürftig verpappt.

Die Beijús, die gefüllten Kürbisschalen und die Zigarren mussten bei diesem
Empfang fehlen. Man brachte kleine Baumwollenknäuel herbei und verlangte
Perlen. Leider hatten wir uns bei den Kamayurá so ziemlich ausgegeben und
konnten daher nicht Vieles bieten. Dennoch erwarben wir mit den Resten, etlichen
Messern und einigen Opfern von unserm persönlichen Besitz eine kleine, nicht
unansehnliche Sammlung. Die Leute hatten die für uns wichtigsten Sachen vor
den Suyá gerettet und mitgeschleppt. Da fanden sich Federschmuck, Halsketten
aus Steinperlen, ein Steinbeil, als Belegstück wertvoll, da die übrigen Kulisehu-
stämme ihre Steinbeile von den Trumaí erhalten, Wurfhölzer, eine Keule, zehn
Masken, Tanzkeulen, grosse Flöten und verschiedene Kleinigkeiten. Wir ver-
missten zu unserm Erstaunen die grossen Pfeile mit langen spitzen Bambusstücken,
die die Trumaí 1884 bei sich führten, von denen sie auf der Flucht eine Anzahl
verloren und an denen wir bemerkt hatten, dass man sie für die Begegnung mit uns
zugeschärft hatte. Sie waren wohl im Kampf mit den Suyá verschossen worden.

Ich nutzte den Abend bei einem Kerzenstumpf schreibend möglichst aus,
um ein Vokabular zu erhalten. Ein jüngerer Häuptling zeigte sich sehr anstellig,
nur schrie er in seinem Eifer mit seiner starken Stimme, als ob ich stocktaub
wäre. Neugierig hockten die Männer in der Nähe, die Hexen waren um die

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[123/0159] Es waren meist kleine schmächtige Gestalten mit kleinen Köpfen, zurück- tretendem Kinn und hässlichen Gesichtern; unter den alten Weibern gab es wahre Prachtexemplare von Hexenmodellen. Die Frauen trugen teilweise das dreieckige Uluri, teilweise ein uns neues Garderobenstück, eine grauweissliche Bastschlinge, die um die Hüften gezogen war und sich zu einer kleinen Rolle verdickte. Die Sprache erinnerte uns in ihrem Tonfall nicht wenig an die der Suyá, mit der sie den nörgelnden gequetschten Habitus gemein hatte, und liess sich durch den häufigen Auslaut auf ts und durch das f von allen Kulisehusprachen sofort unterscheiden. Es war merkwürdig, dass sich die Trumaí derart hatten überraschen lassen. Wahrscheinlich hatten sie sich doch vor den Suyá, die ihre Dörfer geplündert hatten, und vor uns gleichzeitig geflüchtet. Ihre Späher, die sich bei den Auetö́, Yaulapiti und Kamayurá herumtrieben, waren wohl des Glaubens ge- wesen, dass wir von den Kamayurá aus nicht direkt zu den Auetö́ zurück- kehren, sondern nach Schingú-Koblenz gehen würden, um uns mit Perrot und Vogel, deren Fahrt ihnen bereits bekannt war, zu vereinigen und auf dem Fluss nach dem Auetö́hafen zu gelangen. Das Lager der Flüchtigen bot einen Anblick der Unordnung und Ueberstürzung. Es waren im Ganzen etwa 50 Personen; zahlreiche Feuerchen brannten bei den braunen Hängematten, Bündel aller Art lagen und hingen an den Bäumen herum; die Schutzhütten der Auetö́-Pflanzung blieben unbenutzt. Die Indianer waren zum Teil über die Kanäle gekommen: eine kleine Flotille von Kanus war in dem sumpfigen Gewässer nahebei aufgefahren, viele darunter in schlechtem Zustand und nur mit Lehm- klumpen notdürftig verpappt. Die Beijús, die gefüllten Kürbisschalen und die Zigarren mussten bei diesem Empfang fehlen. Man brachte kleine Baumwollenknäuel herbei und verlangte Perlen. Leider hatten wir uns bei den Kamayurá so ziemlich ausgegeben und konnten daher nicht Vieles bieten. Dennoch erwarben wir mit den Resten, etlichen Messern und einigen Opfern von unserm persönlichen Besitz eine kleine, nicht unansehnliche Sammlung. Die Leute hatten die für uns wichtigsten Sachen vor den Suyá gerettet und mitgeschleppt. Da fanden sich Federschmuck, Halsketten aus Steinperlen, ein Steinbeil, als Belegstück wertvoll, da die übrigen Kulisehu- stämme ihre Steinbeile von den Trumaí erhalten, Wurfhölzer, eine Keule, zehn Masken, Tanzkeulen, grosse Flöten und verschiedene Kleinigkeiten. Wir ver- missten zu unserm Erstaunen die grossen Pfeile mit langen spitzen Bambusstücken, die die Trumaí 1884 bei sich führten, von denen sie auf der Flucht eine Anzahl verloren und an denen wir bemerkt hatten, dass man sie für die Begegnung mit uns zugeschärft hatte. Sie waren wohl im Kampf mit den Suyá verschossen worden. Ich nutzte den Abend bei einem Kerzenstumpf schreibend möglichst aus, um ein Vokabular zu erhalten. Ein jüngerer Häuptling zeigte sich sehr anstellig, nur schrie er in seinem Eifer mit seiner starken Stimme, als ob ich stocktaub wäre. Neugierig hockten die Männer in der Nähe, die Hexen waren um die

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/159>, abgerufen am 27.11.2024.